Notwendige Grundstücksbeleuchtung
Gericht
OLG Celle
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
22. 12. 2003
Aktenzeichen
9 U 192/03
Entscheidungsgründe:
I.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das Urteil des LG Bezug genommen (§ 540 I Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Mit der Berufung wendet sich der Kl. gegen die Annahme des LG, es sei nicht bewiesen, dass der Kl. tatsächlich auf der Hauseingangstreppe der Bekl. gestürzt sei und sich dabei verletzt habe. Das LG habe nicht berücksichtigt, dass der Kl. einerseits Parteivernehmung angeboten und sich andererseits auf die Vernehmung seiner Ehefrau als Zeugin berufen hatte. Das LG habe zudem die zeitlichen Grenzen der Verkehrssicherungspflicht verkannt; eine solche Pflicht setze nicht erst um 07:00 Uhr morgens ein; es sei vielmehr davon auszugehen, dass bereits um 04:00 Uhr, da zu diesem Zeitpunkt üblicherweise Tageszeitungen ausgeliefert würden, die Verkehrssicherungspflicht einsetze. Für die Ursächlichkeit der Dunkelheit für den Sturz des Kl. würde zudem ein Beweis des ersten Anscheins streiten. Schließlich sei dem Kl. der
Vorwurf eines Mitverschuldens nicht zu machen; ihn treffe keine Pflicht, beim Austragen der Zeitung ständig eine Taschenlampe bei sich zu führen.
Der Kl. beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils
1. die Bekl. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum bis zur mündlichen Verhandlung zu zahlen, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,
2. festzustellen, dass die Bekl. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kl. allen materiellen und immateriellen Schaden ‑ letzterer, soweit er nach der letzten mündlichen Verhandlung entsteht ‑ aus dem Unfall vom 31. 8. 2000 gegen 04:30 Uhr auf dem Hausgrundstück der Bekl. zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.
Die Bekl. beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil.
II.
Die Berufung ist unbegründet; zu Recht hat das LG die Klage abgewiesen.
Die zwischen den Parteien streitigen Fragen, ob der Kl. tatsächlich auf der Treppe zum Wohnhaus der Bekl. gestürzt ist und ob die Dunkelheit in diesem Bereich ursächlich für den Sturz des Kl. war, brauchen nicht geklärt zu werden, da die Bekl. nicht der Vorwurf einer Verkehrssicherungspflichtverletzung trifft.
Zwar trifft es im Grundsatz zu, dass der Hauseigentümer als Verkehrssicherungspflichtiger die Begehbarkeit des vom Bürgersteig zum Hauseingang führenden Weges sicherstellen muss (vgl. BGH VersR 1977, S. 431), wozu einerseits im Winter das Räumen des Weges sowie ggf. das Streuen gehört und andererseits die ausreichende Beleuchtung des Weges. Der Umfang dieser Verkehrssicherungspflicht besteht jedoch nicht „rund um die Uhr“, sondern hängt vom Bedürfnis der Verkehrsteilnehmer ab. In zeitlicher Hinsicht kann angenommen werden, dass die Verkehrssicherungspflicht am Morgen beginnt, wenn der allgemeine Verkehr einsetzt (zu den zeitlichen Grenzen der Streupflicht eines Wohnraumvermieters vgl. etwa OLG Düsseldorf, OLGR 2001, 263, 264 l. Sp.). Außerhalb dieser allgemeinen Verkehrsstunden besteht nämlich kein Vertrauensschutz des Teilnehmers am allgemeinen Verkehr, weil dies für den Verkehrssicherungspflichtigen zu einer unzumutbaren Belastung führen würde. Zum Zeitpunkt des vom Kl. behaupteten Vorfalls ‑ 04:30 Uhr morgens ‑ hatte aber der allgemeine Verkehr noch nicht eingesetzt. Denn vom allgemeinen Verkehr kann man regelmäßig erst ab ca. 07:00 Uhr morgens sprechen. Dass dies auf dem Grundstück der Bekl. am Vorfallstag anders gewesen sein sollte, hat der Kl. weder vorgetragen noch ist dies sonst dem Senat ersichtlich.
