Negative Feststellungsklage trotz Ordnungsmittelverfahrens zulässig

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

02. 12. 2008


Aktenzeichen

27 O 852/08


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Klägerin und Widerbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an der Geschäftsführung, untersagt,

    über die Beklagte und Widerklägerin zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen:

    "... - Hirninfarkt!"

    sowie

    ...

    sowie

    ...

  3. Die Klägerin und Widerbeklagte wird verurteilt, die Beklagte und Widerklägerin gegenüber den Rechtsanwälten ... freizustellen.

  4. Die Klägerin und Widerbeklagte wird weiter verurteilt, die Beklagte und Widerklägerin gegenüber den Rechtsanwälten ... freizustellen.

  5. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000,00 € hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs und im Übrigen in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 %.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin und Widerbeklagte ist Verlegerin der Zeitschrift "...", in deren Ausgabe Nr. 4 vom 19. Januar 2008 auf dem Titel sowie auf den Seiten 12 f wie nachfolgend in Kopie wiedergegeben über die Erkrankung der ... bekannten Beklagten und Widerklägerin berichtet wurde: ...

Die Beklagte erwirkte vor der angerufenen Kammer bezüglich dieser Berichterstattung im Verfahren 27 O 96/08 die einstweilige Unterlassungsverfügung vom 29. Januar 2008 (Anlage K 3). Aufgrund zweier nachfolgender Artikel in der von der Klägerin verlegten Zeitschrift "..." Nr. 10 vom 27. Febr. 2008 (Anlage K 4) und Nr. 22 vom 21. Mai 2008 (K 5) erließ die Kammer, die hierin einen Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung sieht, auf Antrag der Beklagten den Ordnungsgeldbeschluss vom 17. Juli 2008.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin hiergegen hat das Kammergericht mit Beschluss vom 10. November 2008, hinsichtlich dessen Inhalts auf die Anlage B 16 verwiesen wird, zurückgewiesen.

Hinsichtlich eines weiteren, unter der Überschrift "..." in der "..."-Ausgabe vom 23. Januar 2008 erschienenen Beitrags, hinsichtlich dessen Inhalts auf die Anlage B 18 verwiesen wird, ließ die Beklagte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 23. Januar 2008 vergeblich abmahnen.

Mit der hiesigen Klage verlangt die Klägerin Feststellung, dass die beiden in "..." vom 27.2.2008 und 21.5.2008 veröffentlichten Artikel nicht gegen die einstweilige Verfügung vom 29. Januar 2008 verstoßen, hilfsweise, dass bezüglich jener kein Unterlassungsanspruch bestehe. Mit der Widerklage begehrt die Beklagte Unterlassung bezüglich der Berichterstattung in der "..." vom 19. Januar 2008 sowie Freistellung von den diesbezüglich angefallenen Anwaltskosten für Abmahn- und Abschlussschreiben sowie von Abmahnkosten bezüglich des "..."-Artikels vom 23. Januar 2008, hinsichtlich deren Berechnung auf die Seiten 5 f. der Klageerwiderung sowie Bl. 57 d.A. verwiesen wird.

Die Klägerin beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Veröffentlichungen der Klägerin in der Zeitschrift "..." Nr. 10/08 vom 27.02.2008, ... und/oder "..." Nr. 22/08 vom 21.05.2008, ... nicht gegen die mit Beschluss vom 29.01.2008 erlassene einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin (Az. 27 O 96/08) verstoßen.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegenüber der Klägerin wegen der Veröffentlichungen in der Zeitschrift "..." Nr. 10/08 vom 27.02.2008, ... und/oder "..." Nr. 22/08 vom 21.05.2008, ... kein Anspruch auf Unterlassung zusteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

sowie widerklagend,

wie im Urteilstenor erkannt.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Nach Ansicht der Beklagten fehlt der Feststellungsklage schon das Feststellungsinteresse, weil die vergangene Berichterstattungen betreffende Angelegenheit bereits Gegenstand des Ordnungsmittelverfahrens in der Sache 27 O 96/08, 10 W 59/08 sei. Sie sieht sich durch den Artikel vom 19. Januar 2008 in ihrem Persönlichkeitsrecht und ihrer Privatsphäre verletzt. Mit den Folgeveröffentlichungen in "..." habe die Klägerin erneut in verbotswidriger Weise über Details ihrer Erkrankung berichtet.

Die Klägerin hält die Folgeveröffentlichungen in Anbetracht des Umstands, dass die Beklagte ... eine der bekanntesten Personen der deutschen Unterhaltungsbranche sei, für zulässig. Die Berichterstattung über ... sei nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig. An ihrer Erkrankung bestehe ein überragendes öffentliches Informationsinteresse, weshalb die Güterabwägung zu ihren, der Klägerin, Gunsten ausfalle.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig; das Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO ist zu bejahen.

Der Klägerin geht es mit der Feststellungsklage um die Klärung, dass ihre im Februar und Mai 2008 in "..." erschienenen Artikel nicht gegen den Verfügungstenor im Verfahren 27 O 96/08 verstoßen haben und gegen sie deswegen kein Ordnungsmittel verhängt werden dürfe bzw. dass der Beklagten insoweit kein Unterlassungsanspruch zustehe.

