Das Oberlandesgericht Celle hat ein Urteil gefällt, bei dem Nichtjuristen erfahren können, wie Juristen denken und arbeiten. Az.: 9 U 42/03.
Eine Passantin stürzte bei Glatteis auf dem Gehweg vor einer Bankfiliale und brach sich dreifach das Schienbein und erlitt einen Trümmerbruch im Fersen- und Knöchelbereich. Das Gericht verweigerte jeglichen Ersatz des Schadens.
Die gerichtliche Begründung: Die Verletzte trägt als Anspruchstellerin die, wie die Juristen sagen, „Darlegungs- und Beweislast”. Sie muss demnach darlegen und beweisen, dass der von der Bank beauftragte Räumdienst nicht rechtzeitig und ordnungsgemäß nachgestreut hat. Der Anwalt der Verletzen hat „zu den die Nachstreupflicht auslösenden Umständen nichts Konkretes vorgetragen... Im Streitfall kann die Kl. Darlegungserleichterungen schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie unweit der Unfallstelle wohnt und deshalb ebenso gut wie der Streupflichtige wissen konnte, wann die Schneefälle am Vormittag des Unfalltags beendet waren”.
Also: Unbestritten ist, dass sich die Klägerin glatteisbedingt verletzt hat. Offenbar hat der Räumdienst nichts zu den Verhältnissen aufgezeichnet. Die Bank konnte oder wollte nichts vortragen. Der Anwalt der Verletzten hat nichts dargelegt. Die Verletzte selbst wusste vielleicht - wie die Bank und der Räumdienst - nichts zu den für die Nachstreupflicht wesentlichen Umständen.
Das Gericht stellte jedoch nicht darauf ab, dass die Bank an den Schadensumständen jedenfalls genauso nahe an dem Schaden gewesen ist wie die Verletzte, gerade auch was die Schuld betrifft. Es hat keinen Weg gefunden oder finden wollen, den Schaden doch wenigstens zu teilen. Das Gericht hat vielmehr nur „nach Schema F” auf die „Darlegungs- und Beweislast der Anspruchstellerin” abgestellt. Sie können in dem Urteil auch allgemeine Grundsätze zur Streupflicht nachlesen.