Leistungsfreiheit der Hausratversicherung: Entzünden von Wunderkerzen an einem Weihnachtsbaum
Gericht
LG Offenburg
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
17. 10. 2002
Aktenzeichen
2 O 197/02
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist in Ziff. 2 für die Beklagte vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 2.000, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche aus einer Hausratsversicherung, die die Klägerin bei der Beklagten unterhält.
Am 06.01.2002 gegen 17:40 Uhr hielt sich die Klägerin in ihrer im 1. Obergeschoss des Anwesens ... gelegenen 3-Zimmer-Wohnung auf. Im Wohnzimmer befand sich in der Nähe zur Terrassentür der Weihnachtsbaum auf einem Metallständer auf einem Tisch. Unterhalb des Baumes auf diesem Tisch war die Weihnachtskrippe aufgebaut, die mit Moos ausgelegt war.
Ebenfalls anwesend war der 15 Monate alte Enkel der Klägerin.
An dem Weihnachtsbaum waren - wie auch schon die Jahre zuvor - Wunderkerzen befestigt. Diese Wunderkerzen zündete die Klägerin nacheinander zur Freude ihres Enkels an.
Als die Klägerin die letzte Wunderkerze, die ca. 50 cm an einem Ast oberhalb der Weihnachtsgrippe hing, anzündete, bemerkte sie plötzlich, dass das Moos der Weihnachtsgrippe unterhalb des Tannenbaumes brannte. Die Klägerin war darüber so sehr erschrocken, dass sie in Panik geriet und nur noch daran dachte, ihren 15 Monate alten Enkel in Sicherheit zu bringe.
Sie rannte deswegen aus der Wohnung und rief lautstark Hilfe, bis die Nachbarn zur Hilfe kamen und die freiwillige Feuerwehr Gengenbach alarmierten.
Im Hinblick auf dieses Ereignis gab die Klägerin am 12.01.2002 gegenüber der Beklagten eine schriftliche Darstellung des Schadensherganges an. Auf diese (As. 45-47) wird Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, das Moos unter dem Weihnachtsbaum sei frisch und feucht gewesen. Durch den Vorfall sei das gesamte Wohnzimmer zerstört worden und auch die Wohnung durch das Löschwasser in Mitleidenschaft gezogen worden. Ihr sei ein Schaden in Höhe von Euro 16.109,60 entstanden. Im Hinblick auf die einzelnen Schadenspositionen wird auf Seite 4 bis 5 der Klageschrift vom 17.06.2002 (As. 15-17) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 16.109,60 nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank gemäß § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes seit dem 16.02.2002 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, es sei auf Seiten der Klägerin grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin - in mehrfacher Weise - gegen die auf der Packung der Wunderkerzen befindlichen Warnhinweise (As. 71) verstoßen habe.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2002 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin kann nicht von der Beklagten Zahlung verlangen, da die Einstandspflicht der Beklagten gem. § 61 VVG in Verbindung mit §§ 9 Ziff. 1 a VHB 84 aufgrund grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist.
Grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne setzt ein Verhalten des Versicherungsnehmers voraus, von dem man wusste oder wissen musste, dass es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalls oder die Vergrößerung des Schadens zu fördern (BGH Versicherungsrecht 1980, 180). Die Außerachtlassung allgemein gültiger Sicherheitsregeln ist dann grob fahrlässig, wenn die Kenntnis der Regel nach dem Grad ihrer Verbreitung allgemein vorausgesetzt werden muss (BGH Versicherungsrecht 1977, 465).
Bei der Beurteilung des Verhaltens der Klägerin ist zunächst von den auf der Packung der Wunderkerzen befindlichen Warnhinweisen auszugehen.
Bereits auf der Forderseite ist der mit Wunderkerzen zu erzielende - gewünschte - Effekt eines Funkensprungs deutlich dargestellt. Bereits aufgrund dieser Darstellung - so positiv die auch gemeint sein mag - muss einem unbefangenem Betrachter klar sein, dass innerhalb geschlossener Räume Wunderkerzen durchaus brandgefährlich sein und damit eine Gefahr darstellen können. Auf der Rückseite der Verpackung befindet sich dann der - in vielen Sprachen abgefasste - Warnhinweis, der in eindeutiger und verständlicher Form abgefasst ist. Insbesondere spricht nicht gegen diesen Warnhinweis, dass dieser drucktechnisch in kleinere Schrift gehalten und sich zudem auf der Rückseite befindet. Bereits die Größe der Verpackung lässt keine wesentliche Vergrößerung des Schriftbildes zu, zumal es auch einsichtig ist, dass der Warnhinweis in vielen Sprachen abgefasst ist.
Gegen diese eindringlichen Warnhinweise beschloss die Klägerin in mehrfacher Hinsicht in mehrfacher Hinsicht:
Sie verwendete die Wunderkerzen weder im Freien noch über einer feuerfesten Unterlage. So ergab die Einvernahme des Zeugen ..., dass das Moos für die Grippe teilweise Ende November/Anfang Dezember aus dem Wald geholt worden sei. Lediglich ein Teil des Mooses wurde durch die Klägerin wenige Tage vor Weihnachten hinzugefügt. Dieser bereits Ende November/Anfang Dezember aus dem Wald geholte Teil des Mooses wurde zudem zum Trocknen extra auf dem Dachboden ausgelegt, wodurch die Brandgefährlichkeit noch erhöht wurde.
Aber genau hielt die Klägerin - bereits nach ihrem Vortrag - die Wunderkerzen nicht waagrecht am freien Draht, sondern hängte sie an den Baum. Zwar wurde dieser kurz vor Weihnachten frisch geschlagen. Es war jedoch zu berücksichtigen, dass seit dem Weihnachtsfest am Neujahrstag etwa 2 Wochen vergangen waren, so dass dieser zum Zeitpunkt des Unfalls bereits in erheblichem Maße unter Berücksichtigung der normalen Zimmertemperatur ausgetrocknet war.
Schließlich war nach Auffassung des Gerichts noch in erheblichem Maße zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Wunderkerzen in Anwesenheit ihres damals 15 Monate alten Enkels tätigte. Die Anwesenheit eines Kindes bietet der Umgang mit brennbaren Stoffen eine besondere Vorsicht. Zwar in dem hier zu entscheidenden Fall der 15 Monate alte Enkel nicht Auslöser des Brandes. Die - verständliche - Panikreaktion aufgrund der Angst um das Enkelkind, hinderte jedoch im vorliegenden Fall ein besonneneres Vorgehen dahingehend, den zunächst kleinen Brand zu löschen.
Der Zugrundelegung dieser Erwägungen war die Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.
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