Nächtliches Badeverbot kraft Hausordnung

Gericht

LG Köln


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

17. 04. 1997


Aktenzeichen

1 S 304/96


Leitsatz des Gerichts

Eine Klausel in der Hausordnung, die das nächtliche Duschen und Baden zwischen 22 und vier Uhr untersagt, ist unwirksam. Die durch Baden oder Duschen verursachten Geräusche gehören zu den normalen Wohngeräuschen, die von den Mitbewohnern hingenommen werden müssen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die kl. Vermieterin hat Räumung der Mietwohnung des Bekl. begehrt und die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses darauf gestützt, daß der Bekl. es auch nach wiederholten Abmahnungen nicht unterlassen habe, entgegen der Hausordnung noch nach 24 Uhr zu baden.

Das AG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Bekl. führte zur Klageabweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Eine Klausel indessen, die nach der Hausordnung ein nächtliches Baden verbietet, hält einer Nachprüfung anhand von § 9 AGBG nicht stand. Eine derartige Klausel beinhaltet eine unangemessene Benachteiligung zu Lasten des Mieters; eine derartige Klausel ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren, und wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Mietvertrags ergeben, werden so eingeschränkt, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Denn der Mietgebrauch erstreckt sich auf alle Teile der Wohnung. Der Mieter kann ein vorhandenes Bad grundsätzlich zu jeder Tages- und Nachtzeit benutzen. Bestimmte Badezeiten lassen sich aus dem Mietgebrauch selbst nicht ableiten; entsprechende Formularklauseln sind unzulässig (vgl. Sternel, MietR II Rdnr. . 151). Das Geräusch ein- und ablaufenden Wassers zählt zu den normalen Wohngeräuschen, die von allen Mitbewohnern hingenommen werden müssen.

Die Kammer braucht nicht die Frage zu entscheiden, ob die Beschränkungen hinzunehmen sind, die das OLG Düsseldorf in seinem Beschluß vom 25. 1. 1991 (NJW 1991, 1625 = WuM 1991, 288) aufgestellt hat. Das OLG Düsseldorf hat ausgeführt, daß Geräusche durch nächtliches Baden oder Duschen in einem Mehrfamilienhaus grundsätzlich als sozialadäquat hingenommen werden müssen, wenn die Dauer von 30 Minuten nicht überschritten wird. Der Beschluß des OLG Düsseldorf ist indessen in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten zustande gekommen und orientiert sich an § 9 I des Landesimmissionsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen. Im zu entscheidenden Fall ist jedoch wesentliches Kriterium der durch den Vertrag umrissene Mietgebrauch durch den Mieter. Dabei hat die Kammer insbesondere berücksichtigt, daß das Besitzrecht an einer gemieteten Wohnung Eigentum im Sinne der Freiheitsgewährleistung des Art. 14 I 1 GG darstellt. Nach Art. 14 GG wird der vertragstreue Mieter gegen einen Verlust seiner Wohnung geschützt, der nicht durch berechtigte Interessen des Vermieters begründet ist. Die Wohnung als der räumliche Mittelpunkt freier Entfaltung seiner Persönlichkeit, als Freiraum eigenverantwortlicher Betätigung darf dem vertragstreuen Mieter nicht ohne beachtliche Gründe durch Kündigung entzogen werden (vgl. BVerfGE 89, 1 = NJW 1993, 2035 = WuM 1993, 377; NJW 1994, 41 = WuM 1994, 119 (121)). Diese Verankerung des Besitzrechts des Mieters in Art. 14 GG erklärt sich zwanglos daraus, daß das Wohnen alles umfaßt, was zur Benutzung der gemieteten Räume als existentiellem Lebensmittelpunkt des Mieters und seiner Familien gehört, also die gesamte Lebensführung des Mieters in allen ihren Ausgestaltungen und mit allen ihren Bedürfnissen (vgl. BayObLG, NJW 1981, 1275; Sternel, MietR aktuell, Rdnr. 167 (S. 229)). Bei deren Verwirklichung kann sich der Mieter auch solcher Einrichtungen der Technik bedienen, die als wirtschaftliche Hilfsmittel aus dem gesamten Leben nicht mehr hinwegzudenken sind. Zwar geht es im zu entscheidenden Fall nicht wie im Falle des BayObLG vom 19. 1. 1981 (NJW 1981, 1275) um die Frage des technischen Fortschritts; vielmehr geht es im zu entscheidenden Fall um die Frage, welche Gewohnheiten der Mieter im Rahmen seines Mietgebrauches konkretisieren kann. Waschen, auch nächtliches Duschen bzw. Baden gehört zu einem hygienischen Mindeststandard, der ohne weiteres normaler Lebensführung eines Mieters zugeordnet werden kann. Sollte durch die Hausordnung eine derartige Betätigung des Mieters, sei es auch für die Nachtzeit, unterbunden werden, so ist dies mit den Grundgedanken des Mietrechts nicht in Einklang zu bringen, wird doch der Mietgebrauch des Mieters nachhaltig beeinträchtigt, sollte er durch Vertragsklauseln oder Hausordnung an dem Einhalten von hygienischen Mindeststandards gehindert werden.

Soweit die Kl. darauf verwiesen hat, die Wassergeräusche würden zu einer Beeinträchtigung der Mitmieter führen, so stellen sich diese eventuellen Beeinträchtigungen der Mitmieter als Folge sozialadäquaten Verhaltens der Bekl. dar; die Frage, ob dies die Mitmieter im Hause der Kl. hinzunehmen haben, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Dabei mag ein Mangel i.S. des § 537 I BGB vorliegen, falls durch das sozialadäquate Verhalten der Bekl. Beeinträchtigungen der übrigen Mieter im Sinne der vorbezeichneten Vorschrift entstanden sein könnten. Der Bekl. kann dies jedoch nicht angelastet werden, ist seitens der Kl. nämlich nicht vorgetragen, daß die Bekl. über die nach § 242 BGB zu ziehenden Grenzen hinausgehend für eine Beeinträchtigung der Mitmieter gesorgt hat, die etwa den vom OLG Düsseldorf gesteckten Rahmen (WuM 1991, 288) überschritten hätten.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB §§ 535, 553, 554a; AGBG § 9; GG Art. 14