Bemerkenswert ist vorab, dass es sich um eines der gar nicht so seltenen Fälle handelt, bei denen die beiden ersten Instanzen gegen einen Verlag entscheiden, und der Verlag den Mut haben muss, höchstrichterlich - und dieses Mal zu seinen Gunsten - entscheiden zu lassen. Am häufigsten ereignen sich diese Fälle im Äußerungsrecht in Hamburg und Berlin.
Der Bundgerichtshof hat mit uns jetzt zugegangenem Urteil vom 05.11.2013 (VI ZR 304/12) die auf Unterlassung identifizierbarer Berichterstattung gerichtete Klage einer Adoptivtochter Günther Jauchs abgewiesen und die Vorentscheidungen des Landgerichts und Oberlandesgerichts Hamburg aufgehoben.
Eine vom Burda Verlag herausgegebene Zeitschrift hatte einen Bericht zum Eheleben der Jauchs veröffentlicht und dabei auch die Kinder des Ehepaares namentlich benannt. Die (minderjährige) Klägerin berief sich auf das ihr von der Verfassung gewährte Recht auf informationelle Selbstbestimmung und den Vorrang des Schutzes Minderjähriger. Zunächst hatte sie mit der Klage Erfolg. Das OLG Hamburg befand – ohne überhaupt eine Interessenabwägung vorzunehmen – dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei Minderjährigen grundsätzlich schützenswerter sei als die Pressefreiheit.
Anders der BGH: Das Gebot der Rücksichtnahme auf die Persönlichkeit eines Kindes verpflichte die Presse zwar zu besonderer Sorgfalt bei der Prüfung, ob dem Informationsinteresse nicht auch ohne Namensnennung genügt werden könne; eine Regelvermutung für den Vorrang des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber der Pressefreiheit bestehe jedoch nicht schon dann, wenn der Schutz von Kindern oder Jugendlichen in Rede stehe.
Der zu beurteilenden Fall wies zudem die Besonderheit auf, dass der Verlag mehrere Presseveröffentlichungen aus der Vergangenheit vorlegen konnte, in denen unter Nennung des Vornamens und des Alters der Klägerin berichtet wurde. Zudem führte eine „Google“-Suche unter Eingabe der Daten der Tochter – bereits zur Zeit der Entscheidung durch das Landgericht - zu einer Vielzahl von Treffern, die auf die Klägerin hinwiesen. Aufgrund des daraus folgenden Umstandes, dass die persönlichen Daten einer breiten Öffentlichkeit bereits bekannt waren und weiterhin zugänglich sind, sei das Gewicht des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – so der BGH – in einem solch erheblichen Maße gemindert, dass den schutzwürdigen Belangen der Presse der Vorrang einzuräumen sei.