Irreführung mit Blickfang

Gericht

OLG Bremen


Art der Entscheidung

Beschluss über sofortige Beschwerde


Datum

05. 09. 2008


Aktenzeichen

2 W 48/08


Tenor


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin vom 25.4.2008 wird das Urteil des LG Bremen vom 3.4.2008 im Kostenausspruch abgeändert und wie folgt neu gefasst:

„Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.”

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I. Die Parteien sind Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen. Sie streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Werbung der Verfügungsbeklagten für (Paket-)Angebote, die aus einem Internet-Zugang, einem Flatrate-Tarif für die Internetnutzung und einer Telefon-Flatrate bestehen.

Auf der ersten Seite der beanstandeten doppelseitigen Broschüren heißt es fett gedruckt, die gesamte Seitenbreite und etwa 1/3 der Seitenlänge einnehmend: „Ein Leben lang gratis telefonieren”. Einen Bruchteil so große Fußnoten führen zu noch kleineren Auflösungstexten auf der jeweils letzten Seite, denen u.a. zu entnehmen ist, dass „eine Telefon-Flatrate in alle dt. Festnetze gratis” bezogen werden kann, „solange eines der vorstehend genannten Pakete gebucht ist”, wobei Sonderrufnummern ausgeschlossen seien (Fußnote 1) und bestimmte Gebühren für Auslandstelefonate und Gespräche in die Mobilfunknetze anfielen. Es werde ein einmaliges Bereitstellungsentgelt von 9,90 € erhoben, Mindestvertragslaufzeit sei 12 Monate, mit Verlängerungsoption um weitere 12 Monate, wenn nicht 4 Wochen zum Ende der Mindestvertragslaufzeit gekündigt wurde (Fußnote 2). Wegen der Gestaltung und des Inhalts der Werbebroschüren im Einzelnen wird auf die Anlagen A und B verweisen.

Das LG B. … hat der Verfügungsbeklagten mit einstweiliger Verfügung vom 25.10.2007 u.a. untersagt, ihre „Pakete” wörtlich oder sinngemäß mit „Ein Leben lang gratis telefonieren.” zu bewerben oder bewerben zu lassen. In der nach Widerspruch der Verfügungsbeklagten durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 27.3.2008 haben die Parteien den Rechtstreit im Hinblick auf dieses Verbot mit Rücksicht auf eine am 19.11.2007 von der Verfügungsbeklagten ggü. der D. AG abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung übereinstimmend für teilweise erledigt erklärt. Das LG hat die einstweilige Verfügung im Übrigen mit Urteil vom 3.4.2008 bestätigt und über die Kosten gem. §§ 91, 91a ZPO entschieden, indem es der Verfügungsbeklagten ¾ und der Verfügungsklägerin ¼ der Verfahrenskosten auferlegt hat.

Seine Entscheidung, die Verfügungsklägerin hinsichtlich des für erledigt erklärten Unterlassungsgebotes gem. § 91a ZPO zu ¼ an den Kosten zu beteiligen, hat das LG mit der Erwägung begründet, die einstweilige Verfügung wäre hinsichtlich der beanstandeten Werbeaussage „Ein Leben lang gratis telefonieren” auch ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses aufzuheben gewesen. Die Verfügungsbeklagte habe leicht durchschaubar lediglich werblich übertrieben, was nicht wettbewerbswidrig sei. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 6 der Urteilsgründe verweisen.

Die Verfügungsbeklagte wendet sich mit ihrer rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerde gegen den Kostenausspruch, soweit er auf § 91a ZPO beruht. Sie ist der Auffassung, die Antragsgegnerin habe in irreführender Weise den Bestandteil eines Gesamtpreisangebots/-pakets als Gratis-Zugabe dargestellt. Das blickfangmäßig hervorgehobene Angebot sei zeitlich auch nicht durch das Ableben des Verbrauchers beschränkt, sondern – wie sich erst aus dem, die Werbeaussage ins Gegenteil verkehrenden Fußnotenzusatz erschließe – abhängig von der Bezugsdauer eines der beworbenen „Pakete”. Die Verfügungsklägerin beantragt, der Verfügungsbeklagten die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des erledigten Teils (ursprünglicher Verfügungsantrag zu Ziff. I a) aufzuerlegen.

Die Verfügungsbeklagte verteidigt die Kostenentscheidung des LG und beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

II. Soweit sie auf § 91a ZPO beruht, ist gegen die Kosten(misch)entscheidung des LG gem. § 91a II ZPO die sofortige Beschwerde statthaft (vgl. BGH v. 29.7.2003 – VIII ZB 55/03, BGHReport 2003, 1228 = FamRZ 2003, 1650 = MDR 2004, 45 = NJW-RR 2003, 1504 f.; Thomas/Putzo/Hüsstege, 28. Aufl., Rz. 55 zu § 91a ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg, so dass der Kostenausspruch des LG abzuändern ist und der Verfügungsbeklagten die Kosten des Rechtsstreits insgesamt aufzuerlegen sind.

