Verkehrsauffassung bei Auflagenwerbung

Gericht

OLG Hamburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

12. 02. 2009


Aktenzeichen

3 U 77/07


Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 8.3.2007 (315 O 800/06), wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 266.700,- abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf Euro 250.000,- festgesetzt.

Tatbestand


A.

Die Parteien sind Presseverlage. Die Klägerin beanstandet werbliche Äußerungen, wonach das Objekt ... "Europas beliebteste Programmzeitschrift" sei, als irreführende Alleinstellungsbehauptung.

Die Klägerin vertreibt u.a. die 14-tägig erscheinende Programmzeitschrift ..., die Beklagte verlegt das ebenfalls alle 14 Tage erscheinende Konkurrenzprodukt ... und gehört zur ... .

Im April 2006 erschien auf der Internetseite ... die aus der Anlage K 2 ersichtliche Meldung "OTM - ... weiter Hauptsponsor beim ASL Team Mücke Motorsport". Die Meldung endet mit folgendem Zitat:

" 'Wir freuen uns, mit dem Mücke-Motorsport- Team in der interessantesten Motorrennsportserie Deutschlands weiterhin aktiv zu sein' betont ..., Verlagsleiter in der ..., das fortgesetzte Sponsoring-Engagement von ... . 'Denn die DTM ist ein hochattraktiver Publikumsmagnet als Event und im Fernsehen. Und das Mücke-Motorsport- Team sorgt mit Professionalität und Sympathie für Spannung und Emotionen im Motorsport - das passt hervorragend in die Marketingstrategie und zur Positionierung von ... als beliebtester TV-Programmzeitschrift Europas".

Am 27.4.2006 veröffentlichte die ... auf ihrer Internetseite die aus der Anlage K 3 ersichtliche Pressemitteilung "... startet erste crossmediale Kampagne im Programmzeitschriftenmarkt für neun Millionen Euro ¬- Werbefilme von Detlef Buck und John Cleese exklusiv für ...". Der Fließtext begann wie folgt:

"Mit einer neun-millionenschweren, ungewöhnlich kreativen und über alle Mediengattungen gehenden Werbekampagne geht ... an den Start. Unter dem Kampagnen-Claim "Big names - short films" wirbt ... mit Kurzfilmen prominenter Filmgrößen, die exklusiv für Europas beliebteste Programmzeitschrift produziert werden. ..."

Am 28.4.2006 erließ das Landgericht Hamburg auf Antrag der Klägerin gegen die ... sowie die Beklagte eine einstweilige Verfügung, mit der den dortigen Antragsgegnern verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs - insbesondere in Werbeaussagen - zu behaupten und/oder zu verbreiten bzw. behaupten und/oder verbreiten zu lassen, ... sei Europas beliebteste Programmzeitschrift. Auf die Anlage K 4 sowie die beigezogene Akte 315 O 336/06 wird Bezug genommen.

Im Mai 2006 führte die Beklagte sodann die in der Pressemitteilung angekündigte "crossmediale" Werbekampagne durch, welche TV-Spots (u.a. Anlage K 5 und K 6 = Anlagen Ast 3 und Ast 4 des beigezogenen Verfahrens 315 O 676/06), Werbeplakate (Anlagen K 7 und K 11), Anzeigen und das Bereithalten von Werbefilmen auf der ...-Website (Anlage K 12/K 13) sowie Anzeigen in Tageszeitungen (Anlage K 14) und Publikumszeitschriften (Anlagen K 15 und K 16) umfasste. Auch dort taucht jeweils der Slogan "EUROPAS BELIEBTESTE PROGRAMMZEITSCHRIFT" auf, und zwar mit einem * versehen. Aufgelöst war das Sternchen durch die Angabe

" * laut MA 2006 I"

bzw.

" * Lt. ma 2006 1".

