Fotografische Dokumentation von vertragswidrgem Verhalten

Gericht

AG Bonn


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

17. 05. 2006


Aktenzeichen

8 C 209/05


Tatbestand


Tatbestand:

Die Kl. ist mit Mietvertrag vom 2. 10. 2002 Mieterin einer Wohnung im C Mweg ## in C geworden, die im Eigentum der Bekl. steht.

Mit Schreiben vom 31. 8. 2004 erteilte die Bekl. der Kl. eine mietrechtliche Abmahnung. Hierin heißt es:

„Am Freitag, den 20.08.2004, haben Augenzeugen beobachtet und dokumentiert, wie Sie im Beisein eines Herrn/Besuchers Ihren sexuellen Bedürfnissen im Freien, d.h. auf Ihrer Terrasse nachgekommen sind.

Abgesehen von der Tatsache, dass sich in unmittelbarer Nähe zwei Kinderspielplätze befinden sowie sich mehrere Mieter angesichts dieser Szenerie peinlich berührt fühlten, so sehen auch wir darin eine erhebliche Beeinträchtigung Ihrer Mitmieter bzw. Ihrer Nachbarn. Zudem wäre das Vorkommnis unter dem Gesichtspunkt der Erregung öffentlichen ärgernisses zu prüfen.“

Mieter des Hauses hatten von dem oben beschriebenen Ereignis vier Lichtbilder gefertigt und im Laufe des Verfahrens zur Gerichtsakte gereicht.

Die Kl. behauptet, dass der Vorwurf aus der Abmahnung nicht zutreffe. Mit dem Zeugen T habe sie lediglich auf der zu ihrer Mietwohnung gehörenden Terrasse in der Sonne gesessen. Diese Loggia sei rundherum mit einer ausreichend hohen Mauer umgeben und liegt unmittelbar unter dem Balkon der darüber liegenden Wohnung, so dass diese nicht einsehbar sei. Zutreffend sei, dass die Kl. lediglich mit einem Bikinihöschen bekleidet und der Zeuge T unbekleidet gewesen sei.

Die Kl. hat zunächst beantragt,

festzustellen, dass die Abmahnung der Bekl. vom 31. 8. 2004 unwirksam ist.

Auskunft darüber zu erteilen, welche Art und welche Menge von Lichtbildern oder Filmaufnahmen mit Abbildung der Kl. und Herrn O T, der Bekl. vorliegen, die am 20. 8. 2004 während des Aufenthaltes der Kl. und des Herrn T auf der Terrasse der Wohnung C Mweg ##, 5##### C gefertigt wurden.

Die dem Gericht vorliegenden Lichtbilder oder Filmaufnahmen gem. der erteilten Auskunft an die Kl. herauszugeben.

Der Kl. Auskunft darüber zu erteilen, wer die unter Ziff. 2) bezeichneten Lichtbilder bzw. Filmaufnahmen der Bekl. zur Kenntnis gebracht hat.

In der mündlichen Verhandlung vom 8.9.2005 hat die Kl. den Antrag zu 2) in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Mit Teilurteil vom 8.9.2005 hat das AG Bonn festgestellt, dass der Rechtsstreit bezüglich des Klageantrages zu 2) in der Hauptsache seine Erledigung gefunden hat. Den Klageantrag zu 4) hat das AG Bonn zurückgewiesen. Insoweit wurde Berufung eingelegt und das LG Bonn hat der Klage hinsichtlich Ziff. 4) stattgegeben.

Es war daher noch über die Anträge zu Ziff. 1) und 3) zu entscheiden.

Die Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass es am 20.08.2004 zu sexuellen Handlungen zwischen der Kl. und dem Zeugen T auf der zur Wohnung der Kl. gehörenden Terrasse gekommen sei.

Sie ist der Auffassung, dass die Abmahnung vor diesem Hintergrund gerechtfertigt ist.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen C und M U, V, I, T und W. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2.3.2006 ( Blatt 167- 174 der Akte ) sowie auf die schriftliche Aussage des Zeugen T vom 10.3.2006 ( Blatt 182 der Akte ) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist hinsichtlich des Antrages zu 3) begründet, hinsichtlich des Antrages zu 1) unterlag sie der Abweisung.

Die Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Herausgabe der gefertigten Lichtbilder von dem Vorfall vom 20. 8. 2004. Die Bilder sind im Laufe des Verfahrens zur Gerichtsakte gereicht worden. Die Kl. hat diesbezüglich ihren Antrag umgestellt und beantragt, die Bekl. zu verurteilen, die dem Gericht vorliegenden Bilder an die Kl. herauszugeben. Da die Bilder allerdings derzeit dem Gericht vorliegen, wird eine Herausgabe erst nach Beendigung des Rechtsstreits und Rückgabe der Bilder durch das Gericht an die Bekl. möglich sein.

Im übrigen war die Klage allerdings abzuweisen.

Die Bekl. hat der Kl. unter dem 31. 8. 2004 zurecht eine Abmahnung mit diesem Inhalt erteilt. Dies steht zur Überzeugung des Gerichtes fest auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme vom 2.3.2006.

Die Zeugen C und M U, V und I haben übereinstimmend bekundet, dass es am Tag des 20. 8.es 2004 zu sexuellen Handlungen seitens der Kl. und des Herrn T gekommen sei. Die Zeugen haben in sich stimmig und widerspruchsfrei erklärt, dass die Kl. mit ihrem Fuß bzw. Zeh am Glied des Herrn T gestreichelt habe und der Zeuge T dabei einen erigierten Penis hatte. Die dagegen recht pauschale Angabe des Zeugen T, dass es nicht zu sexuellen Handlungen gekommen sei, steht hierzu in eklatantem Widerspruch. Es sind keine Anhaltspunkte dahingehend bekannt geworden, dass die Zeugen, die die sexuellen Handlungen detailliert und übereinstimmend beschrieben haben, hier nicht die Wahrheit gesagt haben.

Die Zeugen haben sich insbesondere darüber aufgeregt, dass sich in unmittelbarer Nähe zwei Kinderspielplätze befinden und vor diesem Hintergrund sexuelle Handlungen in einem frei einsehbaren Garten nicht hinnehmbar seien. Besondere Belastungstendenzen, die die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Frage stellen würde, sind nicht ersichtlich geworden. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Zeugen U der Kl. nicht positiv gegenüberstehen und mit deren Verhalten offensichtlich nicht einverstanden sind. Insbesondere aber die Zeugin V, die den Vorfall ebenfalls vollumfänglich bestätigt hat, war im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung bemüht darum, ein positives Bild der Kl. zu zeichnen und auch deren „guten Seiten“ herauszustellen. Die Zeugin I, die nicht in dem selben Mietshaus wie die Kl. wohnt, hat mit dieser keinerlei Berührungspunkte.

Vor diesem Hintergrund ist auch am Wahrheitsgehalt der Zeugenaussagen U, die im Kern mit den Bekundungen der Zeugen V und I identisch sind, nicht zu zweifeln oder weniger Gewicht beizumessen.

Dagegen hat allerdings der Zeuge T ein erhebliches eigenes Interesse daran, nunmehr zu bekunden, dass es nicht zu sexuellen Handlungen gekommen ist. Gemäß der Aussagen der übrigen Zeugen soll er an dem streitgegenständlichen Ereignis beteiligt gewesen sein, was zur Abmahnung geführt hat. Hinzu kommt, dass er mit der Kl. befreundet ist, welche sich nunmehr auf Grund des streitigen Vorfalles - an dem wie gesagt der Zeuge T nach den Bekundungen der übrigen Zeugen beteiligt gewesen sein soll - in Schwierigkeiten befindet. Die Bekundungen des Zeugen T waren darüber hinaus ausgesprochen dürftig und beschränkten sich auf die Verneinung der Beweisfrage.

Es liegt hier daher keine non-liquet- Situation vor, sondern das Gericht folgt auf Grund der dargestellten Umstände, den Bekundungen der Zeugen U, V und I.

Diese Beweisaufnahme war auch zulässig. Insbesondere steht ihr kein Beweisverwertungsverbot entgegen.

Ein Beweisverwertungsverbot auf Grund der gefertigten Lichtbilder liegt nicht vor. Denn bei der Zeugenvernehmung handelt es sich nicht um die Umgehung eines nicht zu verwertenden Beweismittels, sondern um ein eigenständiges, selbständiges Beweismittel. Denn die Zeugen haben aus eigener Anschauung bekundet. Sie haben nicht lediglich den Zustand wie er sich auf den Bildern findet wiedergegeben, sondern bekundet, was sie mit eigenen Augen gesehen haben.

Dieser Beweis wäre unabhängig von der Existenz der gefertigten Lichtbilder zu erheben gewesen. Auch haben die gefertigten Lichtbilder bezüglich des Ausgangs dieses Rechtsstreits keine Bedeutung. Zwar haben die Zeugen die Situation wiedergegeben, wie sie sich auf den Lichtbildern befunden haben, allerdings ist dies vom Gericht nicht berücksichtigt worden, da nach Auffassung des LG Bonn diese Anfertigung der Bilder rechtswidrig gewesen sein soll. Allein die Schilderung der Zeugen im Prozess hat zur Überzeugungsbildung des Gerichtes beigetragen.

Das LG Bonn hat die Auffassung vertreten, dass die gefertigten Lichtbilder das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kl. verletzen und daher auf rechtswidrigem Wege zustande gekommen sind.

Für die vorliegend zu entscheidende Frage, kann sich die Kl. allerdings nicht auf die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes berufen. Dies ist nämlich von der bereits entschiedenen Frage hinsichtlich der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes durch Anfertigung von Lichtbildern zu unterscheiden und differenziert zu betrachten. Denn gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Kl. ist auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht jedes Einzelnen zu berücksichtigen. Grundrechte finden dort ihre Schranken, wo Rechte Dritter verletzt werden. Die vorgenommenen sexuellen Handlungen auf einem einsehbaren Terrassengelände sind durchaus geeignet ein öffentliches ärgernis zu erregen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich - wie alle Zeugen bestätigt haben - in unmittelbarer Nähe zu dem Grundstück der Kl. zwei Kinderspielplätze befinden. An dem Terrassengrundstück verläuft des Weiteren ein Fußweg. Es bestand daher durchaus die Möglichkeit, dass die Kl. und der Zeuge T von unbeteiligten Dritten, auch und insbesondere Kindern, wahrgenommen werden. Dass er hierzu tatsächlich nicht gekommen ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Immerhin wurde der streitgegenständliche Vorfall von den Mietmietern und deren Besuch - unabhängig voneinander - wahrgenommen.

Die Zeugen haben mitgeteilt, dass sie sich über die Brüstung des Balkons gelehnt haben und dabei auf die Kl. und deren Begleiter blicken konnten. Es war durchaus nicht so, dass die Kl. mit dem Zeugen T die sexuellen Handlungen in einem geschützten, verborgenen, schwer einsehbaren Raum vorgenommen hat, sondern dieser waren sowohl für Dritte außerhalb des Mietobjekts als auch für die Mieter oberhalb ohne größere Anstrengung einsehbar. Wenn die Kl. sich derart freizügig präsentiert, kann sie nicht damit rechnen, dass die Mitmieter dies akzeptieren und unbeteiligt bleiben. Denn im Rahmen eines Mietverhältnisses und zur Wahrung des Hausfriedens gehört die gegenseitige Rücksichtnahme. Diese hat die Kl. hier durch ihr freizügiges Verhalten auf der einsehbaren Terrasse nicht eingehalten, so dass sie sich ihrerseits auch nicht darauf berufen kann, dass die Mieter ihr gegenüber Toleranz zu wahren und dies hinzunehmen hätten. Die Mieter waren durchaus auch berechtigt, diesen Vorfall auch der Hausverwaltung zu melden und hierüber als Zeugen vor Gericht auszusagen. Das Persönlichkeitsrecht der Kl. wird hierdurch nicht verletzt. Sie hat sich nämlich selbst aus diesem geschützten Bereich herausbegeben.

Die Vernehmung der Zeugin W war unergiebig.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: Klageantrag zu 1): 1.369,02 € ( Jahresnettomiete abzüglich 50 % im

Hinblick auf Festellung bzw. Abmahnung ).

Klageantrag zu 2): bis zu 600,- €.

Klageantrag zu 3): bis zu 600,- €.

Klageantrag zu 4): 3.000,- €.

Insgesamt: 5569,02 €

Für die mündliche Verhandlung vom 02.03. und danach: 1.969,02 €

Rechtsgebiete

Garten- und Nachbarrecht