Fernsehberichterstattung greift in Persönlichkeitsrechte grundsätzlich stärker ein als eine Schriftberichtserstattung

Gericht

BVerfG


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

27. 11. 2008


Aktenzeichen

1 BvQ 46/08


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine sitzungspolizeiliche Anordnung, mit der die nicht anonymisierte Bildberichterstattung über den Angeklagten eines Strafverfahrens untersagt wird. Hilfsweise begehrt sie Klarstellung der Reichweite des Anonymisierungsgebotes und des für den Fall der Zuwiderhandlung angedrohten Ausschlusses.

1. Die Antragstellerin betreibt einen privaten Rundfunksender. Sie beabsichtigt, die im Zuge ihrer Berichterstattung über das am Landgericht Oldenburg (Oldb) anhängige Strafverfahren gegen N.H. (Geschäfts-Nr. 5 Ks 8/08) gefertigten Fernsehaufnahmen von dem Angeklagten in nicht anonymisierter Form zu veröffentlichen. Gegenstand des Strafprozesses ist der sogenannte „Holzklotz-Fall“. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, am 23. März 2008 von einer in Oldenburg gelegenen Autobahnbrücke einen von ihm mitgebrachten Holzklotz auf die Fahrbahn der BAB 29 geworfen zu haben. Der Holzklotz soll die Windschutzscheibe eines sich nähernden Pkw durchschlagen und die Beifahrerin getroffen haben, die an ihren Verletzungen verstarb. Der Fall hat bundesweites Aufsehen erregt und eine umfangreiche Medienberichterstattung ausgelöst, auch weil die Verstorbene Mutter zweier Kinder ist und ihre Familie sich zur Tatzeit mit ihr im Auto befunden hat.

Die Hauptverhandlung begann am 4. November 2008 und wurde auf zunächst 16 Verhandlungstage bis zum 30. Januar 2009 angesetzt. Die Anfertigung von Fernseh- und Fotoaufnahmen im Gerichtssaal wurde im Rahmen einer „Pool-Lösung“ mit der Maßgabe zugelassen, dass die Aufnahmen auf die Aufforderung des Vorsitzenden hin einzustellen sind. Als Poolführer wurden zwei Kamerateams und zwei Fotografen zugelassen, die sich jeweils verpflichten müssen, die Aufnahmen Konkurrenzunternehmen zur Verfügung zu stellen. Die Poolführerschaft für die privatrechtlichen Fernsehsendeanstalten hat die Antragstellerin zumindest vorläufig übernommen. Nach zunächst mündlicher Anordnung des Vorsitzenden Richters der 5. Strafkammer bei Prozessbeginn erging am 14. November 2008 ergänzend die angegriffene schriftliche Anordnung, wonach Bildaufnahmen des Angeklagten nur im anonymisierten Zustand (etwa „verpixelt“) veröffentlicht werden dürfen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird die Untersagung der weiteren Anfertigung von Bildaufnahmen durch Mitarbeiter der den Angeklagten nicht anonymisiert abbildenden Medienorganen angedroht.

2. Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rügt die Antragstellerin eine Verletzung ihres Grundrechts auf Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die angegriffene sitzungspolizeiliche Anordnung sei offenkundig verfassungswidrig, weil sie bereits eine Begründung vermissen lasse, aus der erkennbar werde, dass in die erforderliche Abwägung alle dafür erheblichen Umstände eingestellt worden seien. Die angeblich drohende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Angeklagten werde lediglich unterstellt, ohne die maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Im Übrigen trage die Anordnung dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Berichterstattungsinteresse der Antragstellerin nicht ausreichend Rechnung. An der aktuellen Berichterstattung über die Hauptverhandlung in fernsehtypischer Weise bestehe wegen der Schwere der angeklagten Straftat, ihrer besonderen Begehungsweise und der damit verbundenen Furcht der Bevölkerung vor der Wiederholung gleichgelagerter Taten sowie dem Mitleid mit dem Opfer und ihren Angehörigen ein erhebliches öffentliches Interesse. Dieses Berichterstattungsinteresse überwiege auch ein eventuelles Interesse des Angeklagten, vor möglichen Beeinträchtigungen seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts bewahrt zu werden jedenfalls deshalb, weil er sich bereits im Vorfeld des Prozesses in die mediale Öffentlichkeit begeben und nicht anonymisierte Fernsehaufnahmen von seiner Person im Zusammenhang mit den vorangehenden Ermittlungen gestattet habe.