Auf die genannten Anlagen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Das Kürzel "MA" steht für "Media Analyse" und bezeichnet Erhebungen über die Reichweite u.a. von Zeitschriften. Die Erhebung wird durch die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse erstellt und in regelmäßigen zeitlichen Abständen herausgegeben. Die Reichweite von Zeitschriften wird darüber hinaus auch durch die Allensbacher Werbeträgeranalyse (AWA) ermittelt. Neben der Reichweite gehören - was zwischen den Parteien unstreitig ist - jedenfalls für die werbungtreibende Wirtschaft und die Verlage die Gesichtspunkte "verkaufte Auflage" und die Anzahl der jeweils anzeigenführenden Seiten zu den relevanten Leistungsparametern einer Publikumszeitschrift (vgl. Bl. 18 d.A.). Die verkaufte Auflage wird durch die von den Verlagen der IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern eV.) gemeldeten Abverkäufe ermittelt und dargestellt. Das Anzeigenvolumen von Zeitschriften wird in der ZAS (Zentrale Anzeigenstatistik) erfasst und veröffentlicht. Der Unterschied zwischen der von der IVW ermittelten verkauften Auflage und der u.a. durch die MA ermittelten Reichweite besteht darin, dass die Reichweite die Anzahl der Leser einer Zeitschrift erfasst und damit dem Umstand Rechnung trägt, dass ein verkauftes Exemplar regelmäßig von mehreren Personen gelesen wird.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass ... im Hinblick auf die verkaufte Auflage im Jahre 2006 dauerhaft hinter anderen Programmzeitschriften zurücklag.

Der Kläger hat geltend gemacht:

Die mit dem Antrag zu 1. als irreführende Alleinstellungsbehauptung angegriffenen und nicht mit einem Sternchenhinweis versehenen Auslobungen im Internet, wonach ... Europas beliebteste Programmzeitschrift sei, würden sich nicht ausschließlich an Fachkreise, sondern (auch) an das allgemeine Publikum wenden. Sowohl der allgemeine Verkehr als auch das Fachpublikum würden die Behauptung dahingehend verstehen, dass eine Alleinstellung in allen marktrelevanten Parametern, also nicht nur in Bezug auf die Reichweite, sondern u.a. auch auf den Einzelverkauf vorliege. Der Einzelverkauf, bei dem die Zeitschrift der Beklagten unstreitig keinen Vorsprung in Anspruch nehmen könne, sei aber eine entscheidende Kennziffer für den Markterfolg und die Beliebtheit eines Presseobjekts.

Die mit dem Antrag zu 2. angegriffenen Auslobungen mit dem Sternchenhinweis auf die "MA 2006 I" sei aus dem gleichen Grund irreführend. Hinzu komme, dass die Anfügung eines Sternchens an die Behauptung dem Verkehr einen Beleghinweis und damit klares Indiz für die Annahme einer Sachaussage liefere. Die Auflösung des Sternchenhinweises liefere keine hinreichende Aufklärung. Zum einen sei er nicht ausreichend deutlich wahrnehmbar. Zum anderen kann der angesprochene allgemeine Verkehr mit der Angabe "MA nichts anfangen, sondern werde ebenfalls annehmen, dass die beworbene Zeitschrift in allen relevanten Parametern, insbesondere beim Gesichtspunkt der verkauften Auflage einen deutlichen und stetigen Vorsprung vor den Konkurrenzblättern aufweise. Eine Irreführung der mit dem Antrag zu 2 angegriffenen Werbung ergebe sich schließlich auch daraus, dass die im Sternchenhinweis in Bezug genommene MA ohnehin - was zwischen den Parteien unstreitig ist - keine europaweiten Daten entnommen werden könnten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen,

1. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs - insbesondere in Werbeaussagen – zu behaupten und/oder zu verbreiten bzw. behaupten und/oder verbreiten zu lassen, ... sei Europas beliebteste Programmzeitschrift,

2. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs unter Hinweis auf die von ... erzielte Reichweite zu behaupten und/oder zu verbreiten bzw. behaupten und/oder verbreiten zu lassen, ... sei "Europas beliebteste Programmzeitschrift", wie aus der verbundenen Anlage ersichtlich. (Anm.: Bei den Anlagen handelt es sich um die Verfahrensanlagen K 7 - K 16)

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

Die Beklagte hat geltend gemacht:

Die Äußerungen gem. den Anlagen K 2 und K 3, die die Klägerin zum Gegenstand des Antrags zu 1. gemacht habe, seien gegenüber der Fachpresse und Fachleuten der Werbemedien gemacht worden. Maßgebender Verkehrskreis sei mithin nicht der allgemeine Verkehr, sondern der Fachverkehr. Dieser verstehe eine auf die Beliebtheit einer Zeitschrift bezogene Auslobung ohnehin nicht als Sachaussage i.S. von § 5 UWG. Jedenfalls verstehe das angesprochene Fachpublikum den Begriff "Beliebtheit" aber allenfalls dahin, dass allein eine Angabe zur Reichweite der Zeitschrift gemacht werde. Für Fachkreise sei die Anzahl der Leser und nicht die Druckauflage die entscheidende Währung, in diesem Sinne werde der Begriff der Beliebtheit auch sonst in Fachkreisen verwendet.

