Der Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin, eine alleinstehende finnische Mutter, hatte ca. 9 Monate eine Beziehung mit dem früheren finnischen Premierminister, welcher das Amt von Juni 2003 bis Juni 2010 bekleidete. Die Beschwerdeführerin verfasste über die Beziehung eine Autobiographie, welche Anfang 2007 veröffentlicht wurde. Darin berichtete sie allerdings nicht nur über den Gegensatz zwischen dem Leben einer alleinerziehenden Mutter und dem privilegierten Leben eines Premierministers, sondern äußerte sich u.a. auch konkret zu sexuellen Handlungen zwischen ihr und dem Premierminister. Der Premierminister hatte selbst in Interviews und Ähnlichem mehrfach Details aus seinem Privatleben preisgegeben und die Beziehung zur Beschwerdeführerin in einer eigenen Autobiographie im Jahr 2005 bekanntgemacht. Zu konkreten Vorgängen aus dem Intimbereich hatte er sich jedoch nie geäußert, wobei die Schilderungen in der Autobiographie der Beschwerdeführerin von ihm weder als unwahr angegriffen noch insoweit Schadensersatzansprüche geltend gemacht wurden.
Ein finnisches Berufungsgericht verurteilte die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Passagen in der Autobiographie, welche das Sexualleben zwischen ihr und dem Premierminister thematisierten, wegen einer Straftat der Verbreitung von Informationen, die die Privatsphäre rechtswidrig verletzen, zu einer Geldstrafe von insgesamt 300 € und ordnete den Verfall der Erträge aus der Straftat an. Das Revisionsgericht hob den angeordneten Verfall auf, bestätigte aber im Übrigen die Verurteilung. In ihrer Beschwerde vor dem EGMR machte die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit nach Beschwerde Nr. 73579/10 in einer Verurteilung keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 10 EMRK. Zwar liege durch die Verurteilung ein Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit der Beschwerdeführerin vor. Jedoch lasse Art. 10 EMRK Eingriffe in die Meinungsäußerungsfreiheit aus „dringenden sozialen Gründen“ zu, wobei zur Bestimmung derselben den nationalen Behörden und Gerichten ein Beurteilungsspielraum zukomme. Eine entsprechende Verletzung des Beurteilungsspielraums konnte der EGMR im vorliegenden Fall nicht erkennen.
Das Gericht verweist unter Abwägung der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 10 EMRK mit dem Recht auf Privatheit nach Art. 8 EMRK zunächst darauf, dass sich Politiker wegen ihrer herausgehobenen öffentlichen Stellung grundsätzlich auch eine Berichtserstattung gefallen lassen müssen, welche das Privatleben berührt; vorausgesetzt es handelt sich dabei um eine Berichterstattung zu Themen, die von allgemeinem öffentlichen Interesse sind. Die Beziehung eines Spitzenpolitikers zu einer alleinerziehenden Mutter und den „Ablauf“ dieser Beziehung sieht der EGMR als ein Thema von allgemeinem öffentlichen Interesse an. Hierbei spielte im vorliegenden Fall für den erlaubten weiten Umfang der zulässigen Berichterstattung eine Rolle, dass der Premierminister selbst Informationen zu seiner Familie, seinen Gewohnheiten und zur Beziehung zur Beschwerdeführerin in seiner Autobiographie preisgegeben hatte.
Allerdings sieht der EGMR unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung es als zulässig an, wenn die Meinungsäußerungsfreiheit für Äußerungen beschränkt wird, welche den Kernbereich der Privatsphäre betreffen. Dass die nationalen Gerichte dabei durch die Berichterstattung über das Sexualleben den Kernbereich der Privatsphäre als verletzt ansahen, ist nach dem EGMR nicht zu beanstanden. Der betroffene Premierminister habe Anspruch auf Schutz seines Rufes; zumal er selbst niemals Details zum Sexualleben mit der Beschwerdeführerin in der Öffentlichkeit genannt habe. Dabei zog das Gericht für die Zulässigkeit der Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auch noch in seine Erwägungen mit ein, dass die Beschwerdeführerin nur zu einer Geldstrafe von 300€ verurteilt worden war.