Zur besseren Übersicht heben wir die für die eilige Lektüre wichtigsten Stellen hervor.
Der BGH hat unter dem Az. V ZR 110/14, siehe Pressemitteilung, entschieden. Im Volltext liegt das Urteil noch nicht vor. Das Berufungsurteil wurde aufgehoben und die Sache an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen, weil das Landgericht bislang keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Rauch auf dem Balkon der Kläger als störend wahrnehmbar ist oder - wenn das zu verneinen sein sollte - ob im konkreten Fall von dem Tabakrauch gesundheitliche Gefahren ausgehen. Dem Berufungsgericht Potsdam gab der Bundesgerichtshof Folgendes mit auf den Weg:
Einem Mieter steht bei Immissionen, wie etwa Tabakrauch, grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch zu. Dies gilt jedoch nicht, wenn die mit dem Tabakrauch verbundenen Beeinträchtigungen nur unwesentlich sind. Maßgeblich ist wie ein „durchschnittlicher Mensch” empfindet. Ist die Geruchsbelästigung nur unwesentlich, kommt ein Abwehranspruch aber immer noch in Betracht, wenn Gefahren für die Gesundheit drohen.
Der Bundesgerichtshof hat für den Fall, dass eine als störend empfundene – also wesentliche – Beeinträchtigung vorliegt, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Unterlassungsanspruch allerdings nicht uneingeschränkt besteht. Das Maß des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigungen ist nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu bestimmen. Im Allgemeinen wird dies auf eine Regelung nach Zeitabschnitten hinauslaufen. Dem Mieter sind, so nimmt der BGH an, Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf. Die Bestimmung der konkreten Zeiträume hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
Anmerkungen
1. Die Schwierigkeiten mit unbestimmten Rechtsbegriffen
Der eine „durchschnittliche Mensch” empfindet so und der andere eben anders. Da die Verkehrsauffassung in der Regel in solchen Fällen nicht durch eine Umfrage ermittelt wird, entscheidet der Richter danach, wie er meint, dass „der durchschnittliche Mensch” empfindet. Zu Einzelheiten über den richterlichen Dezisionismus siehe mit Hilfe der Suchfunktion links unter „Verkehrsauffassung” und „ Dezisionismus”.
2. Die Vorgeschichte der Entscheidung und ein Blick auf andere Raucherfragen
Der BGH (Az. VIII ZR 37/07) hatte schon 2008 die Klage eines Vermieters abgewiesen und billigt es seither den Mietern ausdrücklich zu, auch in der Wohnung zu rauchen. Denn, so der BGH, Tabakkonsum geht nicht über den vertragsgemäßen Gebrauch der Mieträume hinaus. Auch die Entscheidung des Landgerichts Berlin (Az. 63 S 470/08) bestätigt nochmals, dass der Vermieter seinem Mieter nicht vorschreiben kann, wann und wo er rauchen darf. Diesmal hatte ein Mieter seine Miete um 50,- EUR monatlich gemindert, weil ihn der Zigarettenrauch eines Nachbarn störte. Er forderte vom gemeinsamen Vermieter, dafür zu sorgen, dass sein rauchender Mieter nur zu bestimmten Zeiten lüftet und in bestimmten Räumen gar nicht raucht. Das Gericht stellte klar, dass vertragsgemäßes Verhalten, wie das Rauchen, von Mietern ohne Mietminderung geduldet werden muss.
Die vom BGH nun überprüfte Entscheidung des Landgerichts Potsdam (Az.: 1 S 31/13) erweitert das mietvertraglich zulässige Rauchen ausdrücklich auch auf den Balkon. Nach der Auffassung des LG Potsdam hat ein anderer Mieter grundsätzlich gegenüber einem Mitmieter keinen Anspruch darauf, dass dieser das Rauchen auf seinem Balkon zu bestimmten Tageszeiten unterlässt. Das Gericht räumte zwar ein, dass die Schädlichkeit des Passivrauchens erwiesen sei. Dies beziehe sich aber nach der Ansicht des Gerichts auf geschlossene Räume. Im Freien dagegen sei allenfalls eine kurzfristige Belastung zu befürchten, wenn man sich in unmittelbarer Nähe eines Rauchers aufhält. Im entschiedenen Einzelfall schloss das Gericht angesichts des Höhenunterschieds zwischen den beiden Balkone von 3 Metern ein Gefährdung durch Passivrauchen aus.