Bislang wurde angenommen, zwischen Arbeitskollegen bestünden grundsätzlich keine Rechtsbeziehungen. Gegenseitige Fürsorgeoflichten wurden verneint. Ansprüche unter Arbeitskollegen konnten nur entstehen, wenn die verhältnismäßig strengen Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung erfüllt worden sind.
Durch die Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuches, durch den neuen § 311 Abs.2 BGB, hat sich die Rechtslage grundlegend verändert. Nach § 311 Abs.2 entsteht bereits durch geschäftsähnliche Kontakte ein Schuldverhältnis. Arbeitnehmer stehen in einem solchen Kontakt. Zu den gegenwärtig wichtigsten Konsequenzen gehört, dass mobbende Arbeitskollegen schnell in die eigene Insolvenz geraten können. Das Problem muss erst noch richtig entdeckt werden. An entlegener Stelle erwähnt es der Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht a.D. Günter Schaub; - nämlich in Heft 6/2003 der „EWiR”. Anlaß war ein Beschluss des OLG Koblenz, Az.: 5 U 13/03.
Alle Abhandlungen zum Mobbing müssen umgeschrieben werden. Sehr schnell haftet nun ein Arbeitnehmer, der seinen Kollegen falsch anschuldigt oder falsch verdächtigt, für den gesamten Schaden. Bereits Fahrlässigkeit reicht aus.
Die Konsequenzen dieser Gesetzesänderung reichen noch viel, viel weiter. Alle, die zur Schuldrechtsreform geschrieben hatten, sie ändere im Arbeitsrecht nicht viel, haben sich geirrt. Über das weitere neue Problem eines Verbots von Vertragsstrafen im Arbeitsrecht haben wir in dieser Rubrik bereits berichtet. Vieles ist offen.
Was die Vertragsbeziehungen zwischen Arbeitskollegen betrifft, müssen Rechtsprechung und Lehre erst noch beginnen, die neue Situation auszuloten. Ändert der neue § 311 BGB wirklich derart grundlegend? Ist er doch anders auszulegen? Müssen Schadensersatzpflichten - wie bei der gefahrgeneigten Arbeit - eingeschränkt werden? Auch Fragen des Mitverschuldens werden Bedeutung gewinnen.
Den Rechtssoziologen bieten diese Entwicklungen weitere Beispiele dafür, wie brüchig Rechtssetzung und Rechtsanwendung sind. Da wird auf irgendeine Fallgruppe hin das Gesetz geändert; andere Fallgruppen werden vom Wortlaut genauso erfasst, aber nicht bedacht. Tausende von Abhandlungen, Schriftsätzen und Prozessen folgen; und für die Anwendung ganz anderer Normen werden tiefsinnige Rückschlüsse aus § 311 gezogen, obwohl dieser § 311 vielleicht anders formuliert worden wäre, wenn der Gesetzgeber weiter gedacht hätte.
Für den 20. Mai, 18 Uhr, hat SUPERillu Online ohnehin bereits einen Live Video-Chat zum Thema Mobbing angekündigt. Selbstversändlich können Sie - erstmals in einem Chat - zu dieser neuen Sach- und Rechtslage Ihre Fragen stellen.
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