Da der Antrag zu 2. im Antrag zu 1. enthalten sei, fehle insoweit das Rechtsschutzbedürfnis. Die im Antrag zu 2. enthaltene Wendung "unter Hinweis auf die von ... erzielte Reichweite" sei zudem als unzulässige Wertung zu unbestimmt. Der durch die mit dem Antrag zu 2. angegriffene Werbung angesprochene allgemeine Verkehr entnehme der angegriffenen Aussage aufgrund des Sternchenhinweises, dass dieser ein bestimmter Parameter in Form einer Analyse zugrundeliege, welcher die Beliebtheit repräsentiere. Der Hinweis kläre darüber auf, dass sich die Aussage auf die Alleinstellung bei der Anzahl der Leser beziehe. Es wird also eine zutreffende Aussage zutreffend belegt. Die Klägerin habe auch nicht substantiiert vorgetragen und belegt, dass es in Europa eine weitere Programmzeitschrift gebe, die in ihrem Verbreitungsgebiet eine höhere Reichweite als ... aufweise.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat. Sie wiederholt und vertieft seinen Vortrag erster Instanz.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 08.03.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


B.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zu.

I. Der Antrag zu 1 ist zulässig und begründet

1. Gegenstand des Antrags zu 1 ist die Behauptung und/oder deren Verbreitung, ... sei "Europas beliebteste Programmzeitschrift". Die Klägerin hat in Klagebegründung deutlich gemacht, dass es insoweit - anders als beim Antrag zu 2 - um die abstrakte, d.h. nicht durch einen Sternchenhinweis erläuterte Behauptung geht, wie sie in der Internetmeldung gem. Anlage K 2 sowie der Pressemitteilung gem. Anlage K 3 aufgestellt worden ist.

Die für den Antrag erforderliche Begehungsgefahr ergibt sich zum einen aus der Pressemitteilung gemäß Anlage K 3, wo der Slogan zwar im Fließtext steht, aber dort nicht weiter, insbesondere nicht einschränkend interpretiert wird. Dass Absender der Pressemitteilung die Muttergesellschaft der Beklagten ist, ist unerheblich. Jedenfalls für ein Behaupten bzw. Verbreiten lassen besteht Wiederholungsgefahr und für die übrigen Handlungsalternativen Erstbegehungsgefahr. Dies ist zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Begehungsgefahr für eine uneingeschränkt aufgestellte und damit abstrakt angreifbare Äußerung ergibt sich zudem aus der Äußerung des Verlagsleiters der ... gegenüber der Presse, wie sie auf der Internetseite gem. Anlage K 2 wiedergegeben ist.

2. Die angegriffene Äußerung verstößt gegen §§ 3, 5 I UWG, denn sie ist irreführend.

a) Ob eine Werbung irreführende Angaben enthält, bestimmt sich maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung auf Grund ihres Gesamteindrucks versteht. Dabei ist auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH GRUR 2007, 981, 982 - 150 % Zinsbonus m.w.N.). Vorliegend ist Gegenstand des Unterlassungsantrags eine Äußerung im Superlativ, so dass eine Allein- bzw. Spitzenstellungsbehauptung vorliegt (vgl. dazu Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl. 2008, § 5 Rn. 2.140 m.w.N.). Bei solchen werblichen Äußerungen erwartet der Verkehr, dass der Werbende gegenüber seinen Mitbewerbern in der betreffenden Hinsicht einen deutlichen Vorsprung vorzuweisen hat und dieser Vorsprung Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bietet (BGH GRUR 2004, 786, 788 - Größter Online-Dienst m.w.N.; Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl. 2008, § 5 Rn. 2.150).

b) Es kann auf sich beruhen, ob dem Landgericht darin zu folgen ist, dass im Hinblick auf den Antrag zu 1 deswegen auf den allgemeinen Verkehr abzustellen ist, weil die angegriffene Auslobung auch im frei zugänglichen Internet auf einer Publikumswebsite (Anlage K 2) verbreitet wurde. Denn auch der nach Auffassung der Beklagten zugrundezulegende Fachverkehr, also Angehörige der Fachpresse, Vertreter der werbungtreibenden Wirtschaft bzw. Mediafachleute werden vorliegend relevant irregeführt. Im Einzelnen:

c) Die angegriffene Äußerung, ... sei "Europas beliebteste Programmzeitschrift" ist eine Angabe i.S. des § 5 II UWG. Angaben sind Aussagen des Werbenden, die sich auf Tatsachen beziehen und daher inhaltlich nachprüfbar sind (Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl. 2008, § 5 Rn. 2.25). Der Begriff der Beliebtheit mag eine wertende Komponente haben, weist aber jedenfalls einen Tatsachenkern auf, und zwar gerade dann, wenn er gegenüber Fachkreisen verwendet wird. Denn den Fachleuten ist unstreitig jedenfalls das bekannt, was die Beklagte selbst vorträgt, nämlich, dass die relevanten Leistungsparameter einer TV-Programmzeitschrift durch die verkaufte Auflage, die Reichweite sowie die Anzahl der jeweils anzeigenführenden Seiten beschrieben wird und dass es für jede dieser Eigenschaften Erhebungen gibt (IVW, MA bzw. AWA und ZAS). Es ist deshalb überwiegend wahrscheinlich, dass die mit diesem Wissen ausgestatteten Fachleute die Eigenschaft "Europas beliebteste" zwanglos auf eine oder mehrere oder alle diese marktrelevanten Parameter beziehen werden. Nichts anderes gilt für das allgemeine Publikum. Auf die Ausführungen zum Antrag zu 2 wird insoweit Bezug genommen.

d) Die Fachkreise, deren Anschauung der Senat beurteilen kann, weil ihm die Anknüpfungstatsachen von den Parteien vorgetragen wurden und weil die Mitglieder des Senats darüber hinaus seit Jahren im Rahmen von wettbewerbsrechtlichen Verfahren mit Sachverhalten aus der Medien- und Werbebranche befasst sind, werden nicht davon ausgehen, dass alleiniger Parameter für die "Beliebtheit" einer TV-Programmzeitschrift die Reichweite, also der Lesermarkt ist. Vielmehr werden jedenfalls wettbewerbsrechtlich relevante Anteile des Verkehrs die Auslobung der Beliebtheit auch auf den Käufermarkt, also die durch die IVW dokumentierte verkaufte Auflage beziehen.

Denn der Wortsinn des Begriffs "beliebt" ist offen: Die Beliebtheit einer Zeitschrift kann man zum einen daran ablesen, wie viele Leser sie findet, aber auch, wie viele Verbraucher sie kaufen. Weiter kann der Wortsinn des Begriffs - insbesondere von den Fachkreisen - darauf bezogen werden, wie viel Anzeigen dort erscheinen, wie hoch die Zeitschrift mithin in der Gunst der werbungtreibenden Wirtschaft steht.

Zwar mag der Lesermarkt (also der Gesichtspunkt der verbreiteten Auflage, gemessen in den Währungen MA und AWA) in der Tat für die werbungtreibende Wirtschaft deswegen von besonderem Interesse sein, weil er die Währung für die pro Anzeige erzielte Trefferwirkung ist (vgl. auch BGH GRUR 2004, 244, 245 - Marktführerschaft). Ferner mag das Kriterium "Anzahl der Anzeigenseiten" (ZAS) insoweit ebenfalls aussagekräftig und wichtig sein. Die Klägerin hat jedoch Umstände vorgetragen, die den Schluss tragen, dass es für die Medien- und Werbefachleute auch auf die verkaufte Auflage ankommen wird. So entspricht es in der Tat der Lebenserfahrung, dass derjenige der aufmerksamere Leser ist, der die Zeitschrift nicht nur beim Arzt oder Friseur (z.B. als Lesezirkelexemplar) oder im Mehrpersonenhaushalt, also bei Gelegenheit, durchblättert, sondern der sich so sehr für die Zeitschrift und ihre Inhalte interessiert, dass er sein eigenes Geld für ihren Erwerb einsetzt. Ist letzeres der Fall, sprechen gewichtige Gründe dafür, dass dieser an der Zeitschrift besonders interessierte Zeitgenosse deren Inhalt und damit auch dort abgedruckte Anzeigen mit besonderer Aufmerksamkeit wahrnehmen wird.

Im Übrigen hat die Beklagte selbst als für Fachkreise relevante Leistungsparameter nicht nur die Reichweite (MA/AWA) und die Anzahl der Anzeigenseiten (ZAS), sondern eben auch die verkaufte/verbreitete Auflage (IVW) vorgetragen (Bl. 18). Die grundsätzliche Relevanz der verkauften Auflage gerade für den Fachkreis ist also unstreitig. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die IVW (=Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern) Erhebungen der verkauften Auflage durchführt und veröffentlicht, wenn diese für die Fachkreise völlig irrelevant sein sollten.

Die von der Beklagten herangezogenen Äußerungen in Fachmedien, wo "Beliebtheit" auf Reichweite bezogen wird (z.B. die Anlagen B 6, B 8, B 13) führen zu keinem anderen Ergebnis, da es sich um Wertungen des jeweiligen Autors handelt und vor allem allenfalls positiv daraus entnommen werden kann, dass die Reichweite mit Beliebtheit übersetzt werden kann, nicht aber negativ, dass die verkaufte Auflage insoweit irrelevant ist. Allein dies ist hier aber maßgebend.

Im Hinblick auf die Begründetheit des Antrag zu 1 dahingestellt bleiben muss der Umstand, dass die Fachkreise - wie auch der allgemeine Verkehr - durch den ausdrücklichen Bezug der Äußerung auf Europa eine europaweite Bedeutung erwarten, sei es in Bezug auf die Verbreitung, sei es in Bezug auf die Reichweite oder sei es in Bezug auf beide Parameter. Denn eine solche Fehlvorstellung hat die Klägerin, worauf der Senat in der Berufungsverhandlung hingewiesen hat, im Hinblick auf den Antrag zu 1 nicht als Klagegrund vorgetragen, sie ist also nicht Streitgegenstand geworden (vgl. zum Vortrag einer bestimmten Fehlvorstellung als Klagegrund eines auf Irreführung gestützten Antrags BGH GRUR 2007, 161 - dentalästhetika II m.w.N.).

e) Das dargelegte Verkehrsverständnis dahingehend, dass die. Auslobung des Status der beliebtesten Programmzeitschrift jedenfalls auch auf die verkaufte Auflage bezogen ist, ist ferner unrichtig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei Mehrdeutigkeit der Angabe der Werbende die verschiedene Deutungen gegen sich gelten lassen muss (Hefermehl/Köhler/Bornkamm- Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl. 2008, § 5 Rn. 2.111).

Die Beklagte behauptet selbst nicht, im Marktsegment der TV-Programmzeitschriften die größte verkaufte Auflage zu haben. Die Klägerin hat vielmehr durch die Vorlage der Anlage K 30 eine erhebliche höhere verkaufte Auflage der ... und der ... belegt. Nichts anderes ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten selbst (Bl. 20 d.A. und Anlage B 4).

II. Auch der Antrag zu 2 ist zulässig und begründet

1. Gegenstand des Antrags zu 2 ist die Behauptung, ... sei "Europas beliebteste Programmzeitschrift", und zwar "unter Hinweis auf die von ... erzielten Reichweite". Der Antrag nimmt weiter mit der Wendung "wie aus der verbundenen Anlage ersichtlich" Bezug auf die in den Anlagen K 7 - K 16 eingereichten konkreten Verletzungshandlungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die angegriffene Behauptung jeweils mit einem Sternchenvermerk versehen ist, welcher mit der Angabe "* laut MA 2006 I" bzw. "* Lt. ma 2006 I" aufgelöste wird. Die Klägerin hat durch diese Bezugnahme auf die Anlagen zum Antrag sowie durch die Klagebegründung deutlich gemacht, dass es insoweit um das Verbot der durch derartige Sternchenhinweise erläuterten Behauptung geht.

Die erforderliche Begehungsgefahr ergibt sich aus den in Bezug genommenen Verbindungsanlagen. Durch die Bezugnahme auf die Anlagen entspricht der Antrag auch den Bestimmtheitserfordernissen, denn damit ist klargestellt, was unter einem "Hinweis" im Sinne des Antrags zu verstehen ist.

Zu Unrecht zweifelt die Beklagte weiter am Vorliegen eines "Rechtsschutzbedürfnisses". Der Sache nach vertritt sie insoweit die Auffassung, der Antrag zu 2 sei im Antrag zu 1 enthalten. Dies ist unzutreffend, da beide Anträge, wie der Senat im Ordnungsmittelverfahren ausgeführt hat (Anlage K 24), unterschiedliche Streitgegenstände betreffen. Im Antrag zu 1 geht es um die nicht durch einen Sternchenhinweis erläuterte Aussage, im Antrag zu 2 um die Aussage mit Erläuterung durch einen Sternchenhinweis auf die MA.

