Der Ausschluss digitaler Zeitungen und Zeitschriften sowie elektronisch gelieferter E-Books von der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes in der Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG ist rechtswirksam; Urteil vom 7.3.2017, Az.: C-390/15.
Die Begründung: Für alle elektronischen Dienstleistungen soll es zur Vereinfachung keinen ermäßigten Mehrwertsteuersatz geben.
Anmerkung
Wenn die Begründung Methode wird, was zu befürchten ist, dann wird es mit dem Recht in Europa noch schlimmer. Es reicht schon jetzt mit dem „Europäischen Verbraucherleitbild” und anderen grundsätzlichen Entscheidungen.
1. Das Beispiel: Europäisches Verbraucherleitbild
So muss in der EU zur Verkehrsauffassung im Einzelfall grundsätzlich darauf abgestellt werden, wie ein „durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher” auffasst. Nur, niemand auf dieser Welt kann jeweils wissen, wie der „durchschnittliche ... Durchschnittsverbraucher” auffasst; selbst die Richter nicht. Ehe der EuGH so geurteilt hat, war die deutsche Rechtsprechung bereits sehr viel weiter fortgeschritten. Siehe zu Einzelheiten und Konsequenzen links in der Suchfunktion unter den Suchworten „Verkehrsauffassung” und „richterlicher Dezisionismus” sowie ausführlich: Schweizer, Die Entdeckung der pluralistischen Wirklichkeit, 3. Aufl.(2000); vergriffen, jedoch vollständig nachlesbar bei Google Books.
2. Und nun die Begründung gegen die öffentliche Aufgabe der (auch elektronischen) Presse:
Nach umfangreichen allgemeinen Ausführungen, welche nicht auf die öffentliche Aufgabe der Presse eingehen und für sehr viele Themen zumindest des Steuerrechts angewandt werden können, erklärt der EuGH in Rn 66 seiner Entscheidung):
„Würde man den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, auf die Lieferung digitaler Bücher auf elektronischem Weg einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden, wie es bei der Lieferung solcher Bücher auf jeglichen physischen Trägern zulässig ist, würde die Kohärenz der gesamten vom Unionsgesetzgeber angestrebten Maßnahme beeinträchtigt, die darin besteht, alle elektronischen Dienstleistungen von der Möglichkeit der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auszunehmen.”
Mit anderen Worten: Wenn die öffentliche Aufgabe der Presse unbeachtet bleibt, ist es einfacher (auch für den EuGH) und rechtlich nicht zu beanstanden.
3. Aber es ist noch nicht aller Tage Abend
Die beschriebenen grundsätzlichen Bedenken werden zwar bestehen bleiben, aber die Verlage dürfen auf ein günstigeres Ergebnis hoffen. Das Loch soll geflickt werden. Die Europäische Kommission hat bereits im Dezember 2016 eine Reform der Mehrwertsteuer-Regeln angekündigt. In diesem Rahmen soll es auch den Mitgliedstaaten ermöglicht werden, ihre Mehrwertsteuersätze für elektronische Veröffentlichungen wie E-Books und Online-Zeitungen zu senken. Mit diesen Legislativvorschlägen wird sich nun das Europäische Parlament befassen.