Gemäß § 91a I ZPO war hinsichtlich des die Werbeaussage der Verfügungsbeklagten „Ein Leben lang gratis telefonieren” betreffenden Unterlassungsgebotes über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei gibt im Allgemeinen der ohne die Erledigung zu prognostizierende Verfahrensausgang den Ausschlag; insoweit ist das Gericht in schwierigen Fällen nicht gehalten, jeder für den Ausgang bedeutsamen Rechtsfrage nachzugehen. Ausreichend ist eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten (BVerfG, NJW 1993, 1061; BGHZ 67, 345). Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO kann auch der Umstand, dass – wie hier durch Herbeiführung der Erledigung – sich eine Partei in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, eine Rolle spielen (Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl., Rz. 25 zu § 91a m. w. Hinw.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es nicht gerechtfertigt, die Verfügungsklägerin an den Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen. Der Senat teilt nicht die Auffassung des LG, bei der Werbung der Verfügungsbeklagten „Ein Leben lang gratis telefonieren” handele es sich um keine wettbewerbswidrige Irreführung i.S.d. §§ 3, 5 UWG.

Mit der übergroßen Aufmachung und der Verwendung der Schlagworte „gratis” und „lebenslang” hat die die Verfügungsbeklagte diesen Satz erkennbar als Blickfang gedacht. Auf einem Markt, auf dem Preiswettbewerb herrscht, ist ein unbefristetes, da „lebenslanges” „Gratisangebot” wohl einer der stärksten Blickfänge überhaupt. Dies gilt gerade auf dem Markt der Telekommunikation, weil die angebotene Leistung bei allen Anbietern dieselbe ist und die Werbung deshalb von Preisvgl.n beherrscht wird. Für sich genommen sind die blickfangmäßigen Angaben der Verfügungsbeklagten für den Verkehr jedoch mindestens missverständlich. Da sie auch nicht durch einen klaren unmissverständlichen Hinweis, der am Blickfang teilnimmt, richtig gestellt werden, ist die Werbung irreführend (vgl. BGH, NJW-RR, 1990, 102, 105; BGH v. 24.10.2002 – I ZR 50/00, MDR 2003, 404 = BGHReport 2003, 399 = NJW 2003, 894, 895 – jew. m.w.N.).

Der Senat hat schon Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des LG, aus Sicht des Verbrauchers sei unmissverständlich klar, dass die Verfügungsbeklagte kostenfreies Telefonieren in dem Sinne anbiete, dass sie für Einzelgespräche keine gesonderten Telefongebühren erhebe, solange das (mit monatlichen Kosten verbundene und mit einem Bereitstellungsentgelt zu vergütende) „Paket Comfort” gebucht und bezahlt werde. Das mag jedoch dahinstehen, weil die Werbeaussage selbst so verstanden falsch wäre. Denn tatsächlich handelt es sich um eine Telefon-Flatrate allein in das deutsche Festnetz, alle anderen Telefonate sind gebührenpflichtig und nicht kostenlos (Fußnoten 1 und 2). Da es nach allgemeinem Verständnis aber weder eine „eingeschränkte” noch „ein bisschen” Kostenlosigkeit (so OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.2003 – I- 20 U 30/03 – juris Rz. 10) gibt, enthält der Blickfang jedenfalls insoweit eine glatte objektive Unrichtigkeit.

Nichts anderes gilt hinsichtlich der angeblichen Lebenslänglichkeit des Angebots, dessen maximale Laufzeit – in Abhängigkeit vom Bezug des „Pakets” – höchstens 24 Monate sein kann, ohne dass eine derartige Befristung in einem erkennbaren Zusammenhang mit der Lebensdauer oder -erwartung des angesprochenen Verbrauchers steht.

Weil die genannten Einschränkungen mit dem Wortsinn der Aussage „Ein Leben lang gratis telefonieren” unvereinbar sind, ist auch eine Aufklärung der an sich falschen Blickfangwerbung durch – zumal kaum erkennbare, schlecht lesbare und auf der Rückseite der Broschüren versteckte – Fußnotenhinweise nicht zur Richtigstellung in vertretbarem Maße geeignet. Denn eine i.S.d. § 3 UWG relevante Irreführung des Publikums liegt schon dann vor, wenn dieses durch den – den falschen Anschein erweckenden – Blickfang veranlasst wird, sich mit dem damit beworbenen Angebot überhaupt näher zu befassen (vgl. BGH v. 5.10.1989 – I ZR 56/89, MDR 1990, 130 = NJW-RR 1990. 102, 105).

Zumal die Beklagte die (teilweise) Erledigung durch eine Drittunterwerfung selbst herbeigeführt hat, entspricht es billigem Ermessen, sie in die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu nehmen.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen

LG Bremen, 12 O 490/07, 3.4.2008

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht

Normen

UWG §§ 3, 5; ZPO § 91a