Einerseits:
In der Regel wird angenommen, es müsse die eigene Sachkunde des Gerichts im Urteil dargelegt werden und zuvor seien die Parteien mit einem Hinweis auf die eigene Sachkunde des Gerichts zu „warnen“. So schon ausdrücklich BGH, Az.: III ZR 65/06.
Dieser Rechtsprechung gemäß hat der BGH neuerdings, Az.: VI ZR 204/14, die Vorinstanz korrigiert. Ein Richter am OLG hatte erklärt, er verfüge über ausreichend Verstand zu Pferden und benötige deshalb kein Gutachten eines Pferdesachverständigen einzuholen. Im Urteil schlug sich der besondere Pferdeverstand jedoch nicht ausreichend nieder. Der BGH hierzu wörtlich: „Wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, darf der Tatrichter auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag. Zudem muss das Gericht, wenn es bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen.“

Andererseits:
Ist dagegen die Fachkunde der Markt- und Sozialforscher rechtserheblich, entscheiden die Gerichte in der Regel auch mit Billigung des BGH aus Gründen der Praktikabilität aufgrund „eigener Sachkunde”. Am häufigsten wird so nach dem sog. europäischen Verbraucherleitbild verfahren. Die Gerichte erklären fortlaufend, sie könnten aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, wie - so eben dieses Leitbild - der „durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher” im Einzelfall auffasst. Nach den Maßstäben für den Regelfall (oben bei „Einerseits”) müsste diese Praxis jedenfalls erheblich modifiziert werden.

Anmerkung:
Dem Rechtsfrieden wäre schon erheblich geholfen, den Rechtssuchenden in den Urteilen zu offenbaren: Maßgeblich ist in diesem Falle, wie so oft im Recht, die Verkehrsauffassung. Niemand kann für den zu entscheidenden Fall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wissen, wie der „durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher auffasst. Eine Gruppe hat diese Auffassung, eine andere eine gegenteilige. Das Gericht muss sich nach freier Überzeugung für eine Auffassung entscheiden. Die unterliegende Partei befindet sich deshalb nicht nachgewiesenermaßen im Unrecht. Nur, das Gericht ist gezwungen, sich nach seiner Überzeugung zu entscheiden.
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