In einem soeben bekannt gegebenen Urteil vom 12. Januar 2016 - Rodriguez Ravelo v. Spain (Beschwerdenr. 48074/10) - hält der EGMR es für rechtmäßig, dass ein Rechtsanwalt in einem Zivilrechtsstreit der Richterin Lügen und die Verzerrung der Wahrheit vorgeworfen hat. Der EGMR hielt dem Anwalt zugute:
Er habe sich zur Prozessführung der Richterin geäußert und im Rahmen der Vertretung der Interessen des Mandanten. Die Äußerungen des Rechtsanwalts seien zwar unhöflich gewesen, aber nur schriftlich ergangen und nur dem Gericht und den Streitparteien bekannt gewesen. Eine strafrechtliche Sanktionierung des Rechtsanwalts könne eine entmutigende Wirkung auf Rechtsanwälte haben, die im Sinne ihrer Mandanten handeln müssten.
Die Entscheidung des EGMR liegt nur in französischer Sprache vor.
Anmerkung
Mit dieser Entscheidung schließt der EGMR an seine bisherige Rechtsprechung an; auch speziell zu Richtern. So hat er am 3. November 2006, mit dem Az.: 60899/00, in gleichem Sinne den folgenden Fall entschieden:
Ein Journalist warf dem Linzer Richter in der österreichischen Tageszeitung „Der Standard” vor, er habe mit „schockierenden Beispielen aus der Tierwelt” eine hasserfüllte Hetzkampagne gegen Homosexuelle geführt und es sei zu bezweifeln, ob der Richter über die erforderliche „intellektuelle und moralische Integrität” verfüge. Der Journalist kritisierte darüber hinaus, Gerichtsverfahren müssten sich besser „von den Traditionen mittelalterlicher Hexenprozesse” unterscheiden.