Die Bundesrepublik Deutschland wurde vom Europäischen Gericht für Menschenrechte (EGMR) (Beschwerde-Nr.: 18734/09) wegen eines vermeidbaren Fehlurteils verurteilt, das im Zusammenhang mit dem Sorgerechtsentzug gem. §1666a Bürgerliches Gesetzbuch, BGB, erging.
Die Eltern legten Atteste von Ärzten vor, dass es keinerlei Hinweise gebe, dass den Kindern Gewalt wiederfahren sei, dass die Tochter tatsächlich beim Ausflug erkrankt war. Die Zeugnisse zeigten gute Noten und angemessenes Sozialverhalten. Beide Kinder hätten am Sportunterricht teilgenommen, hierbei seien Gewalteinwirkungen nicht festgestellt worden. Die Eltern trugen vor, dass die Tochter die Geschichte erfunden haben könne, da sie zu einer lebhaften Phantasie neige.
Im einstweiligen Anordnungsverfahren wurde vorläufig das Sorgerecht entzogen und die Kinder in eine Einrichtung des Jugendamts untergebracht.
Im Hauptsacheverfahren wurde ein Glaubwürdigkeitsgutachten nicht eingeholt, da trotz „lebhafter Phantasie“ eine Lüge auszuschließen sei, weil die Tochter an ihrer Geschichte so lange festgehalten habe.
Das Oberlandesgericht lehnte die Beschwerde der Eltern ab, und schloss sich nach Aktenlage den Einschätzungen des Familiengerichts an. Insbesondere sei das Alter allein kein maßgeblicher Umstand, der die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens erforderlich mache.
Das Bundesverfassungsgericht nahm die hiergegen gerichteten Beschwerden nicht an, die Eltern erhoben Klage vor dem EGMR, wegen Eingriffs in das Recht auf Achtung des Familienlebens, Art 8 Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK.
Ca. neun Monate nach der Unterbringung der Kinder in eine Einrichtung des Jugendamts offenbarte die Tochter, dass sie gelogen hatte.
Die Eltern sind österreichische Staatsbürger, leben in Deutschland und sind türkischer Herkunft.
Das Europäische Gericht für Menschenrechte verurteilte die Bundesrepublik Deutschland wegen mangelnder Sachverhaltsaufklärung im Hauptsacheverfahren:
Unbestritten wurde durch die Eilmaßnahme und das Hauptsacheurteil wegen des Entzugs des Sorgerechts und der Unterbringung in das Recht auf Achtung des Familienlebens eingegriffen.
Das Europäische Gericht für Menschenrechte sprach im Wesentlichen ca. € 1.800 als materieller Schaden den Ersatz der Kosten der Unterbringung zu, die die Eltern als Schuldner tragen mussten sowie jeweils € 25.000 als immaterielle Entschädigung.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen