Ständig anschlagender Schäferhund
Gericht
OLG Brandenburg
Datum
11. 01. 2007
Aktenzeichen
5 U 152/05
Gründe:
I.
Die Parteien sind seit 2001 benachbarte Grundstückseigentümer in der G…straße in
G…. Der Beklagte hält auf seinem Grundstück einen Schäferhund, dessen Gebell Gegenstand
des Rechtsstreits ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts bellt der Hund des Beklagten
morgens vor sechs Uhr, wenn die Zeitung gebracht wird, und wenn der Lkw des weiteren
Nachbarn der Klägerin, des Brunnenbauers R…, am Grundstück der Klägerin vorbei auf
sein Gewerbegrundstück fährt. Der Hund bellt auch, wenn die Post oder Paketdienste - normalerweise
mittags - erscheinen. Gemäß Protokoll des Landgerichts vom 21. September 2005
über die Einnahme richterlichen Augenscheins bellte der Hund des Beklagten, wenn jemand
die Garageneinfahrt betrat und auf ihn zulief, wobei er allerdings nur kurz anschlug und nicht
sonderlich laut bellte.
Die Klägerin hat unter Aufzählung zahlreicher Störungen in dem Zeitraum von März 2004 bis
Juni 2005 (unter anderem, neben einem Schadensersatzantrag) beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, dass wochentags in der Zeit von 22:00
Uhr bis 7:00 Uhr und 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen ganztags
durch den auf seinem Grundstück gehaltenen Schäferhund V… wesentliche lautstarke
Lärmbelästigungen in Form von Bellattacken ausgehen, die das Eigentum der Klägerin
an ihrem Grundstück, dem Besitz der Klägerin und ihre Gesundheit beeinträchtigen
und für jeden Fall des Zuwiderhandelns ein Ordnungsgeld anzudrohen.
Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass die Parteien in einem Mischgebiet wohnen und in
der Nachbarschaft weitere Hunde gehalten würden. Sein Hund schlage in Ruhezeiten und nur
ausnahmsweise an und das schon gar nicht in Form von Dauergebell sowie Bellattacken.
Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen sowie Einnahme richterlichen Augenscheins
die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es sei zwar unstreitig, dass der Schäferhund
des Beklagten belle. Der Beklagte habe jedoch bewiesen, dass das Bellen seines Schäferhundes
V… aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Durchschnittnutzers noch keine wesentliche
Beeinträchtigung darstelle, vielmehr ortsüblich sei. Die Hundehaltung sei in der unmittelbaren
Nachbarschaft der Parteien ortsüblich, auch die Klägerin habe selbst bis
2002/2003 einen Hund gehalten. Der Hund des Beklagten belle auch nicht mit einer Intensität,
die die Grenze des Ortsüblichen oder Unzumutbaren überschreite. Im Ortstermin habe der
Hund des Beklagten auf den an dessen Grundstück vorbeigehenden Richter überhaupt nicht
reagiert und erst als sämtliche bei dem Ortstermin anwesenden fünf Personen über die Einfahrt
unmittelbar auf den am Zaun liegenden Hund des Beklagten zugegangen seien, habe
dieser durch zwei- bis dreimaliges Bellen angeschlagen, jedoch auf Ansprache des Beklagten
sofort aufgehört zu bellen.
Der Hund habe auch gebellt, als der Richter allein über die Einfahrt
des Beklagten unmittelbar auf den Hund zugegangen sei, jedoch aufgehört, als der Richter
das Grundstück verlassen habe. Auch auf das Vorbeifahren eines Pkw - gefahren vom
Wachtmeister - und auf das Vorbeifahren eines Zuges über die 50 m entfernt liegenden Gleise
habe der Hund nicht reagiert. Danach sei lediglich feststellbar, dass der Hund des Beklagten
zwar belle, dies jedoch nur kurz und nicht sonderlich laut. Eine Bellattacke, wie von der Klägerin
als regelmäßige Reaktion des Hundes behauptet, habe nicht stattgefunden. Dies könne
auch nicht dem von der Klägerin gefertigten Video entnommen werden. Auf dem Video sei
nur zu sehen bzw. zu hören, dass der Hund in der Nacht oder zu sonstigen Ruhezeiten, auf die
sich der Antrag der Klägerin beschränke, in der Regel auf vorbeifahrende Autos oder Fußgänger
gar nicht reagiere und auf die Zeitungsbotin mit etwa fünfmaligem Bellen. Am 1. Juli
um 6:19 Uhr, am 3. Juli um 4:59 Uhr, am 8. Juli um 6:25 und 6:37 Uhr sowie am 18. Juli
2003 um 7:07 Uhr, habe der Hund bis zu fünfmal ohne erkennbaren Grund gebellt. Am 14.
August 2003 habe er um 6:46 Uhr als Reaktion auf das Herannahen des Lkw des Herrn R…
gebellt. Insgesamt sei auf dem Video nur ein Anschlagen des Hundes festzustellen, nicht aber
eine Bellattacke, also ein längeres Bellen von bis zu zehn Mal. Eine solche sei nur einziges
Mal am 5. Juli 2003 um 14:00 Uhr auf dem Video festgehalten worden. Da habe der Hund ca.
dreißig mal gebellt, bis die Zustellerin der Post geklingelt habe, und mit dem Bellen erst wieder
aufgehört, als sich die Zustellerin zurück in Richtung Straße begeben habe. Dabei handele
es sich nach dem Eindruck der Kammer um eine Ausnahme. Soweit die Zeugen I… und S…
Sch… bekundet hätten, dass der Hund des Beklagten ständig und dauerhaft sowie über einen
längeren Zeitraum hinaus und zwar auch ohne jeglichen Grund insbesondere zur Nachtzeit
belle, so hätten demgegenüber die Zeugen S… und E… F… sowie J… und D… N… übereinstimmend
bekundet, dass der Hund des Beklagten aktuell noch wesentlich weniger belle als
auf dem Video ersichtlich. Der Hund schlage so gut wie gar nicht an, insbesondere störe er
nicht die Nachtruhe oder die Ruhe an Sonn- und Feiertagen.
Nach alledem könne das Landgericht
nach der Beweisaufnahme nur zu der Überzeugung gelangen, dass der Schäferhund des
Beklagten nur ganz ausnahmsweise mehr als bis zu fünfmal belle und dass der Hund - wenn
überhaupt - durch bis zu fünfmaliges Bellen anschlage. Das gehe über das für einen verständigen
Durchschnittsnutzer des klägerischen Grundstücks zumutbare und ortsübliche Maß
nicht hinaus.
Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie eine fehlerhafte
Tatsachenfeststellung sowie fehlerhafte rechtliche Würdigung rügt.
Die Klägerin rügt, dass das Landgericht den Begriff der Wesentlichkeit verkannt habe. Hierzu
verweist sie auf erstinstanzlich vorgelegte Messprotokolle der Funktechnik G… vom 15. Juli
2003 wonach die Lautstärke des Hundegebells zum Messzeitpunkt vom 8 m entfernten und
angeklappten Küchenfenster der Klägerin aus 99,6 dB betragen habe und auf Ergebnisse erstinstanzlich
vorgelegter dB-Messungen durch den Arbeitsmedizinischen Dienst G… mit Einzelentnahmspitzen
bis zu 80 dB. Das Landgericht, so meint die Klägerin, habe sich mit den
Ergebnissen dieser Messprotokolle auseinandersetzen müssen. Im Übrigen folge aus einer
Zusammenschau landesrechtlicher Vorschriften, dass tägliche Ruhezeiten, Sonn- und Feiertage
ganztags sowie nachts von 22:00 Uhr - 7:00 Uhr, besonders schützenswert seien. Während
der Tageszeit entwickelter Lärm durch Hundegebell entfalte nicht dieselbe Beeinträchtigung
wie solcher in den Ruhezeiten, da dann die vorhandene Geräuschkulisse fehle. Hätte das
Landgericht dies beachtet, hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Lärmbeeinträchtigung
wesentlich sei. Erst dann hätte es überhaupt auf die Ortsüblichkeit der Lärmbeeinträchtigung
eingehen dürfen. Dabei hätte es jedoch berücksichtigen müssen, dass es einem
Hundehalter wirtschaftlich zumutbar sei, seinen Hund zu den Ruhezeiten im Hause zu halten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 26. Oktober 2005 - 3 O 374/03 - abzuändern
und den Beklagten zu verurteilen, geeignete Maßnahmen vorzunehmen, die
gewährleisten, dass von dem auf seinem Grundstück gehaltenen Schäferhund
V… wochentags in der Zeit von 22:00 Uhr bis 7:00 Uhr und 13:00 Uhr bis
15:00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen ganztags keine wesentlichen lautstarken
Lärmbelästigungen in Form von Bellattacken ausgehen, die ihr Eigentum
an ihrem Grundstück, ihren Besitz und ihre Gesundheit beeinträchtigen
und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen,
hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, dass in den vorgenannten Zeiträumen
durch den auf seinem Grundstück gehaltenen Schäferhund V… wesentliche
lautstarke Lärmbeeinträchtigungen in Form von Bellattacken ausgehen,
die ihr Eigentum an ihrem Grundstück, ihren Besitz und ihre Gesundheit
beeinträchtigen,
und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten
Schriftsätze sowie die vom Landgericht getroffenen Feststellungen verwiesen.
II.
1. Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet
worden (§§ 511 ff. BGB). Die Klägerin verfolgt mit ihrem neuen Hauptantrag auch eine erstinstanzliche
Beschwer, indem sie ihren Antrag nunmehr sprachlich konkreter fasst. Erstinstanzlich
und mit dem weiterverfolgten Hilfsantrag verlangt sie, dass der Beklagte es zu verhindern
habe, dass von seinem Hund Lärmbeeinträchtigungen ausgehen, indem er, der Beklagte,
verurteilt werden solle, geeignete Maßnahmen vorzunehmen, die gewährleisten, dass
von dem Hund keine wesentlichen lautstarken Lärmbelästigungen in Form von Bellattacken
ausgehen. Dies ist auch das Ziel ihres Hauptantrags.
2. In der Sache hat die Berufung teilweise Erfolg, soweit sich die Klägerin gegen nächtliches
Hundegebell wehrt.
Anspruchsgrundlage ist § 1004 i. V. m. § 906 BGB. Nach dem unstreitigen Sachverhalt und
auch auf Grund der erstinstanzlich erhobenen Beweise ist davon auszugehen, dass von dem
Grundstück des Beklagten in der Vergangenheit in Folge des von ihm dort gehaltenen Hundes
Belästigungen ausgegangen sind, durch die die Klägerin in der Nutzung ihres Grundstücks
beeinträchtigt worden ist und die sie nicht hinnehmen muss, weil sie die Wesentlichkeitsgrenze
des §§ 906 BGB übersteigen.
Der Beklagte hält auf seinem Grundstück einen Hund. Dieser Hund bellt. Bei einem Hundegebell
handelt es sich um Geräusche, die generell störend sein können und damit um Emissionen
im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB darstellen.
Im Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, die tagsüber (16:00 Uhr) stattgefunden
hat, schlug der Hund durch zwei- bis dreimaliges nicht sonderlich lautes Bellen an, als sich
sämtliche beim Ortstermin anwesende Personen (fünf) über die Einfahrt unmittelbar auf den
am Zaun liegenden Hund zu bewegten. Der Hund bellte auch, als der Richter allein über die
Einfahrt des Beklagten unmittelbar auf den Hund zuging und hörte erst auf, als er das Grundstück
verließ. Eine Auswertung des von der Klägerin vorgelegten Videos durch das Landgericht
ergab, dass bis auf eine Ausnahme, der Hund des Beklagten, wenn überhaupt, dann mit
etwa fünfmaligem Bellen reagierte. Für den 5. Juli 2003, 14:00 Uhr ist auf dem Video festgehalten,
dass der Hund ca. 30mal bei einer Postzustellung und zwar solange bellte, bis sich
die Zustellerin zurück in Richtung Straße begab. Derartiges Gebell soll nach den Bekundungen
der Zeugen I… und S… Sch… die Regel sein, während nach den Bekundungen der vom
Beklagten benannten Zeugen S… und E… F… sowie J… und D… N… der Hund des Beklagten
so gut wie gar nicht anschlage, insbesondere nicht die Nacht- oder die Sonn- und Feiertagsruhe
störe.
Nach diesen vom Landgericht getroffenen Feststellungen bellt der Hund dann, wenn jemand
das Grundstück des Beklagten betritt und, wenn er nicht von dem Beklagten beruhigt wird,
solange, bis die Person das Grundstück wieder verlässt. Darüber hinaus ergibt sich aus dem
Video, aber auch aus den Bekundungen der Zeugen I… und S… Sch…, S… F…, E… F…,
J… N… und D… N…, dass der Hund bellt, wenn sich der Nachbar R… morgens zwischen
6:30 Uhr und 7:00 Uhr mit seinem Pritschenwagen nähert.
Danach ist jedenfalls für die nächtlichen Ruhezeiten von einer wesentlichen Lärmbeeinträchtigung
auszugehen, die als “Bellattacke” anzusehen ist, auch wenn dem Landgericht das Bellen
nicht sonderlich laut erschien. Denn es geht um die allgemein geschützte Nachtruhe, also
um Zeiten, zu denen werktägliche Hintergrundgeräusche, wie sie normalerweise in einem
Mischgebiet vorhanden sind, wie etwa der alltägliche Autoverkehr fehlen, so dass schon deswegen
die Wirkung einer Lärmquelle erhöht ist. Zudem wirkt sich derartiger auch kurzfristiger
Lärm zu diesen Zeiten ohnehin besonders störend aus. Aus diesem Grund kommt es auch
nicht darauf an, ob Geräuschemissionsrichtwerte überschritten werden. Auch Geräuschemissionen
unterhalb eines bestimmten Lärmpegels werden danach, was ihre Erheblichkeit und
Zumutbarkeit angeht, entscheidend von wertenden Elementen wie solchen der Herkömmlichkeit,
der sozialen Adäquanz und einer allgemeinen Akzeptanz mitgeprägt (Bundesverwaltungsgericht
DV Bl. 1976, 779; 1987, 907). Geräusche, welche die Aufmerksamkeit in besonderem
Maße auf sich ziehen, wie vorliegend Hundegebell zu nächtlichen Ruhezeiten, sind
eine störende Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB auch dann, wenn sie diejenige
Phonstärke nicht überschreiten, bei der Verkehrs- und Industriegeräusche noch hinnehmbar
sind; sie beeinträchtigen schon bei einer Lautstärke, mit der sie sich in das Bewusstsein desjenigen
drängen, der sie nicht hören will. Zu diesen Geräuschen, die nach ihrer Art den unfreiwillig
Hörenden in besonderem Maße beeinträchtigen gehört - neben unerwünschter Musik
auch Hundegebell (OLG Hamm AgrarR 1989, 312, 313) insbesondere zu Ruhezeiten.
Jedenfalls was die nächtlichen Ruhezeiten angeht, muss die Klägerin nach alledem das störende
Hundegebell nicht nach § 906 Abs. 1 BGB als nur unwesentliche Beeinträchtigung hinnehmen.
Dabei spielt es auch keine Rolle, dass das Grundstück der Beklagten in einem
Mischgebiet liegt. Denn auch in Mischgebieten sind nächtliche Ruhezeiten einzuhalten.
Schließlich ist es dem Beklagten auch zuzumuten, den Hund in den nächtlichen Ruhezeiten -
etwa durch Unterbringung im Haus - so zu halten, dass sein Gebell die Klägerin nicht stört.
Hat danach die Klage, was die Nachtzeiten angeht, Erfolg, gilt dies nicht in gleicher Weise,
soweit die Klägerin derartige Ruhestörungen auch für die Sonn- und Feiertage sowie die Mittagsruhe
zu unterbinden verlangt. Da Sonn- und Feiertags keine Post ausgetragen wird und
auch der Betrieb des Brunnenbauers der Sonntagsruhe unterliegen dürfte, sind Störungen zu
dieser Zeit nicht feststellbar. Gleiches gilt für die Mittagsruhe, da gemäß den Feststellungen
des Landgerichts zu dieser Zeit wegen der in einem Mischgebiet vorhandenen Hintergrundgeräusche
das Hundegebell nicht sonderlich auffällt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 92, 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 15.000 €.
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