Belehrung von Kindern zum Umgang mit Feuer

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

29. 05. 1990


Aktenzeichen

VI ZR 205/89


Tenor


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

in dem Rechtsstreit

...

gegen

...

Tatbestand


Aus dem Tatbestand:

Die Kl., ein Feuerversicherer, hat die bekl. Eltern aus übergegangenem Recht gemäß § 67 VVG wegen Verletzung der Aufsichtspflicht in Anspruch genommen. Am 1.8.1984 war auf dem Dachboden des im Eigentum ihres Versicherten Sch. stehenden mehrstöckigen Miethauses in B. ein Brand ausgebrochen. Sie hat behauptet, die Kinder der Bekl.-der am 29.12.1977 geborene Sohn M. des Bekl. zu 1) und der am 31.1.1978 geborene Sohn Ma. der Bekl. zu 2) - hätten durch gemeinschaftliches „Kokeln“ mit Streichhölzern, einer Kerze und Papier auf dem Boden des Hauses den Brand entfacht. An geeigneten Erziehungsmaßnahmen, die den Kindern die Gefährlichkeit des Umgangs mit Feuer vermittelt hätten, habe es bei den Bekl. ebenso gefehlt wie an konkreter Beaufsichtigung des Spiels der Kinder auf der Straße.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kl. hat das OLG ihr stattgegeben.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß beide Jungen, gemeinschaftlich handelnd, das Feuer auf dem Dachboden entfacht haben. Dabei kann es nach Aufassung des Berufungsgerichts auf sich beruhen, ob auch der Sohn des Bekl. zu 1), M., auf dem Dachboden selbst Papier angezündet hat. Zumindest habe er dem Sohn der Bekl. zu 2), X. psychischen Beistand geleistet, von dem er gewußt habe, daß er im Besitz von Streichhölzern gewesen sei und auf dem Dachboden ein „Lagerfeuer“ habe machen wollen.

II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.

1. Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Bekl. zu 2)

Das Berufungsgericht sieht die Voraussetzungen der Haftung nach § 832 BGB schon deswegen als erfüllt an, weil zu unterstellen sei, daß die Bekl. ihren Aufsichtspflichten schon im allgemeinen nicht nachgekommen seien. Zu dieser Überzeugung ist das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft gelangt.

a) Zwar sind die Anforderungen an die Aufsichtspflicht zur Belehrung der Kinder über die Gefahren eines Brandes, insbesondere also im Umgang mit Streichhölzern, streng (vgl. Senatsurt. v. 17.5.1983 - VI ZR 263/81 = VersR 83, 734, vom 10.7.1984 - VI ZR 273/82 = VersR 84, 968, 969 und vom 1.7.1986 - VI ZR 214/84 = VersR 86, 1210). Die - nicht seltene - Verursachung eines Brandes durch spielende Kinder gehört nicht primär zu dem von der Allgemeinheit zu tragenden Lebensrisiko. Vielmehr soll das Risiko, das von Kindern für Dritte ausgeht - worauf der Senat mehrfach hingewiesen hat - nach dem Grundgedanken des § 832 BGB in erster Linie von den Eltern getragen werden, denen es eher zuzurechnen ist als dem unbeteiligten Dritten, und die als Erziehungspflichtige auch die Möglichkeit haben, dem Kind die notwendigen Erkenntnisse über die Gefährlichkeit eines Feuers, gerade innerhalb eines Gebäudes, zu vermitteln. Von welcher Art und Weise ihres Vorgehens sie sich hierfür den besten pädagogischen Erfolg versprechen, ist jedoch weitgehend ihrer Entscheidung vorbehalten (vgl. Senatsurt. v. 10.7.1984 a.a.O.). Hat sich diese Gefahr aber verwirklicht, gehört es zur Darlegungspflicht und zum Entlastungsbeweis der Eltern nach § 832 BGB, im einzelnen darzulegen und nachzuweisen, daß sie dieser Belehrungspflicht nachgekommen sind. Dabei hat das Gericht allerdings der Schwierigkeit der Beweisführung über derartige, sich im allgemeinen innerfamiliär vollziehende Erziehungsmaßnahmen, die zudem breitflächig angelegt sein werden und deshalb schwerlich sich zeitlich genau fixieren lassen, Rechnung zu tragen.

b) Bei Beachtung dieser von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast der Bekl. zu 2) für den Nachweis, daß sie ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen ist, überspannt:

Das Berufungsgericht berücksichtigt bei seiner Bewertung der Darlegung der Bekl. zu 2) nicht ausreichend die bereits genannte Schwierigkeit, die Schritte in der Erziehung zum verantwortlichen Umgang mit Feuer zeitlich genau fixieren zu können.

Die Bekl. zu 2) hat anhand ihr in Erinnerung gebliebener Vorgänge dargetan, den jungen X. immer wieder auf die Gefahr des Umgangs mit Feuer hingewiesen zu haben. So hat sie ausgeführt, ihm, als er im Alter von 4 oder 5 Jahren einmal die Kerze eines Adventskranzes habe anzünden wollen, dies verboten, und ihm erklärt zu haben, er sei für den Umgang mit Feuer noch zu klein. Eine besondere Notwendigkeit zum Hinweis auf die Gefahr der Streichholzbenutzung hat die Bekl. zu 2) nach ihrem Vortrag auch deswegen gesehen, weil wegen der in ihrer Wohngegend noch weitverbreiteten Ofenheizungen die Möglichkeit nicht fern lag, daß der junge auch auf diese Weise mit Feuer häufiger in Berührung kommen könne. Sie hat weiter ausgeführt, den jungen aus erzieherischen Gründen angeleitet zu haben, in ihrem Beisein Streichhölzer anzuzünden. Auch dies kann eine geeignete Erziehungsmaßnahme sein (vgl. Senatsurt. v. 6.4.1976 - VI ZR 93/75 = VersR 76, 878, 879). Weiter hat die Bekl. zu 2) vorgetragen, daß auch von ihrer Mutter zusätzlich Unterrichtungen erfolgt seien, und sich zum Beweis auf deren Zeugnis berufen.

Danach hätte das Berufungsgericht nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, die Bekl. zu 2) sei ihrer Darlegungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Bei umfassender Bewertung und vernünftiger Auslegung ihres Vertrags hätte dieser auch dahin verstanden werden können, daß X. hinreichend allgemein über die Gefahren im Umgang mit Streichhölzern belehrt und verwarnt worden war (vgl. Senatsurt. v. 10.7.1984 - VI ZR 273/82 a.a.O. S. 969)

2. Verletzung der Aufsichtspflicht durch den Bekl. zu 1) a) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht insoweit zunächst davon aus, daß ein Aufsichtspflichtiger auch dann nach § 832 BGB haften kann, wenn als rechtswidrige Schadenzufügung i.S des § 832 Abs. 1 S. 1 BGB nur eine durch psychischen Beistand des Aufsichtsbedürftigen verwirklichte unerlaubte Handlung in Betracht kommt. Für eine Haftung nach § 832 BGB ist nur die Erfüllung des objektiven Tatbestands einer unerlaubten Handlung i.S. des § 823 BGB durch den Aufsichtsbedürftigen erforderlich; hingegen muß ihm kein Verschulden vorgeworfen werden können. Die Deliktsunfähigkeit der Söhne des Bekl. i.S. des § 828 BGB ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

aa) Bedenken bestehen indes schon, ob die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Annahme des Berufungsgerichts tragen, der Sohn des Erstbekl. habe X., dem Sohn des Zweitbekl., zumindest psychischen Beistand geleistet, als dieser das Feuer entzündet habe. Wie der Senat bereits entschieden hat, reicht die bloße Anwesenheit bei der Verwirklichung rechtswidriger unerlaubter Handlungen Dritter nicht aus, um von einer psychisch vermittelten Tatbeteiligung ausgehen zu können (vgl. Senatsurt. BGHZ 63, 124, 130 und BGHZ 89, 363, 392). Erforderlich ist vielmehr, daß über das wertneutrale Verhalten der Anwesenheit hinaus ein zusätzliches Element hinzukommt, das auf eine psychische Tatbeteiligung schließen läßt, nämlich eine Solidarisierung mit dem Täter durch Äußerung von Anerkennung, Beifall, Billigung, Aufmunterung, Beseitigung von Hemmungen, Erhöhung des Sicherheitsgefühls oder auch nur die Vers. der Verbundenheit mit dem Täter, soweit solche psychischen Unterstützungen ihn noch in seinem Tatentschluß beeinflussen können (vgl. Roxin in LK, 10. Aufl., § 27 StGB, Rdn. 13; Lackner, StGB, 18. Aufl., § 27 StGB, Anm. 3; vgl. auch BGHZ 63, 124, 131). Dies kann jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hier nicht schon darin erblickt werden, daß M. von dem beabsichtigten Spiel des X. mit dem Feuer auf dem Dachboden Kenntnis gehabt und ihn mit diesem Wissen um seine Absicht auf den Dachboden begleitet hat.

bb) Aber selbst wenn - was weiterer Aufklärung durch das Berufungsgericht bedurft hätte - davon auszugehen wäre, daß M. den X. in seiner Absicht, auf dem Dachboden ein Feuer zu entzünden, durch psychischen Beistand bestärkt hätte, dürfte dies nicht dazu führen, daß der Erstbekl. wegen Verletzung der Aufsichtspflicht i.S. des § 832 BGB zur Leistung von Schadenersatz an die Kl. verurteilt würde. In einem solchen Falle müßte davon ausgegangen werden, daß der Bekl. zu 1) seine Aufsichtspflicht nicht verletzt hat.

Wie bereits ausgeführt, ist es Aufgabe der aufsichtspflichtigen Eltern, ihre Kinder über die Gefahren des Umgangs mit Feuer eindringlich und nachhaltig zu belehren. Hierzu gehört auch, sie mit gleicher Eindringlichkeit davor zu warnen, anderen Kindern bei dem Entfachen und dem Unterhalten eines Feuers in irgend einer Weise zu helfen oder sie dazu anzustiften. Eine Haftung aus § 832 BGB kommt jedoch nur in Betracht, wenn der Aufsichtspflichtige im konkreten Fall in Bezug auf die zur widerrechtlichen Schadenzufügung führenden Umstände der Aufsichtspflicht nicht genügt hat (vgl. Senatsurt. v. 27.11.1979 - VI ZR 98/78 = VersR 80, 278 m.W.N.). Der Erstbekl. hat jedoch seine Aufsichtspflicht nicht verletzt, soweit es darum ging, seinen Sohn von psychischer Beihilfe zu dem Anzünden von Feuer durch andere Kinder abzuhalten. Es übersteigt die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, von dem Aufsichtspflichtigen zu verlangen, einem noch nicht einmal 7 Jahre alten Kind auch das Verbot des psychischen Beistandleistens bei gefährlichem Spiel mit Streichhölzern zu vermitteln. Für den Inhalt der Aufsichtspflicht ist entscheidend, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ihr Kind zu verhindern (vgl. Senatsurt. v. 28.2.1969 - VI ZR 222/67 = VersR 69, 523 = NJW 69, 2138, 2139). Dabei gibt es naturgemäß Grenzen in dem, was Kindern und jugendlichen von Eltern in der Erziehung zu vermitteln ist. Diese sind vom Alter her durch die Einsichtsfähigkeit des Kindes wie auch durch die Einflußmöglichkeit auf das Kind bzw. den jugendlichen gezogen (vgl. Senatsurt. v. 27.11.1979 - VI ZR 98/78 a.a.O., S. 279). Sowohl das Vermitteln des hinter dem von der Rechtslehre entwickelten Begriff der psychischen Beihilfe stehenden tatsächlichen Verhaltens als auch der Erkenntnis der Gefahr, die darin besteht, einen anderen in seinem Tun allein psychisch zu unterstützen, geht wegen der Abstraktheit dieses Begriffs und des Erkenntnisvorgangs über die Belehrung konkreter Gefährdungen hinaus. Geeignete Erklärungsmöglichkeiten, die den Begriffsinhalt auch dieser Gefährdung durch psychisches Beistandleisten für ein nicht einmal 7-jähriges Kind vermitteln können, sind nicht erkennbar. Den Versuch zu unternehmen, einem solchen Kind klar zu machen, daß und ggfls. unter welchen Voraussetzungen schon das Mitgehen zum Spiel anderer deren gefährliches Tun „durch psychischen Beistand“ zu fördern geeignet ist, ist wegen der sehr naheliegenden Erfolgslosigkeit solcher Anstrengungen den Eltern nicht zuzumuten. Es wäre daher lebensfremd, dennoch dahingehende Anforderungen an die Aufsichtspflichtigen zu stellen. Erziehungsmaßnahmen unterlassen zu haben, die vernünftigerweise nicht gefordert werden können, kann deshalb einem Aufsichtspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden (vgl. Senatsurt. v. 27.11.1979 - VI ZR 98/78 - a.a.O.).

Vorinstanzen

Kammergericht

Rechtsgebiete

Garten- und Nachbarrecht; Haftungsrecht; Zivilrecht, Sonstiges

Normen

§ 832 BGB