„Gerechtigkeit als Beruf” ist der schöne Titel eines von Andreas Heldrich und Gerhard Schmidtchen im Jahre 1982 verfassten, nun vergriffenen Buches. Neu wurden aus Anlass des 65-jährigen Bestehens des BGH in der „Neue Juristische Wochenschrift NJW”, Heft 40/2015, zwei Aufsätze zum Thema veröffentlicht: R. Lamprecht, Der unrühmliche Start des Bundesgerichtshofs und N. Gross, Erinnerungsorte des Bundesgerichtshofs.
Der Versuch einer Aufarbeitung der Rechtsbeugung in der NS- und in der DDR-Zeit ist zwar noch einigermaßen bekannt. Weniger bekannt ist, dass der Bundesgerichtshof im Jahre 1995 in einem Urteil ausdrücklich eigene (!) Rechtsbeugung bedauern musste, weil auf Grund „folgenschweren Versagens der bundesdeutschen Justiz” NS-Richter nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden sind.
Die neuen Aufsätze in der NJW vermitteln ein erschreckendes Bild. Die Richter der neuen Zeit bildeten „ein emsiges, sich fleißig hochdienendes, gesetzestreues Heer, dem man seinen Urberuf nicht ansieht, weil es sich verbandsoffiziell als Staatsanwalts-Zwilling versteht”. So 1964 der in einem der Aufsätze zitierte, heute noch hoch geschätzte Jurist Jagusch in einem mit nur drei Sternchen gekennzeichneten Beitrag im Spiegel; damals war er BGH-Richter; Jagusch musste umgehend abtreten, als er sich als Autor bekannte.
Anmerkung: der richterliche Dezisionismus
Siehe auch in der Suchfunktion die Hinweise zu dem sich täglich auswirkenden, gegenwärtig nur begrenzt vermeidbaren richterlichen Dezisionismus. Er erstreckt sich über alle Rechtsgebiete und betrifft wahrlich nicht nur die NS- und die DDR-Zeit. Der richterliche Dezisionismus kann sich vor allem bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe auswirken. Presserechtliches Beispiel: „berechtigtes Interesse”. Die Wissenschaft wird nicht Herr des letztlich philosophischen und rechtspolitischen Problems. „Ach, der Richter ist so frei!”, hat der Vorsitzende des Pressesenats am OLG München a.D. Prof. Walter Seitz einmal in der NJW, wie andere vor ihm, die Rechtsprechung „geoutet”.