Vorteil des Vertriebs über Internet-Auktions-Plattform
Gericht
LG München I
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
24. 06. 2008
Aktenzeichen
33 O 22144/07
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kläger macht im Klagewege die kartellrechtswidrige Unzulässigkeit zweier von der Beklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ggü. ihren Abnehmern verwendeter Klauseln geltend.
... Die Beklagte ist die deutsche Vertriebsgesellschaft ... eines der größten Sportartikelhersteller der Welt, ... Der Marktanteil der von der Beklagten vertriebenen, unbestrittenen hochwertigen Produkte in Deutschland liegt unter 30 %.
Jedenfalls bis zur klägerischen Abmahnung vom 23.8.2007 verwendete die Beklagte zur vertraglichen Ausgestaltung ihrer Lieferbeziehung die vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die in § 13 u.a. die folgenden Bestimmungen enthielten:
"§ 13 Vertrieb im Internet durch den Besteller
(1) Der Vertrieb der Ware im Internet bedarf unserer vorherigen schriftlichen Zustimmung. Zu diesem Zweck hat der Besteller Informationen und Unterlagen für die Strukturen, Pfade, Layout sowie Text- und Bildmaterialien über seine Website zur Verfügung zu stellen.
(2) Der Besteller ist verpflichtet, auf seiner Website unsere Waren gut sichtbar und in einer Weise zu präsentieren, die deren Image und gutem Ruf gerecht werden. Zu diesem Zweck muss die Website eine hochwertige Grafik besitzen; sämtliche Werbemaßnahmen und jede Kommunikation mit dem Kunden müssen mit dem hochwertigen Markenimage im Einklang stehen. ...
(4) Die Ware ist auf der Website innerhalb eines sog. "concept shop" exklusiv darzustellen. Neben dem Namen oder Marken des Bestellers dürfen sich keine Hinweise auf Dritte finden. ...
(11) Dem Besteller ist es untersagt, die Ware über Internet-Auktions-Plattformen zu verkaufen. ...
(13) Dem Besteller ist es untersagt, Dritte zu beliefern, die die vorstehend aufgeführten Bedingungen nicht erfüllen."
Auszüge aus den Gründen:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht zu. Soweit sich die Klage gegen § 13 (11) der AGB wendet, liegt keine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung vor. Hinsichtlich der darüber hinaus angegriffenen Ziff. (13) fehlt es angesichts der außergerichtlich abgegebenen Unterlassungserklärung seitens der Beklagten an der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr.
I. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Verwendung der angegriffenen AGB-Klausel in § 13 (11) zu. Der einzig in Betracht kommende Anspruch aus § 33 Abs. 1, 3 GWB scheitert daran, dass die Klausel entgegen der klägerischen Auffassung nicht gegen § 1 GWB, Art. 81 Abs. 1b EGV verstößt, da die mit der Klausel verbundene Absatzbeschränkung gem. § 2 Abs. 2 GWB, Art. 81 Abs. 3 EGV i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Vertikal-GVO (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22.12.1999 freigestellt ist.
1. Die streitgegenständliche Klausel, die es den Vertriebshändlern der Beklagten untersagt, die bei der Beklagten erworbenen Waren über Internet-Auktions-Plattformen zu verkaufen, enthält prinzipiell die Vereinbarung einer Absatzbeschränkung. 2. Eine solche ist zwar grundsätzlich von § 1 GWB, Art. 81 Abs. 1b EGV erfasst, jedoch unter den Voraussetzungen des § 2 GWB, Art. 81 Abs.3 EGV i.V.m. einer einschlägigen Gruppenfreistellungsverordnung zulässig.
3. Anwendbar auf den vorliegenden Fall ist die Vertikal-GVO, nach der gem. § 2 Abs. 1 Vertikal-GVO derartige Vertikalvereinbarungen zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Produktions- und Vertriebsstufen tätig sind, zulässig sind, soweit die Verordnung ihrerseits keine Einschränkungen vorsieht.
4. Die Beklagte kann sich auch grundsätzlich auf die Vertikal-GVO berufen, da ihr Marktanteil unstreitig unter 30 % liegt (Art. 3 Vertikal-GVO).
5. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt die streitgegenständliche Klausel auch keine nach der Verordnung unzulässige Kernbeschränkung dar. Insbesondere die vom Kläger hauptsächlich angeführte Vorschrift des Art. 4b) der Vertikal-GVO greift vorliegend nicht.
a) Art. 4b) Vertikal-GVO untersagt - mit Ausnahmen-Absatzbeschränkungen, die zugleich Beschränkungen des Gebiets oder des Kundenkreises bewirken, also Lieferbeschränkungen, die bestimmte Kunden oder Kundengruppen betreffen (Baron in Loewenheim/Meessen, Riesenkampff, Kartellrecht Band 1, 2005, GVO-Vertikal, Rz. 181) und im Ergebnis die Belieferung von Kunden oder Kundengruppen eingeschränkt oder ausschließt. Solche Vereinbarungen sind untersagungswürdig, weil und soweit sie eine Aufteilung von Märkten nach Gebieten oder Kundengruppen bezwecken (vgl. Ziff. 49 der Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen [2000/C 291/01)]).
b) Bei dem Verbot, Waren nicht über Internet-Auktions-Plattformen vertreiben zu dürfen, handelt es sich jedoch nicht um eine derartige Lieferbeschränkung, sondern um eine nicht zu beanstandende Qualitätsanforderung, die die Beklagte an ihre Händler zu stellen berechtigt ist.
(i) Das Verbot führt nicht zu einer Einschränkung des Kundenkreises. Dies wäre nur dann der Fall, wenn man zwischen Kunden von Internet-Auktions-Plattformen und anderen Kunden unterscheiden müsste. Dies ist jedoch nicht gerechtfertigt.
(ii) Da der Internethandel von der Beklagten nicht generell untersagt wird, findet eine örtliche Begrenzung des Kundenkreises nicht statt: für die Abrufbarkeit des Internetangebots eines Händlers ist es unerheblich, ob dieser sein Angebot über eine eigene Homepage oder die eines von einem Dritten betriebenen Portals ins Netz stellt.
(iii) Gleiches gilt für die Kundenkreise selbst. Es mag zwar gerechtfertigt erscheinen, die Kundengruppe der Interneteinkäufer von derjenigen abzugrenzen, deren Angehörige ausschließlich in Ladengeschäften Einkäufe tätigen. Innerhalb der Gruppe der Interneteinkäufer gibt es jedoch keine sachlich gerechtfertigte Abgrenzung; insb. ist es nicht gerechtfertigt, von einer abgrenzbaren Gruppe der Kunden von Internet-Auktions-Plattformen auszugehen, denn auch derjenige, der seine Waren bevorzugt über solche Plattformen bezieht, ist nicht vom Einkauf von Produkten der Beklagten ausgeschlossen. Sämtliche anderen genauso leicht vom eigenen PC aus zu erreichenden Vertriebswege stehen auch ihm nach wie vor offen.
(iv) Das streitgegenständliche Verbot hat demnach lediglich die Auswirkung, dass sich der jeweilige Händler bei der Gestaltung seines Internetshops den - vom Kläger im Übrigen nicht beanstandeten – Qualitätsanforderungen unterwerfen muss.
c) Diese Qualitätsanforderungen sind nicht zu beanstanden. Wie die Mitglieder der erkennenden Kammer - einer Spezialkammer für Kennzeichenstreit- und Wettbewerbssachen - aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und täglichen Praxis beurteilen können, werden auf Internet-Auktions-Plattformen immer wieder Fälschungen hochwertiger Markenprodukte angeboten und vertrieben, die auch die Betreiber solcher Plattformen (wie sich aus den Entscheidungen des BGH Internet-Versteigerung I, II und II) vor große Herausforderungen stellt und die offensichtlich letztlich nicht ausgeschlossen werden können. Zudem werden auf Internet-Auktions-Plattformen nicht nur hochwertige Neuwaren, sondern auch in erheblichem Umfang Gebrauchtwaren unterschiedlicher Qualität und Güte gehandelt. Da schließlich auch der Vertriebsweg "Versteigerung" an sich bereits bei einigen Verkehrskreisen den Ruf des Anrüchigen hat, kann es angesichts dieser Umstände einem Unternehmen wie der Beklagten, welches unbestritten auf die Qualität seiner Produkte und seines Vertriebsweges besonderes Augenmerk richtet, nicht untersagt werden, bestimmte Vertriebskanäle nicht zu bedienen, wenn und solange dies - wie oben dargestellt - nicht zu einer Einschränkung des Kundenkreises führt. Vergleichbar wäre dies etwa mit dem - ebenfalls nicht zu beanstandenden - Verbot, die entsprechenden Waren auf Wochen- oder Flohmärkten anzubieten.