Will die Klägerin - wie sie im Verhandlungstermin klargestellt hat - auch künftig über die Beklagte berichten und dabei die o.g. Artikel allenfalls in geringfügig veränderter Form veröffentlichen, liegt das für ihre negative Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse vor. Dieses Interesse ist durch die Stellung des Ordnungsmittelantrags und die dort ergangenen Entscheidungen nicht entfallen.

Ein an sich gegebenes Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage entfällt allenfalls bei Identität der Streitgegenstände. Eine solche fehlt im Verhältnis von Ordnungsmittelantrag und negativer Feststellungsklage. Durch den Ordnungsmittelbeschluss wird gegen den Schuldner wegen Zuwiderhandlung gegen ein gerichtliches Gebot ein Ordnungsmittel verhängt. Das Vorliegen der Zuwiderhandlung wird im Entscheidungstenor nicht festgestellt, sondern ist Element der Entscheidungsbegründung des Ordnungsmittelbeschlusses. Die Zuwiderhandlung ist Vorfrage für die Verurteilung zu dem Ordnungsmittel. Als solche nimmt sie an der Rechtskraft des Ordnungsmittelbeschlusses nicht teil (vgl. BGH GRUR 2008, 360 ff m.w.N.).

Unabhängig davon unterscheiden sich die Streitgegenstände der negativen Feststellungsklage und des Ordnungsmittelantrags dadurch, dass sich die Feststellungsklage auf künftige Handlungen bezieht, der Ordnungsmittelantrag dagegen - ungeachtet der Funktion des Ordnungsmittelverfahrens zur Durchsetzung des in die Zukunft gerichteten titulierten Unterlassungsanspruchs - auf ein konkretes, in der Vergangenheit liegendes Geschehen. Selbst wenn gegen den Schuldner wegen einer in der Vergangenheit liegenden Zuwiderhandlung ein Ordnungsmittel verhängt worden ist, kann er ein berechtigtes Interesse haben, im Wege der Feststellungsklage klären zu lassen, dass ein entsprechendes zukünftiges Verhalten vom Vollstreckungstitel nicht erfasst wird. Zwar fehlt das Feststellungsinteresse, wenn eine Streitfrage im Vollstreckungsverfahren geklärt werden kann (vgl. BGH a.a.O.); das ist hier hinsichtlich der auch künftig beabsichtigten Berichterstattung über die Erkrankung der Beklagten aber gerade nicht der Fall.

Die Klägerin hat sowohl ein berechtigtes Interesse daran, im Wege der Feststellungsklage klären zu lassen, dass ein entsprechendes zukünftiges Verhalten, nämlich die in Zukunft beabsichtigte Berichterstattung über die Erkrankung der Beklagten vom Vollstreckungstitel nicht erfasst wird, als auch daran, dass der Beklagten insoweit kein Unterlassungsanspruch zustehe.

Die Klage ist jedoch sowohl hinsichtlich des Haupt-, als auch hinsichtlich des Hilfsantrags unbegründet.

Die Kammer hält an ihrer im Ordnungsmittelverfahren 27 O 96/08 vertretenen Auffassung fest, wonach es sich bei den gerügten Folgeveröffentlichungen um Kernverstöße handelt und schließt sich insoweit auch den Ausführungen des Kammergerichts im als Anlage B 16 eingereichten Beschluss vom 10. November 2008 an, auf die verwiesen wird.

Entgegen der Ansicht der Klägerin steht der Beklagten wegen dieser beiden Folgeveröffentlichungen auch ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu, weil damit rechtswidrig die Privatsphäre der Beklagten und damit ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. ...

Die Wiederholungsgefahr ist aufgrund der bereits erfolgten Rechtsverletzung zu vermuten und hätte nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden können (BGH NJW 1994, 1281), an der es fehlt.

Die Widerklage ist dagegen begründet. Der Beklagten und Widerklägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch hinsichtlich der angegriffenen Berichterstattung gegen die Klägerin wegen des Artikels in der "..." vom 19. Januar 2008 aus §§ 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu, weil damit rechtswidrig die Privatsphäre der Beklagten und damit ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. Auch jener Artikel gibt Details der Erkrankung der Beklagten preis, was sie nicht hinnehmen muss.

Die Kosten für das Abmahn- und Abschlussschreiben sind als Folgeschaden zu erstatten, da aufgrund der unzulässigen Berichterstattung die Rechtsverfolgung erforderlich wurde. Selbiges gilt für die Abmahnkosten hinsichtlich des "..."-Beitrags vom 23. Januar 2008, der wiederum in unzulässiger Weise Details der schweren Erkrankung der Beklagten preisgibt. Auch hier war die Rechteverfolgung erforderlich, weil die Beklagte im Zeitpunkt der Abmahnung noch nicht durch eine einstweilige Verfügung gesichert war. Wenn der Schaden in der Belastung mit einer Verbindlichkeit besteht, geht der Ersatzanspruch nach § 249 S. 1 BGB - wie hier von der Beklagten verlangt – auf Befreiung von der Verbindlichkeit. Der Höhe nach sind die berechneten Kosten nicht zu beanstanden.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 286, 288 BGB, 91 Abs. 1, 709 ZPO.


Mauck
von Bresinsky
Becker

Rechtsgebiete

Presserecht; Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht