Auch das ist Lobby-Arbeit: Der Deutsche Richterbund lehnt den bestehenden Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ab. Dieser stelle in weiten Teilen keine praxistaugliche Umsetzung dieses Vorhabens dar. Zudem führe er zu einer ganz erheblichen Mehrbelastung für Staatsanwälte und Gerichte. Das Bundesjustizministerium wird daher aufgefordert, gemeinsam mit der strafrechtlichen Praxis die Probleme des geltenden Rechts der Vermögensabschöpfung anzugehen.

Anmerkungen:

Was der Richterbund im Einzelnen kritisiert, veranschaulicht als Beispiel, wie Gesetze ohne sachverständige Lobby-Arbeit missraten können.
1.
Mit dem Zwang zur Vermögensabschöpfung bei Kleinkriminalität werde die Einziehung als Pflichtprogramm für alle Straftaten den Staatsanwaltschaften und Gerichten aufgegeben.
2.
Zudem sehe der Entwurf auch dort, wo öffentliche Stellen wie Finanzämter oder Sozialleistungsträger eigene Rechte zur Durchsetzung ihrer Steuer- oder Sozialabgabenansprüche besitzen, die Einziehung von Erlangtem, also ersparte Steuern oder Sozialabgaben, als Pflichtprogramm für die Strafjustiz vor.
3.
Es bestünden Unklarheiten beim Bruttoprinzip
4.
Zu begrüßen sei der Versuch, in § 73e StGB-RE hinsichtlich der Tragweite des Bruttoprinzips Klarheit zu schaffen. Leider entspreche der Gesetzestext des § 73e StGB-RE aber nicht der Begründung, in der darauf angestellt werde, ob Aufwendungen "willentlich und bewusst" für das verbotene Geschäft getätigt wurden. Durch diese Abzugsregelung erfolge faktisch eine Abkehr vom Bruttoprinzip, dies minimiere das Risiko und die Folgen für den Straftäter.
5.
Es sei zweifelhaft, ob durch § 76 Abs. 4 StPO-RE tatsächlich Abschöpfungslücken geschlossen werden könnten. Denn regelmäßig gelinge bei der Auffindung erheblicher Bargeldbeträge, selbst wenn sie versteckt mit sich geführt werden, keine Überzeugungsbildung dahingehend, der Geldbetrag entstamme deliktischer Herkunft. Dies werde auch künftig so bleiben.
6.
Nach der Konzeption des Entwurfs solle die Opferentschädigung künftig im Weg der Vollstreckung von Einziehungsanordnungen unmittelbar durch die Staatsanwaltschaft erfolgen, § 459 h StPO-RE. Doch gehe der Referentenentwurf von der zumeist unzutreffenden Annahme aus, aus dem Strafverfahren stünden verlässliche Erkenntnisquellen zum Grund und zur Höhe eines jeden Anspruchs zur Verfügung. Es sei daher fraglich, ob der Vollstreckungsrechtspfleger bei der Staatsanwaltschaft die richtige Stelle sei, über Vermögensansprüche von Verletzten und die Verteilung eingezogener Vermögenswerte zu entscheiden. Jedenfalls müsse hier eine persönliche Haftung weitgehend ausgeschlossen sein.
7.
Sehr kritisch zu sehen sei auch die Regelung in § 111i Abs. 2 StPO-RE zum Antragsrecht der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach der Begründung (Seite 85) gehe mit dieser Ermächtigung die Pflicht der Staatsanwaltschaft zur Antragstellung einher. Dies bedeute in der Praxis großen Zusatzaufwand.
8.
Völlig jeder Grundlage entbehre die Annahme, dass der entstehende Mehraufwand für Gerichte und Staatsanwaltschaften, aber auch der Polizei mit dem vorhandenen Personal ausgeglichen werden kann. Eine erfolgreiche und gerechte Opferentschädigung setze neben der Aufklärung der Schuld- und Straffrage die eingehende Klärung zivilrechtlicher Positionen im Strafverfahren voraus. Dies sei bei der hohen Arbeitsbelastung der Strafrechtspflege gefährlich, weil diese im Kernbereich ihrer Funktion Schaden erleiden könne.
9.
Es sei unumgänglich, im Hinblick auf §§ 73 STGB–RE, § 421 Abs. 1 StPO- RE und § 111 Abs. 2 StPO-RE klarzustellen, dass die Vermögensabschöpfung keine drittgerichtete Amtspflicht im Sinn des § 839 BGB darstellt, sondern allein im allgemeinen Interesse erfolgt. Nur so könnten Amtshaftungsansprüche der Geschädigten vermieden werden.