Nachbarrechtliche Fragen stellen sich nach unseren Erfahrungen besonders häufig und für die Nachbarn oft höchst ärgerlich. Täglich fragen bei uns mehrmals Leserinnen und Leser an. Tausende Male haben Gerichte bereits entschieden.
Und nun die Überraschung: Nach wie vor sind Fragen offen, die sich für viele Einzelthemen als grundsätzliche Vorfrage stellen. So ist ungeklärt, wie sich der sogenannte Beseitigungsanspruch aus § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Deliktshaftung verhält. Geht die Deliktshaftung vor, haftet der Nachbar nur, wenn er sich schuldhaft verhalten hat. Der Beseitigungsanspruch besteht dagegen unabhängig von einem Verschulden.
Dass diese Grundfrage ungeklärt ist, erklärt oft, warum Gerichte den gleichen Sachverhalt unterschiedlich beurteilen. Deshalb gehört schon zu jeder Standardberatung, die Bedeutung der Grundfrage mit einzubeziehen.
Wie kommt es, dass diese Grundfrage seit Inkrafttreten des Gesetzes, also seit mehr als hundert Jahren, ungeklärt ist? Die Gesetzesverfasser wollten, wie so oft, die Klärung der Lehre und der Praxis überlassen. Aber- ganz abgesehen davon, dass es verfassungsrechtlich problematisch ist, wenn der Gesetzgeber einer anderen Gewalt die Entscheidung überlässt:
Die Lehre konnte sich bis heute nicht einigen; und die höchstrichterliche Rechtsprechung hat noch immer im Einzelfall eine Begründung gefunden, „dieses schwierige Problem nicht allgemein zu lösen” (wie sich der Bundesgerichtshof zuletzt, am 21. März dieses Jahres, in einem Urteil mit dem Aktenzeichen V ZR 319/02 zu umstürzenden Pappeln ausgedrückt hat).
Den neueste Abhandlung zu diesem Thema finden Sie in der „Neue Juristische Wochenschrift”, Heft 43/2003. Verfasser: Prof. Armbrüster.