Im Übrigen sei die angegriffene Anordnung so weit formuliert, dass die Antragstellerin befürchten müsse, bereits dann von der weiteren Berichterstattung ausgeschlossen zu werden, wenn außerhalb und im Vorfeld des Prozesses rechtmäßig gefertigte Fernsehbilder von dem Angeklagten in nicht anonymisierter Form erneut gesendet würden. Auch drohe der Antragstellerin ein Ausschluss angesichts der konkreten Androhung bereits dann, wenn andere Medienunternehmen die von der Antragstellerin gefertigten Bilder in nicht anonymisierter Form veröffentlichten, ohne dass die Antragstellerin hierauf Einfluss habe.


II.

1. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Der Antrag auf Eilrechtsschutz hat jedoch keinen Erfolg, wenn eine Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre (vgl. BVerfGE 71, 158 [161]; 111, 147 [152 f.]; stRspr). Dies ist vorliegend - jedenfalls in Bezug auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung der angegriffenen Anordnung (vgl. BVerfGE 119, 309 [327 f.]) - nicht der Fall.

Bei offenem Ausgang muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 71, 158 [161]; 96, 120 [128 f.]; stRspr).

a) Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich eine noch einzulegende Verfassungsbeschwerde aber als begründet, so könnte eine aktuelle Fernsehberichterstattung über das Strafverfahren nicht in einer der Berichterstattungsfreiheit der Antragstellerin gerecht werdenden Weise stattfinden und bliebe ein entsprechendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit unbefriedigt.

Von dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Berichterstattungsinteresse ist auch die bildliche Dokumentation des Erscheinens und der Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten im Sitzungssaal umfasst. Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk schützt die Beschaffung der Information und die Erstellung der Programminhalte bis hin zu ihrer Verbreitung. Die Rundfunkfreiheit umschließt daher das Recht, sich über Vorgänge in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung in einer dem Medium eigentümlichen Form unter Verwendung der dazu erforderlichen technischen Vorkehrungen zu informieren und hierüber zu berichten (vgl. BVerfGE 91, 125 [134 f.]; 119, 309 [318 f.]). Zum Schutzbereich der Rundfunkfreiheit gehört ein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle allerdings ebenso wenig wie zu dem der Informationsfreiheit. Ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang besteht aber in Fällen, in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle aufgrund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber nicht in hinreichender Weise eröffnet (vgl. BVerfGE 103, 44 [59 f.]; 119, 309 [319]). Die mündliche Verhandlung selbst ist nach § 169 Satz 2 GVG in verfassungsmäßiger Weise den Ton- und Bildaufnahmen verschlossen (vgl. BVerfGE 103, 44 [66 ff.]). Vor dem Beginn und nach Schluss der Hauptverhandlung und in Verhandlungspausen ist die Erstellung von Bild- und Tonaufnahmen unter Verwendung der hierzu erforderlichen technischen Mittel im Gerichtssaal jedoch vom Schutzbereich der Rundfunkfreiheit umfasst (vgl. BVerfGE 91, 125 [134 f.]; 119, 309 [320 f.]).

Die besonderen Umstände der zur Anklage stehenden Straftat begründen auch ein gewichtiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Straftaten gehören zum Zeitgeschehen, deren Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der von der Tat Betroffenen und die Verletzung der Rechtsordnung, die Sympathie mit Opfern und ihren Angehörigen, die Furcht vor Wiederholungen und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen ein anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Straftat durch ihre besondere Begehungsweise oder die Schwere ihrer Folgen von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt (vgl. BVerfGE 35, 202 [230 f.]; 119, 309 [321 f.]). Hier ist das besonders gewichtige Informationsinteresse evident, da die Tat den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat und für die Hinterbliebenen des Opfers besonderes Mitleid empfunden wird. Auch die Begehungsweise wird in der Öffentlichkeit als besonders verwerflich empfunden und begründet die Besorgnis vor der Wiederholung gleichgelagerter Taten, insbesondere die Furcht, als Autofahrer wahllos Opfer einer solchen Tat zu werden.

Mit der angegriffenen sitzungspolizeilichen Anordnung auf Grundlage des § 176 GVG wird der Antragstellerin zwar nicht die Berichterstattung über das Gerichtsverfahren in fernsehtypischer Weise durch aktuelle Film- und Tonaufnahmen aus dem Gerichtssaal in Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten am Rande der mündlichen Verhandlung vollständig untersagt, sondern lediglich hinsichtlich eines Verfahrensbeteiligten eingeschränkt. Auch in der Anordnung einer solchen Anonymisierung kann aber eine gewichtige Beschränkung von Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit liegen (vgl. BVerfGE 119, 309 [326]).

b) Erginge dagegen die einstweilige Anordnung, erwiese sich eine einzulegende Verfassungsbeschwerde aber später als unbegründet, so wären Filmaufnahmen vom Angeklagten gefertigt worden, auf die die Antragstellerin keinen Anspruch hatte und die geeignet sind, das sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ergebende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Angeklagten zu beeinträchtigen.

