Das Problem gibt es seit langem. Es verging in den letzten Jahrzehnten keine Sitzung des Presserat-Beschwerdeausschusses, in der er sich nicht mit diesem Thema befassen musste. Früher stand im Vordergrund, dass als Täter Sinti und Roma in den Medien benannt wurden. Nun ist es die Herkunft von Flüchtlingen. Basis der Entscheidungen ist die Richtlinie 12.1 des Pressekodex, welche bestimmt:
Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.
Der Dt. Presserat hat heute erstmalig und ausführlich Leitsätze veröffentlicht, die die Regeln für die Kriminalberichterstattung in Richtlinie 12.1 des Pressekodex ergänzen. Nach einer Einleitung führt der Presserat auf, mehrfach mit Beispielen:
Für ein begründetes öffentliches Interesse an der Nennung der Zugehörigkeit von Tätern oder Tatverdächtigen zu einer Gruppe oder Minderheit kann unter anderem jedoch sprechen, wenn zumindest einer der folgenden Sachverhalte vorliegt:
• Es liegt eine besonders schwere oder in ihrer Art oder Dimension außergewöhnliche Straftat vor.
Beispiele: Terrorismus, Organisierte Kriminalität, Mord, Folter, Sprengstoffanschlag (z.B. auf den BVB-Mannschaftsbus 2017).
• Eine Straftat wird aus einer größeren Gruppe heraus begangen, von der ein nicht unbeachtlicher Anteil durch gemeinsame Merkmale wie ethnische, religiöse, soziale oder nationale Herkunft verbunden ist.
Beispiel: Die Ereignisse der Kölner Silvesternacht 2015/16.
• Die Biografie eines Täters oder Verdächtigen ist für die Berichterstattung über die Straftat von Bedeutung
Beispiel: Täter ist Flüchtling und hat auf seiner Migration bereits vergleichbare Straftaten begangen.
• Der Zusammenhang zwischen Form oder Häufigkeit einer Straftat und der Gruppenzugehörigkeit von Tätern oder Verdächtigen selbst ist Gegenstand der Berichterstattung.
Beispiel: Die Redaktion thematisiert den Handel mit bestimmten Drogen an bestimmten Plätzen durch Täter einer bestimmten Gruppe.
• Ein Straftäter oder Tatverdächtiger hat die eigenständige Struktur seiner Herkunftsgruppe für die Tatausführung benutzt.
Beispiele: Der Täter nutzt ausländische Absatzwege für Diebesgut. Besondere Clan-Strukturen ermöglichen erst die Begehung von Straftaten (Ehrenkodex, Schweigeverpflichtungen, Solidaritätszwang usw.). Ein Verdächtiger flüchtet unter Ausnutzung von Strukturen in sein oder aus seinem Herkunftsland.
• Die Gruppenzugehörigkeit eines Tatverdächtigen hat eine besondere Behandlung im Ermittlungsverfahren zur Folge.
Beispiel: Ein Ermittlungsrichter erlässt Haftbefehl wegen Fluchtgefahr, da die ausländische Staatsangehörigkeit des Verdächtigen ein Absetzen ins Ausland erleichtern würde. Bei einem Verdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit wäre im vergleichbaren Fall kein Haftbefehl erlassen worden.
Auf der anderen Seite besteht das Risiko einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens durch die Nennung einer Zugehörigkeit, wenn zumindest eines der folgenden Kriterien zutrifft:
• Durch die Nennung der Gruppenzugehörigkeit oder Herkunft oder durch die Verknüpfung mit abwertenden Begriffen oder Formulierungen werden lediglich diskriminierende Stereotype bedient oder Gruppen verunglimpft.
• Die Gruppenzugehörigkeit wird unangemessen herausgestellt, etwa durch Erwähnung in der Überschrift oder Wiederholungen.
• Die Gruppenzugehörigkeit wird als bloßes Stilmittel benutzt.
Stets hilfreich ist es, wenn Leser die Entscheidung der Redaktion aus dem Beitrag selbst heraus nachvollziehen können.