Ernsthafte Benutzung auch bei Werbegeschenken?

Gericht

EuGH


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

15. 01. 2009


Aktenzeichen

C-495/07


Entscheidungsgründe

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1, im Folgenden: Richtlinie).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Silberquelle GmbH (im Folgenden: Silberquelle) und der Maselli-Strickmode GmbH (im Folgenden: Maselli) wegen teilweisen Verfalls einer Maselli zustehenden Marke mangels ernsthafter Benutzung.


Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Hat der Inhaber der Marke diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren nach dem Tag des Abschlusses des Eintragungsverfahrens nicht ernsthaft in dem betreffenden Mitgliedstaat benutzt, oder wurde eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt, so unterliegt die Marke den in dieser Richtlinie vorgesehenen Sanktionen, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.“

Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Eine Marke wird für verfallen erklärt, wenn sie innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in dem betreffenden Mitgliedstaat für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen …“

Nationales Recht

Im österreichischen Recht bestimmt § 10a des Markenschutzgesetzes 1970 (BGBl. 260/1970, im Folgenden: MSchG):

„Als Benutzung eines Zeichens zur Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung wird insbesondere angesehen:

1. das Zeichen auf Waren, auf deren Aufmachung oder auf Gegenständen, an denen die Dienstleistung ausgeführt wird oder ausgeführt werden soll, anzubringen;

2. unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstlei[s]tungen anzubieten oder zu erbringen;

3. Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;

4. das Zeichen in den Geschäftspapieren, in den Ankündigungen oder in der Werbung zu benutzen.“

§ 33a Abs. 1 MSchG lautet:

„Jedermann kann die Löschung einer seit mindestens fünf Jahren im Inland registrierten oder gemäß § 2 Abs. 2 in Österreich Schutz genießenden Marke begehren, soweit diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Tag der Antragstellung im Inland weder vom Markeninhaber noch mit dessen Zustimmung von einem Dritten ernsthaft kennzeichenmäßig benutzt (§ 10a) wurde, es sei denn, dass der Markeninhaber die Nichtbenutzung rechtfertigen kann.“


Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

Die Maselli-Strickmode GmbH (im Folgenden: Maselli) ist ein Unternehmen, das Bekleidung herstellt und vertreibt. Sie ist Inhaberin der Wortmarke WELLNESS, die im Markenregister des österreichischen Patentamtes eingetragen ist. Diese Marke ist für die Klassen 16 (u. a. Zeitschriften und Bücher), 25 (u. a. Bekleidungsstücke) und 32 (u. a. alkoholfreie Getränke) im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in seiner revidierten und geänderten Fassung (im Folgenden: Abkommen von Nizza) eingetragen.

Maselli verwendete ihre Marke im Zuge des Vertriebs ihrer Textilwaren zur Kennzeichnung eines alkoholfreien Getränks, das sie in Flaschen mit der Aufschrift „WELLNESS-DRINK“ als Geschenk ihren verkauften Textilien beigab. In ihren Geschäftsunterlagen zur Verkaufsförderung wies die Antragsgegnerin im Ausgangsverfahren auf die mit der Marke WELLNESS gekennzeichnete Gratisbeigabe hin.

Maselli verwendete ihre Marke nicht bei gesondert verkauften Getränken.

Silberquelle, ein Unternehmen, das alkoholfreie Getränke vertreibt, hat die Löschung der Marke wegen Nichtgebrauchs für Klasse 32 beantragt.

Durch Entscheidung vom 7. November 2006 hat die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts die Marke für die Klasse 32 des Abkommens von Nizza gelöscht. Maselli hat gegen diese Entscheidung Berufung zum Obersten Patent- und Markensenat eingelegt.

Vor diesem Hintergrund hat der Oberste Patent- und Markensenat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Art. 10 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen, dass eine Marke ernsthaft benutzt wird, wenn sie für Waren (hier: alkoholfreie Getränke) gebraucht wird, die der Markeninhaber den Käufern anderer von ihm vertriebener Waren (hier: Textilien) nach Abschluss des Kaufvertrags kostenlos mitgibt?


Zur Vorlagefrage

Zunächst ist festzustellen, dass das Vorabentscheidungsersuchen einen anderen Fall als den betrifft, in dem der Inhaber einer Marke der Verkaufsförderung dienende Gegenstände in Form von Andenken oder anderen Fanartikeln verkauft.

