Worum geht es?
Müssen Fernsehsendungen mit Service- und Ratgeberfunktion, die sich monothematisch mit gesellschaftspolitisch relevanten Themen beschäftigen, umfassend die hierbei wesentlichen Aspekte besprechen? Das Schweizerische Bundesgericht (Az.: 2C_1246/2012) bejaht diese Frage. Im entschiedenen Fall strahlte das Schweizerische Fernsehen (SRG) einen ca. halbstündigen Bericht zum Thema „Botox“ aus, ohne dass der Bericht die für die Produktion von „Botox“ notwendigen massenhaften Tierversuche erwähnte.
Auf eine Beschwerde mehrerer Personen hin verlangte die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) von der SRG per Bescheid, dass diese insbesondere dafür Sorge trage, dass sich dieser Mangel zukünftig nicht wiederhole. Der Aufhebungsantrag der SRG zum Schweizerischen Bundesgericht blieb ohne Erfolg. Das Bundesgericht sah in der Fernsehsendung einen Verstoß gegen das Sachgerechtigkeitsgebot des Art. 4 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG). Die Vorschrift bestimmt, dass redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen müssen, so dass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann.
Das Gericht sieht dabei die ethische Rechtfertigung der Tierversuche für den Einsatz von „Botox“ für kosmetische Zwecke als anerkannte Problematik und damit als relevante Information an. Die journalistische Sorgfaltspflicht gebiete es daher, dass in einer monothematischen Servicesendung mit einer Länge von ca. 30 Minuten dieser Aspekt nicht übergangen werden darf. Hieran änderte auch die Tatsache nichts, dass das Problem in den programmbegleitenden Informationen zur Sendung im Internetangebot des Senders besprochen wurde. Denn die Sendung selbst muss den Vorgaben des Art. 4 Abs. 2 RTVG entsprechen.
Entscheidung auf Deutschland übertragbar?
Insbesondere in den Art. 3 und Art. 41 Rundfunkstaatsvertrag finden sich nur allgemeine Grundsätze für Rundfunkprogramme (Achtung der Menschenwürde usw.) und keine dem Art. 4 Abs. 2 RTVG vergleichbare Regelung. Allerdings sehen die Landesmediengesetze für Rundfunkprogramme ebenfalls in den Vorschriften zur den Programmgrundsätzen eine Konkretisierung der journalistischen Sorgfaltspflichten vor. So bestimmt etwa Art. 5 Abs. 2 BayMG, dass Berichtserstattung und Informationssendungen den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen haben und hierbei unabhängig und sachlich sein müssen. Da zu den journalistischen Grundsätzen auch die Pflicht zur umfassenden und ausgewogenen Berichterstattung gehört, müssen auch deutsche Rundfunkprogramme alle wesentlichen Aspekte eines gesellschaftspolitisch relevanten Themas beleuchten.