2. Der Sache nach liegt auch hier eine irreführende Alleinstellungsbehauptung vor (§§ 3, 5 UWG).

a) Angesprochener Verkehr ist vorliegend unstreitig das allgemeine Publikum, denn Streitgegenstand ist die Verbreitung der angegriffenen Werbung im Fernsehen, im Internet, auf Plakaten, in Tageszeitungen und in Publikumszeitschriften.

b) Auch der allgemeine Verkehr wird dem beanstandeten Slogan einen Tatsachenkern entnehmen, da sich auch einem durchschnittlich informierten Verbraucher bei der Auslobung der Eigenschaft "Europas beliebteste Programmzeitschrift" tatsächliche Anknüpfungspunkte für die Kategorie "Beliebtheit" aufdrängen. Dies gilt nicht nur aber vor allem auch dann, wenn ihm - wie hier - durch die Anfügung eines Sternchens an den Slogan suggeriert wird, diese Aussage sei durch eine Quelle belegt, es sei also eine Tatsachengrundlage für die Behauptung vorhanden.

Der allgemeine Verkehr wird von einer Werbung für TV-Programmzeitschriften vor allem als potentieller Käufer und nicht als potentieller Inserent angesprochen. Es wird ihm vorwiegend um die Qualität des redaktionellen Teils als wesentliche Eigenschaft gehen, weswegen er eine Programmzeitschrift kaufen wird. Mithin wird der allgemeine Verkehr eine Beliebtheitsauslobung nicht auf die für ihn als potentiellen Käufer unerheblichen Kategorien der Anzahl der Leser bzw. der Anzahl der Anzeigen eines Objekts beziehen, sondern darauf, wie viele Verbraucher sich durch die Qualität einer Zeitschrift zu ihrem Kauf entschließen. Er wird mit dem Begriff der "Beliebtheit" den die Wertschätzung der Leser ausdrückenden Verkaufserfolg verbinden, also die verkaufte Auflage als Bezugspunkt der Werbung erkennen. Daran ändert auch der Sternchenhinweis auf die "MA" nichts. Die Beklagte hat keine konkreten Umstände vorgetragen und unter Beweis gestellt, wonach das allgemeine Publikum weiß, dass mit "MA" eine Erhebung der Reichweite von Zeitschriften bezeichnet wird und dort kein Beleg für die verkaufte Auflage zu finden ist. Dafür sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich, was die Mitglieder des Senats als Angehörige des allgemeinen Verkehrs aus eigener Anschauung beurteilen können. Vorliegend gilt damit nichts anderes als im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall "Marktführerschaft (vgl. GRUR 2004, 244, 246), wonach der durchschnittliche Zeitungsleser den unter Bezugnahme auf die MA gebrauchten Begriff "Marktführerschaft" in erster Linie oder zumindest auch auf die verkaufte Auflage bezieht und sich häufig nicht darüber im klaren sein wird, dass der Erfolg eines Presseobjekts noch auf andere Weise als in der verkauften Auflage gemessen werden kann.

Hinzu kommt, dass der allgemeine Verkehr - wie die Klägerin im Hinblick auf den Antrag zu 2 auch vorgetragen hat - durch den ausdrücklichen Bezug auf "Europa" eine europaweite Alleinstellung in Bezug auf die verkaufte Auflage erwarten wird. Er wird deshalb davon ausgehen, dass in dem Sternchenhinweis ein Beleg auf europaweit erhobene Verkaufszahlen zu finden ist.

c) Die dargelegte Verkehrsvorstellung ist unrichtig i.S. der §§ 3, 5 UWG.

Da die Beklagte noch nicht einmal behauptet, europaweit die größte Leserreichweite (geschweige denn die europaweit größte verkaufte Auflage) zu haben, ist der angegriffene Slogan bereits deshalb irreführend. Die Beklagte hat insoweit auch die Darlegungs- und Beweislast, jedenfalls aber eine prozessuale Erklärungspflicht, vorzutragen, worauf sie ihre vollmundige Werbebehauptung stützt (Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl. 2008, § 5 Rn. 2.155).

Es ist ferner unstreitig, dass ... auch auf dem deutschen Markt nicht die größte verkaufte Auflage hat, sondern andere Objekte insoweit vor dem der Beklagten liegen. Auch insoweit ist die durch den angegriffenen Slogan hervorgerufene Verkehrsvorstellung unrichtig.

Schließlich ist unstreitig, dass die in der angegriffenen Werbung in Bezug genommene "MA" keine europaweite, sondern eine auf Deutschland begrenzte Erhebung ist.

II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache geht, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, über die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt nicht hinaus. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Zulassung der Revision ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.


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