Der Fall
Die Tochter, die ihr erstes Studium nach dem zweiten Semester aufgab, danach zunächst für sieben Monate nach Australien reiste, anschließend ein Praktikum absolvierte und eineinhalb Jahre nach dem Abbruch des ersten Studiums ein neues Studium anfing, verlangte von ihrem Vater auch für die Zeit des neuen Studiums Unterhalt und führte dafür an, nach dem Abbruch des ersten Studium handle es sich bei dem neuen Studium noch um eine Erstausbildung. Die Zeit zwischen den beiden Studiengängen sei als Zeit der Orientierungsphase ebenfalls noch angemessen.
Die Entscheidung
Das OLG Hamm (7 UF 166/12) urteilte, dass der Tochter gegen ihren Vater in der Tat auch ein Unterhaltsanspruch für das neu aufgenommene Studium zustehe. Dieser ergebe sich aus § 1610 Abs. 1 und Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB.
Generell führte das Gericht aus, jedes Kind habe grundsätzlich einen Anspruch auf eine Berufsausbildung. Auch ein 24jähriges Kind könne eine Ausbildung oder ein Studium beginnen und hierfür Unterhalt verlangen, wenn die Eltern noch damit rechnen müssten, auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden.
Der Ausbildungunterhalt könne nur dann versagt werden, wenn nachhaltig über einen längeren Zeitraum die Ausbildungsobliegenheit verletzt werde und den Eltern weitere Unterhaltungsleistungen nicht mehr zugemutet werden könnten. Dem Kind sei zur Berufsfindung in der Regel eine Orientierungsphase zuzubilligen, deren Dauer unterschiedlich sei und sich nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen richte.
Vorliegend sei vor allem auch zu berücksichtigen, dass die Tochter keine leichte Kindheit und Jugend gehabt habe, weil sie aufgrund des Berufs des Vaters ständig den Wohnort habe wechseln müssen und außerdem unter der im weiteren Verlauf erfolgten Trennung der Eltern leide.
Anmerkung, insbesondere zum Dezisionismus
Insofern (keine leichte Kindheit und Jugend, Trennung der Eltern) betrifft die vorliegende Entscheidung einen Spezialfall. Aber es lassen sich ihr durchaus wichtige Hinweise in Bezug auf die Pflicht zur Zahlung von Unterhalt während der Ausbildungszeit entnehmen. Das Urteil zeigt sogar wieder einmal die Macht des Dezisionismus. Offenbar hat die Studentin einen Eindruck hinterlassen, der das Gericht veranlasste, nach seinen Vorstellungen zugunsten der Studentin zu entscheiden. Siehe zum „Dezisionismus” bitte in der Suchfunktion.