In Gerichtsverfahren gewinnt der Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten eine über den allgemein in der Rechtsordnung anerkannten Schutzbedarf hinausgehende Bedeutung. Dies gilt nicht nur, aber mit besonderer Intensität für den Schutz der Angeklagten im Strafverfahren, die sich unfreiwillig der Verhandlung und damit der Öffentlichkeit stellen müssen (vgl. BVerfGE 103, 44 [68]; 119, 309 [322 ff.]). Während der Täter einer Straftat sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern auch dulden muss, dass das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in freier Kommunikation auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird, gilt dies für den noch nicht rechtskräftig verurteilten Angeklagten nicht in gleicher Weise. Die bis zur rechtskräftigen Verurteilung zugunsten des Angeklagten sprechende Unschuldsvermutung, die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ableitet, gebietet eine entsprechende Zurückhaltung, mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung (vgl. BVerfGE 35, 202 [231 f.]). Außerdem ist eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch eine identifizierende Medienberichterstattung bewirkt werden kann (vgl. BVerfGE 119, 309 [323]). Dabei ist zu beachten, dass auch eine um Sachlichkeit und Objektivität bemühte Fernsehberichterstattung in der Regel einen weitaus stärkeren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt als eine Wort- und Schriftberichterstattung in Hörfunk und Presse. Dies folgt aus der stärkeren Intensität des optischen Eindrucks und der Kombination von Ton und Bild, aber auch aus der ungleich größeren Reichweite, die dem Fernsehen nach wie vor gegenüber anderen Medien zukommt (vgl. bereits BVerfGE 35, 202 [226 f.]).

Die besondere Schwere einer angeklagten Tat und ihre als besonders verwerflich empfundene Begehungsweise kann im Einzelfall nicht nur ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, sondern auch die Gefahr begründen, dass der Angeklagte eine Stigmatisierung erfährt, die ein Freispruch möglicherweise nicht mehr zu beseitigen vermag. Die - womöglich wiederholte - Bildberichterstattung, die den Angeklagten als solchen im Gerichtssaal zeigt, kann wegen der besonderen Intensität des optischen Eindrucks in weiten Kreisen der Öffentlichkeit eine dauerhafte Erinnerung erzeugen, in der das Gesicht des Angeklagten mit den Schrecken der Tat verbunden wird. Je verwerflicher die Tat empfunden wird, umso mehr hat der Betroffene zu befürchten, dass er sich von diesem Eindruck auch nach einem Freispruch auf unabsehbare Zeit nicht mehr wird befreien können. Sofern ein Freispruch etwa auf den Mangel von Beweisen gestützt wird - und dies womöglich auf ein kritisches Presseecho stieße -, dürfte dies bereits eine von ihm ausgehende Rehabilitierung faktisch erheblich mindern. Der Betroffene liefe Gefahr, ungeachtet des Freispruches und der im Gerichtsverfahren festgestellten Einzelheiten in breiter Öffentlichkeit mit dem Makel behaftet zu sein, die Tat „in Wahrheit“ doch begangen zu haben. Verbindet sich diese Überzeugung mit einer ebenso verbreiteten lebhaften Erinnerung an das Gesicht des Angeklagten aus der bebilderten Berichterstattung über die Gerichtsverhandlung, läuft der Angeklagte Gefahr, trotz späterem Freispruch eine nachhaltige Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts zu erleiden, die im Einzelfall schwerwiegende Folgen haben kann. Diese Gefahr ist hier ebenso wie das gewichtige öffentliche Informationsinteresse evident. Dieselben Gründe, die das Informationsinteresse begründen, lassen die Gefahr entstehen, dass der Angeklagte im Falle der Bildberichterstattung sich von dem Vorwurf der besonderen Verwerflichkeit des ihm vorgeworfenen Handelns nur schwer wird befreien können, auch wenn er freigesprochen werden wird.

Dieses Schutzbedürfnisses hat sich der Angeklagte auch nicht dadurch begeben, dass er während der laufenden Ermittlungen der Erstellung von Bildberichten zu seiner Person zustimmte und sich in diesem Zusammenhang auch zu dem Ermittlungsverfahren äußerte. Zwar kann sich der Angeklagte gegenüber einer identifizierenden Bildberichterstattung von der Strafverhandlung möglicherweise dann nicht mehr mit Gewicht auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen, wenn er zuvor in den Medien im Rahmen bebilderter Berichterstattung zu den Vorwürfen der Anklageschrift oder auch nur zu eventuellen Vorwürfen der Staatsanwaltschaft Stellung bezogen und hiermit zum Ausdruck gebracht hat, sich den erhobenen Vorwürfen in der Öffentlichkeit stellen zu wollen. Diese Frage braucht im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht entschieden zu werden. Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich nicht, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt seiner Äußerungen gegenüber der Presse und einer Fernsehjournalistin bereits von den Ermittlungsbehörden als Beschuldigter vernommen oder gar bereits Anklage gegen ihn erhoben worden sei. Vielmehr lässt der Sachvortrag allein den Schluss zu, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Äußerung lediglich Zeuge in dem Ermittlungsverfahren gewesen ist. Allein der Umstand, dass die Fernsehjournalistin ihn während des Interviews mit dem von ihr offenbar gehegten Verdacht konfrontierte, er könne der Täter sein, ändert hieran nichts, denn der Angeklagte sah sich zu diesem Zeitpunkt weder mit der Beschuldigung noch der Anklage durch die Staatsanwaltschaft konfrontiert. Die öffentlichen Äußerungen des Angeklagten zu dem Ermittlungsverfahren, das sich seinerzeit nicht gegen ihn richtete, lassen jedenfalls nicht den Schluss zu, dass er sich den Vorwürfen der Anklageschrift auch uneingeschränkt in der medialen Öffentlichkeit stellen wollte. Auch handelt es sich bei dem Angeklagten nicht um jemanden, der durch sein Tätigkeitsfeld oder seine Persönlichkeit sonst in besonderer Weise in der Öffentlichkeit steht.

c) Bei Abwägung der entgegenstehenden Belange überwiegen die zu befürchtenden Nachteile für den Angeklagten die Folgen für die Presseberichterstattung, die sich aus dem Anonymisierungsgebot ergeben. Die angegriffene sitzungspolizeiliche Anordnung untersagt die bebilderte Berichterstattung aus dem Sitzungssaal nicht generell, sondern beschränkt sie lediglich im Hinblick auf die Person des Angeklagten. Damit wird dem öffentlichen Informationsinteresse und den Belangen der Pressefreiheit weitgehend Rechnung getragen. Die in dem Anonymisierungsgebot liegende Beschränkung der Berichterstattung wiegt nicht so schwer, als das sie es rechtfertigte, dass das Gericht eine wenn auch nur mögliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Angeklagten im Falle seines Freispruchs durch die beabsichtigte Bildberichterstattung, die weitreichende und teilweise nicht mehr zu beseitigende Folgen haben kann, zuzulassen hätte. Im Rahmen der hier anzustellenden Folgenabwägung unerheblich ist, ob die Begründung der angegriffenen sitzungspolizeilichen Anordnung hinreichend erkennen lässt, dass im Rahmen der gebotenen Abwägung alle dafür erheblichen Umstände eingestellt worden sind (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 119, 309 [327 f.]). Denn selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Begründung eine solche Abwägung nicht erkennen lasse, beseitigte dies nicht die gegen eine einstweilige Anordnung sprechenden schützenswerten Belange des Angeklagten, welche die Anordnung der Anonymisierung jedenfalls im Ergebnis zu tragen vermögen.

2. Die hilfsweise gestellten Anträge sind bereits unzulässig, denn es fehlt insoweit an einem Rechtsschutzbedürfnis. Es ist offenkundig, dass eine auf § 176 GVG gestützte sitzungspolizeiliche Anordnung allein in der Sitzung gefertigte, nicht aber auch anderweitig angefertigte Lichtbilder betreffen kann. Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, das Landgericht habe ihr auch für den Fall den Ausschluss angedroht, dass andere Medienorgane gegen das Anonymisierungsgebot verstießen, ist dies bereits angesichts der Formulierung der angegriffenen Anordnung unzutreffend, so dass es nicht auf die Frage ankommt, ob eine offen formulierte Androhung überhaupt eine unmittelbare Beschwer darstellen kann. Das Landgericht hat ausdrücklich nur den Mitarbeitern derjenigen Medienorganen den Ausschluss von der weiteren Berichterstattung angedroht, die den Angeklagten nicht anonymisiert abbilden, nicht aber den poolführenden Medienorganen, welche die Bilder in nicht anonymisiertem Zustand weitergegeben haben.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


Papier Eichberger Masing

Rechtsgebiete

Presserecht