Beim Oberlandesgericht waren per Telefax die erste Seite einer zweiseitigen Berufungsschrift sowie eine zehnseitige Abschrift des Urteils des Landgerichts eingegangen. Die zweite Seite des Berufungsschriftsatzes mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Klägers fehlte. Am übernächsten Tag ging der Berufungsschriftsatz im Original und vollständig bei dem Oberlandesgericht ein.
Das Oberlandesgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung ab, eine ausdrückliche Anweisung, die Seitenzahlen abzugleichen, werde nämlich nicht behauptet. Eine entsprechende Anweisung lasse sich auch den Angaben der Kanzleiangestellten R. in der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung nicht entnehmen.
Der V. Zivilsenat des BGH entschied dagegen in einer gestern bekannt gegebenen Entscheidung vom 18.2.2016 - Az.: V ZB 86/15 - wörtlich:
Es versteht sich vielmehr von selbst und bedarf keiner ausdrücklichen Erwähnung, dass die von einem Rechtsanwalt angeordnete Vollständigkeitsprüfung anhand des Sendeprotokolls nur in der Weise möglich ist, dass die Seitenzahlen abgeglichen werden. Dies muss jedenfalls für die Fälle gelten, in denen eine solche Anweisung an eine erfahrene Angestellte erfolgt, die bislang stets sorgfältig, zuverlässig und fehlerlos die Arbeiten in der Kanzlei ausgeführt hat und über eine entsprechende Ausbildung verfügt.
Anmerkung
Oft enden diese Rechtsfälle zur Wiedereinsetzung nicht so gut wie hier. Wenn Sie in die Suchfunktion „Kanzleiorganisation” oder „Wiedereinsetzung” eingeben finden Sie eine ganze Reihe von Fällen, die verdeutlichen, dass der Anwalt sich minutiös an Entscheidungen halten, auf jedes Wort achten und nichts für selbstverständlich halten sollte. Dem OLG fehlte die ausdrückliche Versicherung, die Seiten seien abgeglichen worden. Die Fundstellen zeigen, dass der BGH nicht stets „einspringt”.