Dem Gesetz nach durften Rechtsanwälte bislang nur sehr begrenzt für ihre Leistungen werben. Berufsrechtlich ist hierzu in § 43b der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) geregelt:
Werbung ist dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtet ist.
Nun hat der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil I ZR 15/12 entschieden, dass der Anwalt auch um ein konkretes Mandat werben darf und das Werbeverbot des § 43b BRAO nur noch greift, wenn der Anwalt den potentiellen Mandanten belästigt, nötigt oder überrumpelt. Zugrunde lag der Fall einer Anwaltssozietät, die mit einem Schreiben bei den Kommanditisten einer insolventen Fondsgesellschaft um Mandate geworben hatte.
Der Bundesgerichtshof stützt seine Entscheidung auf die EG-Richtlinie 2006/123/EG vom 12.12.2006, über Dienstleistungen im Binnenmarkt, die in ihrem Art. 24 Abs.1 absolute Verbote der kommerziellen Kommunikation und somit absolute Werbeverbote für reglementierte Berufe untersagt. Er hat dabei insbesondere den Aspekt des aktuellen Beratungsbedarfs berücksichtigt und hierzu ausgeführt:

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass für die angeschriebenen Anleger ein der Beklagten bekannter aktueller Bedarf an anwaltlicher Beratung bestand, weil der Insolvenzverwalter der Fondsgesellschaft bereits in der Vergangenheit an diese Anleger herangetreten war, sie zur Rückzahlung von Ausschüttungen aufgefordert und teilweise bereits Ansprüche klageweise geltend gemacht hatte. Daraus lässt sich indessen noch keine hinreichend konkrete Beeinträchtigung der Interessen der Anleger entnehmen, weil in der Situation eines konkreten Beratungsbedarfs gerade ein Interesse der Anleger an einer bedarfsgerechten sachlichen Werbung bestehen kann.