Abschleppen eines vor einer Bordsteinabsenkung geparkten Kfz

Gericht

VG Schwerin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

15. 05. 1998


Aktenzeichen

1 A 1393/96


Leitsatz des Gerichts

Allein der Umstand, daß ein parkendes Fahrzeug einen abgesenkten Bordstein derart zuparkt, daß Rollstuhlfahrern kein gefahrloses Auffahren auf den Gehweg bzw. Abfahren vom Gehweg mehr möglich ist, kann ein sofortiges Abschleppen rechtfertigen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. parkte sein Fahrzeug an der Ecke zweier Straßen, deren Bordsteine abgesenkt sind, dergestalt, daß es zum Teil auf dem Bürgersteig und zum Teil vor dem abgesenkten Bordstein stand. Die Verkehrsüberwachung des Bekl. ordnete unverzüglich das Abschleppen des Fahrzeuges an. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Im Zeitpunkt des Einschreitens des Bekl. lag ein Verstoß gegen Regelungen der StVO vor. Das Gericht läßt dabei offen, ob durch das Parken des Fahrzeuges an der Ecke A./K.-Straße gegen § 12 III Nr. 1 StVO verstoßen worden ist, da der Kl. jedenfalls entgegen § 12 III Nr. 9 und IV StVO sein Fahrzeug abgestellt hatte.

Nach § 12 III Nr. 9 StVO ist das Parken vor Bordsteinabsenkungen unzulässig. Aus dem Wortlaut ("vor") ergibt sich, daß die Vorschrift nur für die Fahrbahn gilt (vgl. Jagusch/Hentschel, StraßenverkehrsR, 34. Aufl. (1997), § 12 StVO Rdnr. 57a m.w. Nachw.) und nicht für den Bordstein. Dennoch hat der Kl. im vorliegenden Fall das Verbot verletzt, in dem er sein Fahrzeug ausweislich des Fotos mit den linken Vorderrädern auf einem Teil der abgesenkten Fläche abgestellt und somit mit dem übrigen Teil auf der Straße vor dem abgesenkten Bordstein geparkt hat. Daß er nur einen Teil des abgesenkten Bordsteins versperrte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Der Kl. hat weiter verbotswidrig auf dem Gehweg an der K.-Straße/A.-Straße geparkt. Parken auf dem Gehweg ist nach § 12 IV StVO nur erlaubt, wenn dies durch das Zeichen 315 gestattet ist. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß Gehwegparken grundsätzlich unzulässig ist

Hinsichtlich der Auswahl der zu ergreifenden ordnungsrechtlichen Maßnahmen hat der Gesetzgeber den Ordnungsbehörden einen Ermessensspielraum eingeräumt, den das Gericht gem. § 114 S. 1 VwGO lediglich auf Ermessensfehler überprüfen kann. Solche Fehler sind vorliegend nicht erkennbar. Die Maßnahme des Bekl. war auch nicht übermäßig.

Die Abschleppmaßnahme hatte zum Ziel, die gegenwärtige Gefahr, hier also den Verstoß gegen das Parkverbot durch das Fahrzeug zu beseitigen. Die Beendigung dieser Störung konnte auf andere Weise als durch das Abschleppen des Fahrzeuges nicht abgewendet werden. Der Behörde ist es nach den Grundsätzen des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Übermaßverbotes weiter geboten, ein geeignetes, den Betroffenen am wenigsten belastendes Mittel zur Gefahrenabwehr (vgl. auch § 15 I 1 SOG) einzusetzen. Der Bekl. war schon wegen der ungewissen Erfolgsaussicht nicht gehalten, weitere Maßnahmen zur Suche des Fahrers zu veranlassen oder selbst vorzunehmen, zumal das Fahrzeug ein auswärtiges Kennzeichen besaß (vgl. zur Erforderlichkeit auch OVG Münster, NJW 1982, 2277 (2278)).