d) Ziff. 51 der Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen ist nichts anderes zu entnehmen, denn trotz der hier streitgegenständlichen Klausel hat jeder Vertriebshändler - wie in der genannten Ziff. gefordert - die Freiheit, im Internet für Produkte zu werben und auf diesem Weg Produkte zu verkaufen. Dass in der Ziff. im Folgenden ausgeführt ist, dass Beschränkungen in Bezug auf die Nutzung des Internets nur dann als mit der Gruppenfreistellungsverordnung vereinbar angesehen werden könnten, "wenn die Werbung oder der Verkauf über das Internet aktive Verkäufe ... zur Folge hat, ...", spielt für die rechtliche Beurteilung der hier streitgegenständlichen Klausel keine Rolle: denn ob es sich um aktive oder passive Verkäufe handelt, ist nur dann von Relevanz, wenn eine Beschränkung des Gebiets oder Kundenkreises bereits zu bejahen ist (wie sich aus dem Regel/Ausnahme-Verhältnis innerhalb des Art. 4b) der Vertikal-GVO sowie der Stellung der Ziff. 51 der Leitlinien als offensichtlich für die Ausnahmen der Kernbeschränkung geltende Erläuterung ergibt).
e) Dass die hier streitgegenständliche Klausel kartellrechtlich zulässig ist, entspricht schließlich der Rechtsprechung des BGH in der Entscheidung "Depotkosmetik im Internet" (BGH v. 4.11.2003 – KZR 2/02, CR 2004, 295 m. Anm. Ohrtmann = BGHReport 2004, 395 = GRUR 2004, 351 ff.). Zwar betrifft diese Entscheidung die Betreiber eines selektiven Vertriebssystems, sie ist aber gleichwohl auf den hier zu entscheidenden Fall zu übertragen: Zum einen ist kein sachlich gerechtfertigter Grund erkennbar, der Beklagten die hier zu beurteilenden Qualitätsanforderungen nur deswegen zu untersagen, weil sie kein selektives Vertriebssystem unterhält. Zum anderen ist zudem festzustellen, dass durch die hier aufgestellten qualitativen Kriterien faktisch eine Selektion der Vertriebspartner stattfindet, so dass auch aus diesem Grund eine Übertragung der Grundsätze der genannten BGH-Entscheidung gerechtfertigt ist.
Im Ergebnis stellt die Klausel daher keine Kernbeschränkung i.S.v. Art. 4b) Vertikal-GVO dar. Auf die Ausnahmen der Vorschrift kommt es daher für die Freistellung nicht an.
6. Die Klausel stellt auch keine Kernbeschränkung i.S.v. Art. 4a) dar. Auch die Klagepartei erwähnt diese Bestimmung nur am Rande, indem sie mutmaßt, dass das Verbot nur dazu dienen solle, niedrige Verkaufspreise zu verhindern, worin eine Kernbeschränkung gem. Art. 4a) liege. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, denn auch in dem dem jeweiligen Vertriebspartner der Beklagten verbleibenden Umfang des Internethandels ist dieser in der Preisfestsetzung frei.
7. Die Klausel ist daher zulässig, der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht nicht.
II. Soweit sich der Kläger gegen die Klausel wendet, mit der es dem Besteller untersagt wird, Dritte zu beliefern, die über Internet-Auktions-Plattformen verkaufen, scheitert der allein in Betracht kommende Anspruch nach § 33 Abs. 2 GWB an der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen und hier fehlenden Wiederholungsgefahr. Denn die von der Beklagten übernommene Verpflichtung besagt, dass den Vertriebshändlern nicht mehr untersagt wird, Waren an derartige Dritte zu liefern. Soweit die Verpflichtungserklärung den Zusatz "ohne ... vorherige Zustimmung" enthält, schränkt dies - wie die Beklagte zurecht geltend macht - die eingegangene Verpflichtung nicht ein, da im Falle einer dem Dritten erteilten Zustimmung der Weiterverkauf ohnehin nicht zu untersagen wäre.
Es kommt daher nicht darauf an, ob die Klausel selbst kartellrechtlich zulässig war. ...
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