Anforderung an Rechtsmitteleinlegung per E-Mail oder Computerfax
Gericht
OLG Oldenburg
Art der Entscheidung
Beschluss über sofortige Beschwerde
Datum
14. 08. 2008
Aktenzeichen
1 Ws 465/08
Ein über einen Internet-Dienst an das Gericht gesandtes Faxschreiben ist wie ein vom Absender selbst versandtes Computerfax zu behandeln, so dass auf diese Weise auch ohne übermittelten Namenszug grundsätzlich eine Berufung eingelegt werden kann. Ein solches Fax erfüllt aber dann nicht die inhaltlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift, wenn in ihm keine Bezugnahme auf ein Urteil enthalten ist und der Text nur aus dem Wort "Berufung" besteht.
Durch eine unsignierte E-Mail kann eine Berufung nicht formwirksam eingelegt werden. Das gilt auch vor Inkrafttreten einer Verordnung nach § 41a Abs. 2 StPO. Die Rechtsprechung zum Computerfax ist insoweit nicht entsprechend anwendbar.
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 2. Juli 2008 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Angeklagten zur Last.
Gründe:
Mit Urteil vom 9. April 2008 hat das Amtsgericht Westerstede wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegen den vielfach einschlägig vorbestraften Angeklagten eine Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie eine Sperrfrist von einem Jahr für die Erteilung einer Fahrerlaubnis verhängt. Bei der Urteilsverkündung ist der Angeklagte darüber belehrt worden, auf welche Weise er das Urteil anfechten kann.
Der Angeklagte hat am 16. April 2008, dem letzten Tag der Berufungsfrist, unter Angabe des Aktenzeichens des Verfahrens eine an die Poststelle des Amtsgerichts gerichtete und dort am selben Tag eingegangene EMail geschickt, deren Text lautet „Hiermit lege ich gegen das Urteil des AG Westerstede vom 09.04.2008 Berufung ein.“ Es folgen der maschinenschriftliche Name des Angeklagten und ein Zusatz „Dieses schreiben wurde am PC erstellt und ist daher auch ohne Unterschrift gültig“. Eine elektronische Signatur enthält die EMail nicht.
Am selben Tag ist beim Amtsgericht Westerstede eine durch den Internetdienst freenetMail übermittelte FaxNachricht vom 16. April 2008 eingegangen, die als Absender Vor und Nachnamen des Angeklagten und eine Telefonnummer enthält, als „Betreff“ das Aktenzeichen des vorliegenden Verfahrens und als „Vermerk“ die Worte „Zur Kenntnisnahme“ aufweist. Als Text enthält das Fax lediglich das Wort „berufung“. Eine eingescannte Unterschrift oder einen Zusatz, dass eine Unterschrift technisch nicht möglich sei, enthält das Fax nicht.
Das Landgericht Oldenburg hat daraufhin am 30. Juni 2008 beschlossen, die Berufung des Angeklagten werde als unzulässig verworfen. Sie genüge wegen fehlender Unterschrift nicht der Schriftform des § 314 StPO. Die EMail vom 16. April 2008 stelle auch kein elektronisches Dokument im Sinne des § 41a StPO dar.
Die hiergegen vom Angeklagten eingelegte sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht die für die Rechtsmitteleinlegung gemäß § 314 StPO erforderliche Schriftform als nicht gewahrt angesehen.
Dies gilt zum einen für das Fax vom 16. April 2008. Seiner Übermittlungsform nach ist es wie ein sogenanntes Computerfax zu behandeln. Der Umstand, dass es nicht wie ein solches unmittelbar von einem Personalcomputer zu dem Faxgerät des Gerichtes gesandt wurde, sondern vom Absender zunächst über einen mit dem Internet verbundenen Computer zu dem Faxdienst eines InternetDienstes geleitet und sodann von dort aus zum gerichtlichen Faxgerät geschickt wurde, macht insoweit keinen erheblichen Unterschied.
Ob das hier zu beurteilende Fax in Bezug auf seine Formwirksamkeit den insoweit an ein Computerfax zu stellenden Anforderungen entspricht (s. u.), kann indessen offen bleiben. Denn es kann schon deshalb nicht als Berufungsschrift gewertet werden, weil es inhaltlich insoweit nicht den prozessualen Anforderungen von § 314 Abs. 1 StPO genügt. Denn es enthält keinerlei Bezug auf das Urteil des Amtsgerichts Westerstede vom 9. April 2008 und lässt auch keinen zweifelsfreien Anfechtungswillen erkennen. Die bloße Angabe des Aktenzeichens im „Betreff“ und das einzige Wort des Textes „berufung“ reichen insoweit nicht aus.
Zum anderen ist auch durch die EMail des Angeklagten mangels Schriftform keine fristgerechte Berufung eingelegt worden. Die EMail erfüllt nicht die Form, die speziell für diese elektronische Übermittlungsart in dem durch das Justizkommunikationsgesetz vom 22. März 2005 (BGBl. I S. 837) eingeführten § 41a StPO gefordert wird. Danach kann eine schriftlich abzufassende Erklärung bei Gericht als elektronisches Dokument eingereicht werden, wenn dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist, sofern zuvor die Einreichung elektronischer Dokumente für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierung zugelassen worden war. Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Weder weist die EMail des Angeklagten eine qualifizierte Signatur auf, noch hat das Land Niedersachsen bislang eine die Übermittlung elektronischer Dokumente im Strafverfahren zulassende Verordnung erlassen.
In der Zeit bis zum Erlass einer solchen Verordnung ist bei Einlegen von Rechtsmitteln durch EMail auch nicht entsprechend den Grundsätzen zu verfahren, die sich aus dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 (NJW 2000, 2340) zur Rechtsmitteleinlegung durch ein sogenanntes Computerfax ergeben. Allerdings ergibt sich eine Unanwendbarkeit dieser Rechtsprechung weder aus dem Wortlaut von § 41a StPO, noch aus dem Willen des Gesetzgebers. letzterer hat diese Frage vielmehr bewusst offen gelassen und der Rechtsprechung überlassen, vgl. BTDrucksache 15/4067 Seite 44.
Der Senat hat aber durchgreifende Bedenken gegen die sinngemäße Anwendung der o. a. Rechtsprechung zum Einlegen eines Rechtsmittels durch Computerfax auf eine solche durch eine nicht signierte EMail. Zum einen fehlt es beim EMailVersand schon an einem vom Absender veranlassten Ausdruck, den der Gemeinsame Senat der Obersten Bundesgerichte beim Computerfax als maßgeblich für die Anerkennung dieses Übermittlungsweges angesehen hat. Ob überhaupt und gegebenenfalls wann eine an das Gericht gesandte EMail dort ausgedruckt wird, hat der Absender gerade nicht in der Hand. Zum anderen sprechen erhebliche Sicherheitserwägungen gegen die Anerkennung nicht signierter EMails als zulässige Rechtsmittelform. Eine einfache EMail gewährleistet keine ausreichend sichere Identifizierung des Absenders. das Absenden einer unsignierten EMail unter falschem Namen ist leicht möglich, und zwar weltweit von jedem Computer aus, der an das Internet angeschlossen ist. es besteht bei dieser Versendungsform eine besonders große Gefahr von Missbrauch und Täuschung durch nicht ermittelbare Unbefugte, die größer ist als beim Faxversand. Eben deshalb hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, nach Freigabe des EMailZugangs zu den Strafgerichten ausschließlich qualifiziert signierte EMails als formwirksam gelten zu lassen. Nach allem hat das Landgericht die Berufung des Angeklagten zu Recht als unzulässig verworfen, weshalb die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Angeklagten mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO als unbegründet zu verwerfen war.
Da der Angeklagte, dem jedenfalls seit Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 2. Juli 2008 die Formunwirksamkeit seiner Berufung bekannt ist, eine formgerechte Berufung nicht innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nachgeholt hat, kommt auch eine Wiedereinsetzung des Angeklagten in den Stand vor Versäumen der Frist zur Einlegung der Berufung nicht in Betracht. ...
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