Es ist regelmäßig nicht notwendig, daß die Verkehrsüberwacher sich um den Aufenthaltsort des Berechtigten, der sein Fahrzeug im Innenstadtbereich einer größeren Gemeinde abstellt, bemühen muß (vgl. OVG Münster, NJW 1982, 2277 (2278)). Andere, den Kl. weniger belastende Maßnahmen, waren auch wegen der Eilbedürftigkeit der Maßnahme nicht ersichtlich, da der Verstoß gegen § 12 III Nr. 9 StVO ein rasches Einschreiten gebot.

Die Maßnahme stand auch - jedenfalls im Hinblick auf das Parken des Fahrzeugs vor dem abgesenkten Bordstein - nicht außer Verhältnis zum beabsichtigen Erfolg (dazu § 15 II SOG). Die Bordsteinabsenkungen sollen für Rollstuhlfahrer freigehalten werden, um ihnen das Auf- und Abfahren zu erleichtern (vgl. amtl. Begr. zu § 12 III Nr. 9 StVO, zit. b. Jagusch/Hentschel, § 12 StVO Rdnrn. 13, 14).

Das Parken vor einem abgesenkten Bordstein führt zur Funktionsbeeinträchtigung des Gehwegs und der Absenkung, ohne daß es darauf ankommt, ob ein Rollstuhlfahrer konkret durch das abgestellte Fahrzeug behindert worden ist (vgl. auch VG München, Urt. v. 19. 7. 1993 - M 17 K 92.4661, zit. nach Huppertz, Halten, Parken, Abschleppen, 2. Aufl. (1997), Rdnr. 1211). Vielmehr genügt die Möglichkeit der Behinderung, da der Platz vor den abgesenkten Bordsteinen freigehalten werden soll, damit ein Rollstuhlfahrer jederzeit dort von dem Gehweg herunter auf die Straße oder von der Straße auf den Gehweg hinauffahren kann. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, daß das Fahrzeug im konkreten Fall den abgesenkten Bordstein nur zum Teil versperrte. Aus dem Foto ist ersichtlich, daß zwar der sich absenkende und ein kleiner Teil des abgesenkten Bordsteins vom Fahrzeug freigelassen worden war. Dies genügte indessen nicht, Rollstuhlfahrern ein gefahrloses Auf- oder Abfahren zu ermöglichen. So näher ein Rollstuhlfahrer sich (von der A.-Straße her gesehen) nach rechts an die abgesenkte Fläche gehalten hätte, desto näher wäre er auch dem Fahrzeug des Kl. gekommen, was die Gefahr der Beschädigung dieses Fahrzeugs heraufbeschworen hätte. Hätte sich der Rollstuhlfahrer indessen weiter links gehalten, wäre er ganz oder zum Teil auf den abgeschrägten oder nicht mehr abgesenkten Bordstein gekommen, was die Gefahr des Umstürzens des Rollstuhls bedeutet hätte. Es kann nämlich nicht angenommen werden, daß jeder Rollstuhlfahrer so geschickt ist, um solche Hindernisse ohne weiteres zu überwinden; vielmehr muß auf solche Rollstuhlfahrer abgestellt werden, die sich mit ihrem Rollstuhl mühsamer im Straßenverkehr bewegen können. Gerade dieser Gruppe wollte der Gesetzgeber eine Hilfestellung geben, indem er das Parken vor dem abgesenkten Bordstein verboten hat. Jedenfalls in Fällen, wo durch das parkende Fahrzeug ein abgesenkter Bordstein in einer Weise zugeparkt ist, daß Rollstuhlfahrern ein gefahrloses Auffahren auf den Gehweg bzw. Abfahren vom Gehweg nicht mehr möglich ist, ist ein sofortiges Abschleppen des Fahrzeuges allein deshalb gerechtfertigt. Es kommt daher auch nicht auf die vom Kl. in Abrede gestellte Behauptung des Bekl. an, daß sich zum damaligen Zeitpunkt auf der rechten Seite der A.-Straße drei Behindertenparkplätze befunden haben. Angesichts drohender Behinderungen von Rollstuhlfahrern und der ungewissen Rückkehr des Fahrers durfte ohne längeres Zuwarten abgeschleppt werden, um mögliche Behinderungen zu beseitigen.

Rechtsgebiete

Straßenverkehrs- und Straßenrecht