Wir hatten auf dieser Seite bereits am 23.10.2013 über den BGH-Beschluss zur Löschung der Marke „test“ vom 17.10.2013 (Az.: I ZB 65/12(BPatG) berichtet, die seinerzeitige Pressemitteilung des BGH verbreitet sowie die Entscheidung mit ihrem wesentlichen Inhalt dargestellt und kommentiert. Der dort dargestellte Durchsetzungsgrad war mit Hilfe einer Verkehrsbefragung ermittelt worden.
Aus den jetzt bekannt gewordenen Urteilsgründen ergibt sich ergänzend zugunsten der Empirischen Rechtstatsachenforschung, dass der BGH die Verkehrsbefragung nach wie vor für das häufig zuverlässigste Beweismittel hält, „wenn die Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung besondere Schwierigkeiten bereitet.“ Er hebt hervor, dass das Unionsrecht eine solche Befragung nicht verbiete, auch wenn nach der Rechtsprechung des EuGH eine Verkehrsbefragung nur eines von mehreren möglichen Mitteln zur Feststellung der Verkehrsdurchsetzung sei.
Auch eine bisher ungeklärte, aber im Einzelfall wichtige, Frage hat der BGH jetzt eindeutig entschieden: Fehlertoleranzen werden bei ausreichend großer Stichprobe (bei Bevölkerungsumfragen grundsätzlich mindestens 1000 Befragte, im zu entscheidenden Fall waren es 1788 befragte Personen) weder durch Zuschläge noch durch Abschläge berücksichtigt. Im zu entscheidenden Falle betrug der „Durchsetzungsgrad“ 43 % mit einer Fehlertoleranz von 2,3%. Der BGH betonte, dass zugunsten des Markeninhabers die Fehlertoleranz nicht zum Durchschnittswert hinzugezählt werden dürfe, weil an die Feststellungslast der die Löschung beantragenden Partei keine nahezu „unüberbrückbaren Beweisanforderungen“ gestellt werden dürfen. Sie dürfe aber auch nicht abgezogen werden, weil die Berücksichtigung des unteren Wertes in Fällen, „in denen die ermittelten Werte in einem Grenzbereich liegen, zur unberechtigten Löschung der Marke“ [weil Verkehrsdurchsetzung nicht nachgewiesen] führte. Geht man mit der Rechtsprechung davon aus, dass im Regelfall eine Verkehrsdurchsetzung nicht unterhalb von 50 % angenommen werden darf, gewinnt das Verbot, eine Fehlertoleranz zu berücksichtigen, entscheidende Bedeutung für den Bestand der Marke, wenn der ermittelte Durchschnittswert z.B. 49,2 % und die Fehlertoleranz 2,1% beträgt. In diesem Falle dürfte sie nicht eingetragen bzw. müsste, wenn sie eingetragen wäre, gelöscht werden, wenn man einer strikten Rechtsprechung und strikt der Grenze von 50 % folgt.
Anmerkung:
Soeben ist im Markt die Dissertation erschienen: Heiko Dobel, „Verkehrsauffassung und demoskopische Gutachten im Marken- und Wettbewerbsrecht” (Verlag Nomos). Sie enthält zahlreiche wichtige Ausführungen. Sie bestätigt, was auf unserer Homepage seit vielen Jahren vertreten wird; siehe bitte Suchfunktion: „Verkehrsauffassung”.