Der BGH beschäftigte sich in seiner Entscheidung vom 23.10.2014 (Az. I ZB 61/13) mit den Besonderheiten der Verkehrsdurchsetzung sowie deren Nachweis durch ein Verkehrsgutachten und entschied wie zuvor schon im Verletzungsverfahren zugunsten von Langenscheidt. Dabei führte das Gericht unter anderem aus, dass ein Verkehrsgutachten „häufig das zuverlässigste Beweismittel“ zur Feststellung der Verkehrsdurchsetzung sei.
Langenscheidt hatte die abstrakte Farbmarke „gelb“ mit einer Priorität aus dem Jahre 1996 angemeldet, erst im Jahre 2010 wurde sie als verkehrsdurchgesetzt für zweisprachige Wörterbücher in Printform eingetragen.
Da das „gelb“ im vorliegenden Fall immer zusammen mit Zweitzeichen („blaues L“) verwendet wurde, stellte das Gericht an die Art und Weise der Befragung der Verbraucher die Anforderung, dass die Farbe dem Verbraucher nur allein und nicht in der konkreten Verwendung zur Beurteilung vorgelegt werden dürfe.
Das Gericht blieb der ständigen Rechtsprechung treu, dass für die Frage der Verkehrsdurchsetzung zwar nicht von der Feststellung eines bestimmten Prozentsatzes an Verkehrsdurchsetzung auszugehen sei, die untere Grenze aber jedenfalls bei 50% liege. Mit 66% Verkehrsbekanntheit erfülle das „gelb“ seinen Zweck als Herkunftshinweis für zweisprachige Wörterbücher.
Da Langenscheidt bereits seit 1956 mit gelben Wörterbüchern auf dem Markt sei und die Farbe konstant über die Jahre für solche Wörterbücher genutzt habe, sei ferner davon auszugehen, dass die Marke auch im Jahr 1996 (demjenigen der Priorität) bereits verkehrsdurchgesetzt gewesen sei, obwohl dies erst mit Gutachten aus dem Jahr 2009 festgestellt worden war.
Grundsätzlich schadet ein langer Zeitraum zwischen Anmeldetag der Marke und Erstattungsdatum des Gutachtens dessen Verwertbarkeit. Bei Waren, die sich nicht schnell ändern, deren Marktentwicklung zuverlässig vorhersagbar ist und wenn die Umstände der Verkehrsdurchsetzung eindeutig sind, könne jedoch - so das Gericht - das Ergebnis des Gutachtens auf den früheren Zeitpunkt rückbezogen werden.
Anmerkung
Wenn Sie in unsere Suchmaschine eingeben „Content” und von dort aus: „Markt- und Sozialforschung für das Recht”, dann „Befragungstechnische Fehlerquellen bei repräsentativen Umfragen” in „Der Syndikus” finden Sie mit Beispielen die vom Verf. dieser Zeilen zeitaufwändig zusammen gestellte, vollständigste systematische Auflistung der bei repräsentativen Umfragen möglichen Fehlerquellen. Diese Zusammenstellung ist Teil der an der juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München gehaltenen Vorlesung: „Angewandte Rechtssoziologie”. Diese Vorlesung ist zur Zeit wegen Zeitmangels des Verfassers dieser Anmerkung ausgesetzt, soll später jedoch wieder fortgesetzt werden. Die Vorlesung wurde übrigens bereits von der ersten bis zur letzten Vorlesungsstunde, Oktober bis Februar zweistündig, aufgezeichnet.