Grillen als übliche Freizeitbeschäftigung
Gericht
LG Stuttgart
Art der Entscheidung
Beschluss über sofortige Beschwerde
Datum
14. 08. 1996
Aktenzeichen
10 T 359/96
Eine jährliche Grilldauer von sechs Stunden stellt im konkreten Einzelfall nur eine geringfügige Beeinträchtigung dar. Sie ist im Rahmen des Toleranzgebots hinzunehmen.
Das AG hat den Antrag abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Ast. sowie die unselbständige Anschlußbeschwerde der Ag. hat das LG zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde der Ast. (vgl. dazu Anm. d. Schriftltg.) hatte keinen Erfolg.
Bei der Beurteilung, ob ein Nachteil i.S. des § 14 Nr. 1 WEG und damit eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung vorliegt, ist danach auch ein Wandel der Verkehrsanschauung im Hinblick auf die Freizeitgestaltung und insbesondere das Zubereiten von Speisen auf einem Holzkohlengrill zu berücksichtigen. Die Kammer ist der Auffassung, daß die frühere - wenige - Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Grillens auf einem Balkon, nicht nur aufgrund der örtlichen Verschiedenheiten (dort: Balkon - hier: Terrasse bzw. im Sondernutzungsrecht stehender Gartenanteil), nicht auf den vorliegenden Fall der Zulässigkeit des Grillens auf einer Terrasse übertragen werden kann. Nach früherer Rechtsprechung (AG Wuppertal, Rpfleger 1977, 454; AG Hamburg, MDR 1973, 858) wurde das Betreiben eines Gartengrillgeräts auf einem Balkon einer Eigentums- bzw. Mietwohnung nicht mehr als ordnungsmäßige Nutzung des Sonder- bzw. Miteigentums angesehen. Durch das Grillen auf einem offenen Holzkohlefeuer erfolge eine mehr oder weniger starke Rauch- und Geruchsbelästigung, die die Bewohner der benachbarten Wohnungen treffe. Auch die von den Ast. zitierte Rechtsprechung des LG Düsseldorf (NJW-RR 1991, 1170 = MDR 1991, 254; dazu Bielefeld, DWE 1991, 25) bezieht sich auf das Grillen auf den Balkonen einer Wohnanlage und einen entsprechenden Mehrheitsbeschluß der Eigentümerversammlung, der dieses gestattete. Das LG Düsseldorf war selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Grillen im Freien auf dem Holzkohlegrill eine weithin beliebte und gebräuchliche Art der Zubereitung von Speisen ist, der Auffassung, daß das Grillen eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung darstelle. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Rechtsauffassung des LG Düsseldorf in allen Punkten gefolgt werden kann. Dort ging es nämlich um ein Beschlußanfechtungsverfahren, wonach Grillen ohne jegliche Einschränkung durch Mehrheitsbeschluß erlaubt wurde. Hier aber machen die Ast. einen Unterlassungsanspruch geltend, der den Ag. jegliches Grillen auf der Terrasse bzw. den in ihrem Sondernutzungsrecht stehenden Gartenanteil verbieten soll. Ein solcher uneingeschränkter Unterlassungsanspruch ist aber nach Auffassung der Kammer nicht gegeben. Grillen stellt in einer multikulturellen Freizeitgesellschaft, die von einer zunehmenden Rückbesinnung auf die Natur geprägt ist, eine übliche und im Sommer gebräuchliche Art der Zubereitung von Speisen jeglicher Art, die heute nicht mehr auf die bloße Zubereitung von Fleisch beschränkt ist, dar. Demgegenüber kann die Kammer die Ansicht der Ast., beim Grillen handle es sich um ein Relikt aus der Steinzeit, nicht teilen.
Dabei wird jedoch nicht verkannt, daß das Grillen auf einem Holzkohlegrill durch die damit verbundenen Rauch- und Geruchsbelästigungen für die Bewohner der benachbarten Wohnungen zumindest eine Beeinträchtigung von kurzer Dauer darstellen kann. Zur Bewertung des Grades der Beeinträchtigung ist jedoch auf die konkreten Verhältnisse abzustellen. Dabei war hier zu berücksichtigen, daß die Ag. für ihre Grillaktivitäten die Terrasse und den angrenzenden Gartenstreifen, nicht jedoch einen Balkon, benutzten. Zu solchen Aktivitäten kam es im Jahr 1995 unstreitig dreimal. Die Kammer geht davon aus, daß die durchschnittliche Grilldauer pro Grillabend nicht mehr als ca. zwei Stunden beträgt, da auch bei einer "Anfeuerphase" des Grills die Garzeit von Grillspeisen relativ kurz ist. Somit stellt jedenfalls das Grillen in diesem Ausmaß (ca. sechs Stunden im Jahr 1995) keine i.S. des § 14 Nr. 1 WEG wesentliche Beeinträchtigung der Ast. dar. Vielmehr ist eine derart geringfügige Beeinträchtigung im Rahmen des Toleranzgebots, das auch unter Wohnungseigentümern gilt, hinzunehmen (vgl. hierzu LG Düsseldorf, MDR 1990, 249). Darüber hinaus ist der Literatur (Bielefeld, DWE 1982, 60 (61); Müller, Praktische Fragen d. WEG, 2. Aufl., S. 91; Henkes/Niedenführ/Schulze, § 14 Rdnr. 4) zu folgen, wonach weder ein genereller Anspruch auf die Gestattung des Grillens mit einem Gartengrillgerät besteht (Müller, S. 91), noch darin grundsätzlich eine das unvermeidbare Maß übersteigende Beeinträchtigung der anderen Wohnungseigentümer liegt. Hier ist jeweils eine Einzelfallentscheidung zu treffen, ob möglicherweise beim Grillen eine ungewöhnlich starke Rauchentwicklung oder beißender Geruch - nicht jeder mag Hammel (vgl. Henkes/Niedenführ/Schulze, § 14 Rdnr. 4) - entsteht. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß bei entsprechender Benutzung eines modernen Gartengrills mit offenem Holzkohlefeuer die Belästigungen dann fast vollständig vermieden bzw. auf ein Minimum reduziert werden können, wenn beispielsweise Aluminiumfolien benutzt werden, die ein Abtropfen von Fett in das offene Feuer und damit eine Qualmentwicklung verhindern. Auch durch entsprechende Aufstellung des Grills kann vermieden werden, daß "Rauchschwaden" in die offenen Fenster der Wohnungen der Miteigentümer ziehen (vgl. Bielefeld, DWE 1982, 60 (61)). Dabei stellt das Bedienen elektrischer Tischgrillgeräte nach h.M. (vgl. Müller, S. 91 und Bielefeld, DWE 1982, 60 (61)) jedenfalls keine i.S. des § 14 Nr. 1 WEG wesentliche Beeinträchtigung dar.
Nach umfangreicher Abwägung gelangte die Kammer zu der Überzeugung, daß im konkreten Einzelfall jedenfalls bei der von den Ag. im Jahr 1995 beanspruchten Grillquantität kein Nachteil i.S. des § 14 Nr. 1 WEG vorliegt, und die Ast. das Grillen, das offensichtlich von den restlichen 15 Miteigentümern nicht beanstandet wird, zu dulden haben.
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