Ein uns soeben zugestelltes Urteil des Amtsgerichts München wird nahezu alle aufhorchen lassen, die telefonisch werben, vor allem verkaufen möchten.
Der entschiedene Fall: Für eine Blindenwerkstätte hatten Telefonverkäufer hartnäckig in einer Rechtsanwaltskanzlei angerufen. Angeboten wurden Badehandtücher; also keine Produkte, zu denen mutmaßlich Anrufe von Anwälten gebilligt werden. Die Kanzlei klagte auf Unterlassung.
Das Amtsgericht meint in seinem Urteil, die Anwälte sollten eben sofort das Telefonat abbrechen oder dafür sorgen, dass das Kanzleipersonal solche Anrufe nicht mehr zu den Anwälten durchstellt.
Das Gericht geht nicht einmal auf das Opt-out Prinzip ein. Nach diesem Prinzip ist der erste Anruf rechtmäßig, der Angerufene darf jedoch verlangen, dass er künftig nicht mehr angerufen wird.
Geprägt wird dieses Urteil des Amtsgerichts München offenbar dadurch, dass - so das Gericht - „zur Überzeugung des Gerichts nicht völlig unberücksichtigt bleiben kann, dass es sich bei der Beklagten um eine Blindenwerkstätte handelt, deren Produkte unstreitig mit maschinell hergestellten Produkten nicht konkurrenzfähig ist”.
Az.: 213 C 32240/03. Anmerkung: Nach diesem Urteil müsste die gesamte Rechtsprechung zum Telefonmarketing überdacht werden. Die berechtigten Interessen anderer wiegen oft genauso schwer und sind oft zudem grundrechtlich gewährleistet. Zum Beispiel:
Das Gesetz betont ausdrücklich die öffentliche Aufgabe der Presse. Es liegt im öffentlichen Interesse, dass Zeitungen und Zeitschriften gelesen werden. Die Informations- und die Pressefreiheit sind verfassungsrechtlich gewährleistet. Sie sind - so das Bundesverfassungsgericht - für die Demokratie schlechthin konstituierend. Folglich müsste es genauso ohne weiteres rechtmäßig sein, Abonnements telefonisch zu akquirieren.
Morgen befasst sich übrigens der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags in einer Anhörung zur Novellierung des Gesetes gegen den unlauteren Wettbewerb mit der Frage, ob auf Anregung des Bundesrats an Stelle des sonst von der deutschen Rechtsprechung bevorzugten Opt-in-Prinzips, das Opt-out-Prinzip gelten soll. Die deutsche Rechtsprechung hat bereits viele Unternehmen veranlasst, vom Ausland aus zu telefonieren. Im Ausland wird nahezu ausschließlich das Opt-out-Prinzip praktiziert. Den vom Ausland aus anrufenden Unternehmen kommt in Europa auch noch das Herkunftslandprinzip zugute; das heißt, es findet das Recht Anwendung, von dem aus angerufen wird.
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