Darüber hinaus geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass das gegen Maselli gerichtete Löschungsverfahren nur die Klasse 32 des Abkommens von Nizza betrifft, zu der die in Rede stehenden Werbegegenstände gehören. Dieses Verfahren betrifft also nicht die Rechte aus der Eintragung der Marke von Maselli für die Klasse der von diesem Unternehmen vermarkteten Waren, nämlich die Klasse 25 des Abkommens von Nizza, die Bekleidung umfasst.

Aus diesen Klarstellungen ergibt sich, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die Art. 10 Abs. 1 und 12 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen sind, dass der Inhaber einer Marke, wenn er diese auf Gegenständen anbringt, die er den Käufern seiner Waren kostenlos mitgibt, diese Marke für die Klasse, zu der die betreffenden Gegenstände gehören, ernsthaft benutzt.

Nach Auffassung von Maselli und der tschechischen Regierung ist diese Frage zu bejahen. Silberquelle, die portugiesische Regierung und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vertreten den entgegengesetzten Standpunkt.

Unter „ernsthafter Benutzung“ im Sinne der Richtlinie ist nach ständiger Rechtsprechung eine tatsächliche Benutzung zu verstehen, die der Hauptfunktion der Marke entspricht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität einer Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem ihm ermöglicht wird, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (Urteile des Gerichtshofs vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, Slg. 2003, I‑2439, Randnrn. 35 und 36, ebenso vom 9. Dezember 2008, Verein Radetzky-Orden, C‑442/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 13).

Aus diesem Begriff der „ernsthaften Benutzung“ ergibt sich, dass der Schutz der Marke und die Wirkungen, die aufgrund ihrer Eintragung Dritten entgegengehalten werden können, nicht fortdauern können, wenn die Marke ihren geschäftlichen Sinn und Zweck verliert, der darin besteht, dass für Waren oder Dienstleistungen, die mit dem die Marke bildenden Zeichen versehen sind, gegenüber Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen ein Absatzmarkt erschlossen oder gesichert wird (Urteile Ansul, Randnr. 37, und Verein Radetzky-Orden, Randnr. 14).

Wie sowohl die Kommission in ihren Erklärungen vor dem Gerichtshof als auch der Generalanwalt in den Nrn. 45 und 55 seiner Schlussanträge ausgeführt haben, ist es angesichts der Anzahl eingetragener Marken und der zwischen ihnen möglichen Konflikte erforderlich, die Aufrechterhaltung der Rechte, die durch eine Marke für eine bestimmte Waren- oder Dienstleistungsklasse gewährt werden, nur dann anzuerkennen, wenn die Marke auf dem Markt der Waren oder Dienstleistungen dieser Klasse verwendet worden ist.

Diese Voraussetzung ist, wie in den Nrn. 48 und 56 der Schlussanträge dargelegt, nicht erfüllt, wenn Werbegegenstände als Belohnung für den Kauf anderer Waren und zur Förderung von deren Absatz verteilt werden.

In einem solchen Fall werden diese Gegenstände nämlich nicht mit dem Ziel vertrieben, auf den Markt der Waren vorzudringen, die zu derselben Klasse gehören wie sie. Unter diesen Umständen trägt die Anbringung der Marke auf den Gegenständen weder dazu bei, einen Absatzmarkt für diese zu schaffen, noch dazu, diese Gegenstände im Interesse des Verbrauchers von Waren zu unterscheiden, die von anderen Unternehmen stammen.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 10 Abs. 1 und 12 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen sind, dass der Inhaber einer Marke, wenn er diese auf Gegenständen anbringt, die er den Käufern seiner Waren kostenlos mitgibt, diese Marke für die Klasse, zu der die betreffenden Gegenstände gehören, nicht ernsthaft benutzt.


Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.


Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Die Art. 10 Abs. 1 und 12 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken sind dahin auszulegen, dass der Inhaber einer Marke, wenn er diese auf Gegenständen anbringt, die er den Käufern seiner Waren kostenlos mitgibt, diese Marke für die Klasse, zu der die betreffenden Gegenstände gehören, nicht ernsthaft benutzt.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

Rechtsgebiete

Markenrecht