Zwar verkennt der Senat nicht, dass es regelmäßig für den Verkehrssicherungspflichtigen durchaus beschwerlicher sein wird, in den frühen Morgenstunden die Wege auf bzw. zu seinem Grundstück von Schnee und Eis freizuhalten, da er dies in der Regel nur durch den persönlichen Einsatz in den frühen Morgenstunden wird gewährleisten können, wohingegen eine ausreichende Beleuchtung der Zuwegung nicht voraussetzt, dass der Verkehrssicherungspflichtige selbst unmittelbar tätig wird; die Beleuchtung kann etwa dadurch geschaffen werden, dass der Verkehrssicherungspflichtige entweder eine Lampe zu Beginn der Dunkelheit einschaltet und erst am Morgen wieder ausschaltet, oder für das Leuchten mit einer Zeitschaltuhr entsprechende Impulse gibt oder einen Bewegungsmelder installiert. Auch solche Maßnahmen werden jedoch gegenüber Zeitungszustellern in den frühen Morgenstunden nicht als geboten angesehen werden können. Denn gerade in zeitlicher Hinsicht bestimmt sich die Verkehrssicherungspflicht auch nach dem,
was die „billige Rücksicht nach der Verkehrsauffassung“ gebietet (BGH NJW 1985, 270). Dabei ist zum einen zu bedenken, dass der Kl. als Zeitungszusteller offenkundig selbst nicht von einer durch die Kunden seines Arbeitgebers veranlassten ausreichenden Beleuchtung der Wege ausging, da er eine Taschenlampe bei sich führte, die nur am fraglichen Tag ‑ wie der Kl. vorträgt ‑ nicht einsatzbereit war, da die Batterien nicht mehr über eine ausreichende Kapazität verfügten. Zum anderen ‑ und dies ist entscheidend ‑ durfte und konnte sich der Kl. nicht auf entsprechende vorsorgende Maßnahmen der Kunden seines Arbeitgebers verlassen. Denn ersichtlich ist eine entsprechende Verpflichtung der Bekl. nicht Bestandteil des Vertrages über den Bezug der Tageszeitung mit dem sie herausgebenden Verlag geworden ‑ zur Vereinfachung geht der Senat davon aus, dass Verlag und Zustellunternehmen identisch sind ‑. Besteht aber eine bestimmte Sonderrechtsbeziehung zwischen dem Unternehmen, dessen Mitarbeiter das Grundstück des Verkehrssicherungspflichtigen betritt, und diesem selbst, so obliegt es ‑ jedenfalls was die Zeiten außerhalb des „allgemeinen Verkehrs“ anbelangt ‑ jenem, eine entsprechende Vorsorge beim Kunden anzuregen bzw. als dessen Verpflichtung im Vertragsverhältnis zu fixieren. Sofern also der Verlag bzw. das Zustellunternehmen der Auffassung ist, die Vorsorge solle vom Grundstückseigentümer als Kunden zu leisten sein und nicht ‑ wie es hier offenbar der Fall war ‑ vom Zusteller selbst, musste es darauf den Grundstückseigentümer hinweisen bzw. die Zustellung der Zeitung in den frühen Morgenstunden ‑ gerade im Winter ‑ davon abhängig machen, dass eine ausreichende Beleuchtung vorhanden war. Gibt es solche ergänzende Vereinbarungen nicht, kann auch nicht erwartet werden, dass der Grundstückseigentümer entsprechende Maßnahmen trifft.
Da mithin zum Zeitpunkt des Vorfalls noch keine Verkehrssicherungspflicht der Bekl. bestand, bedarf es - wie in der mündlichen Verhandlung mit den Prozessbevollmächtigten der Parteien erörtert - keiner weiteren Aufklärung, inwiefern der Zugangsbereich zum Haus der Bekl. durch das in der Nähe befindliche Gebüsch verdeckt bzw. schlechter einsehbar - weil unzureichend ausgeleuchtet - war, und inwiefern die Bekl. dies hätten verhindern können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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