Gartenzwerge auf gemeinschaftlichem Eigentum einer Wohnanlage
Gericht
OLG Hamburg
Art der Entscheidung
Beschluss
Datum
20. 04. 1988
Aktenzeichen
2 W 7/87
Gründe:
... Nach der Auffassung des Senats steht der Ast. ein Anspruch auf Entfernung der Gartenzwerge zu, und zwar gegenüber allen Ag. Indem diese dem Begehren der Ast. im vorliegenden Verfahren entgegengetreten sind, haben sie als Wohnungseigentümer und Verwalter zur Aufrechterhaltung des - zunächst von einer einzelnen Wohnungseigentümerin geschaffenen - störenden Zustands beigetragen.
a) Die Ast. kann sich auf mehrere Anspruchsgrundlagen stützen (vgl. Bärmann-Pick-Merle, WEG, 6. Aufl., § 13 Rdnrn. 167, 187, 193; Augustin, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 15 WEG Rdnr. 30). Gem. § 15 III WEG kann sie als Wohnungseigentümerin einen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit die Regelung hieraus nicht folgt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Ferner kann sie gem. §§ 1004 I, 1011 BGB bei Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes vom Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen deren Unterlassung verlangen. Die Verpflichtungen der Ag. gemäß diesen Bestimmungen finden ihre Begrenzung in den - zugleich § 1004 II BGB konkretisierenden - Vorschriften von §§ 13 II 1, 14 Nr. 1, 3 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer ... zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums in solcher Weise berechtigt ist, daß dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst (§ 14 Nr. 1 WEG); in diesem beschränkten Ausmaß haben die anderen Wohnungseigentümer - also auch die Ast. - Einwirkungen auf das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden (§ 14 Nr. 3 WEG). Ob es sich bei der Einwirkung auf das gemeinschaftliche Eigentum - vorliegend der Aufstellung von Gartenzwergen - um bauliche Veränderungen oder nur um eine sonstige Einwirkung handelt, bedarf dabei keiner Entscheidung, weil auch bauliche Veränderungen hinzunehmen sind, sofern sie das in § 14 Nr. 1, 3 WEG bezeichnete Maß nicht überschreiten, wie § 22 I 2 WEG zeigt (vgl. KG, OLGZ 1987, 410 (412)).
b) Mit der Aufstellung der Gartenzwerge und deren Aufrechterhaltung durch die Ag. ist die durch § 14 Nr. 1, 3 WEG gezogene Grenze überschritten.
Es kann offenbleiben, ob damit eine Frage berührt wird, die grundsätzlich der tatrichterlichen Würdigung zu überlassen ist (vgl. BayObLG, ZMR 1985, 420 und 1986, 452 sowie NJW-RR 1987, 202). Indem das AG und ihm folgend das LG ihre Beurteilung am Vorliegen einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ausgerichtet haben, ist ein mit der dargestellten Rechtslage nicht übereinstimmendes Abgrenzungsmerkmal maßgeblich geworden, dessen Verwendung auch die etwa erforderliche Ausübung des Ermessens gem. § 15 III WEG als fehlerhaft erscheinen läßt. Da der Sachverhalt unter Berücksichtigung der vorgelegten Fotos keiner weiteren Klärung bedarf, gestattet die fehlerhafte Sachbehandlung in den Tatsacheninstanzen dem Senat jedenfalls, den Fall auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen abschließend und ohne Beschränkung auf eine rechtliche Überprüfung zu entscheiden (§ 27 S. 2 FGG, § 563 ZPO; zur Entbehrlichkeit des Augenscheins bei Vorliegen von Fotos BayObLG, NJW-RR 1987, 202). Mit den §§ 13 II 1, 14 Nr. 1, 3, 15 III WEG ist für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander eine Regelung getroffen worden, die dem einzelnen Wohnungseigentümer i. S. eines intensiven Nachbarschaftsverhältnisses Verpflichtungen zur Einschränkung seines Mitgebrauchs auferlegt, die über die nachbarrechtlichen Beziehungen unter Eigentümern selbständiger Grundstücke hinausgehen (Bärmann-Pick-Merle, WEG, § 14 Rdnr. 32). Zu vermeiden im Sinne einer Verpflichtung zu gegenseitiger Rücksichtnahme ist jede nicht ganz unerhebliche oder geringfügige Beeinträchtigung. Dabei sind auch nicht ganz unerhebliche architektonische Veränderungen oder nicht ganz geringfügige Beeinträchtigungen des optischen Gesamteindrucks im Sinne einer Störung der Harmonie oder einer ästhetischen Beeinträchtigung von Bedeutung (vgl. BayObLG, Rpfleger 1982, 219; ZMR 1987, 344 u. 382; Bärmann-Pick-Merle, WEG, § 22 Rdnrn. 34, 54, 62). Unter diesen Gesichtspunkten sind das Kinderspielen im Garten, ein gelegentliches Hausfest im Hof (zu beiden Augustin, in: RGRK, § 14 RGRKRdnr. 4 f.), optisch unauffällige bauliche Veränderungen (OLG Köln, NJW 1981, 585) oder vielleicht auch ein Kinderhaus im Garten akzeptiert worden, während gelegentliches Grillen im Garten (Augustin, in: RGRK, § 14 Rdnr. 4), Ballspielen auf dem Rasen (OLG Düsseldorf, DWE 1986, 64), das Aufstellen von Rädern, Rollern, Kinderwagen, Kisten in Hausgängen usw. (Augustin, in: RGRK, § 13 Rdnr. 6) und eines Oldtimers auf einer zu einer Eigentumswohnung gehörenden Terrasse im Garten (BayObLG, MDR 1981, 937) sowie von Gartenhütten (BayObLG, ZMR 1986, 452; OLG Frankfurt, DWE 1986, 60) sowie eine sachlich nicht gebotene Gartenumgestaltung (BayObLGZ 1975, 201 (206 f.)) als Überschreitung von § 14 Nrn. 1, 3 WEG bewertet worden sind.
Bei der rechtlichen Würdigung der Aufstellung von Gartenzwergen helfen diese Beispiele nur eingeschränkt. Immerhin fehlt bei ihr ein sozialer Bezug zum Leben der Wohnungseigentümergemeinschaft wie bei den für die Wahrung der in § 14 Nrn. 1, 3 WEG gezogenen Grenze genannten Fällen. Sie dient auch keinem ästhetischen Gesichtspunkten etwa überzuordnenden praktischen Zweck (vgl. hierzu Röll, in: MünchKomm, BGB, 2. Aufl., § 22 WEG Rdnrn. 15, 21) und bedeutet auch wegen der Aufstellung in der Zeit von Frühjahr bis Herbst an gleicher Stelle keinen nur vorübergehenden Gebrauch des Gartens. Wie die bei den Akten befindlichen Fotos zeigen, fallen die Gartenzwerge trotz ihrer geringen Abmessungen durch ihre leuchtend rote Zipfelmütze im sie umgebenden Grün des Gartens auf und können auch von der an der Grenze verlaufenden Straße her eingesehen werden.
Mag all dies noch Raum für Zweifel an der Überschreitung des zulässigen Gebrauchs gem. § 14 Nrn. 1, 3 WEG lassen, so muß letztlich den Ausschlag geben, daß die Aufstellung von Gartenzwergen - anders als etwa die von ähnlich kleinen Objekten wie Vogeltränken oder einer kleinen Tierplastik - allgemein durchaus gegensätzlicher Beurteilung insbesondere im ästhetischen Bereich unterliegt, die nicht wenige Menschen in ihren Gefühlen berührt und geradezu ideologisch überfrachtet sein kann, wie das vorliegende Verfahren zeigt. Während die einen in der Aufstellung von Gartenzwergen den Ausdruck von Beschränktheit und das Zeichen eines schlechten Geschmacks sehen, sind die anderen zu mildem Urteil und humorvoller Duldung einer in einer langen Tradition begründeten Einrichtung geneigt. Das zeigen die Zitate des AG aus dem bei ihm angeführten literarischen Werk über Gartenzwerge, in denen allerdings auch auf die Gefahr ihres Herabsinkens zu einem billigen Scherzartikel hingewiesen wird. Wird die zuerst genannte Betrachtungsweise bevorzugt, so bestehen keine Zweifel, daß es sich bei der Aufstellung der Gartenzwerge um eine nicht nur ganz unerhebliche Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage handelt, die sogar Einfluß auf den einen oder anderen Kaufinteressenten für eine Eigentumswohnung haben kann. Folgt man dem weniger strengen Urteil, so wird es vielleicht an einer erheblichen Beeinträchtigung fehlen.
Es kann nicht Aufgabe der Gerichte sein, in dieser vorwiegend ästhetischen Kontroverse ein Urteil zu fällen (vgl. OLG Zweibrücken, NJW-RR 1987, 1358 = ZMR 1987, 435). Vielmehr ist entscheidend, daß die umstrittene Aufstellung der Gartenzwerge bei nicht wenigen Menschen den bezeichneten Anstoß erregt und deshalb letztlich zu einer nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage geeignet ist. Es kann unter diesen Umständen nicht die Rede davon sein, daß die durch die Aufstellung der Gartenzwerge bewirkte Veränderung des optischen Bildes sich in keiner Weise negativ auswirkt (vgl. BayObLG, ZMR 1987, 344, wonach in einem solchen Fall ein Nachteil gem. § 14 Nrn. 1,3 WEG entfällt).
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