Zum Hintergrund
Zwei Unternehmen stritten um eine Werklohnforderung. Während des Prozesses lehnte die Klägerin den für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständigen Einzelrichter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Unter anderem stützte die Klägerin ihr Gesuch darauf, dass zwischen dem abgelehnten Richter und einem Vorstandsmitglied der Beklagten ein besonderes Näheverhältnis bestünde, da beide Personen in demselben Ortsteil (mit 800 Einwohnern) aufgewachsen und – wie bereits Angehörige beider Familien auch – Mitglieder in demselben Schützen- sowie dem Heimatverein seien. Außerdem würden sich der abgelehnte Richter und das Vorstandsmitglied der Beklagten im Alltag „duzen“, wohingegen man sich anlässlich der mündlichen Verhandlung mit „Sie“ angeredet habe. Letzteres lasse den Rückschluss zu, dass das persönliche Näheverhältnis in der Sitzung bewusst verschwiegen worden sei.
Die Entscheidung
Das Landgericht wies das Ablehnungsgesuch zurück, auch die sofortige Beschwerde beim OLG Hamm blieb erfolglos. In seiner Entscheidung Az. I-1 W 20/12 kommt das OLG u.a. zu dem Ergebnis, dass aus der Tatsache allein, dass sich der abgelehnte Richter und eine Partei im Alltag duzen, nicht auf das Vorliegen einer nahen persönlichen Beziehung geschlossen werden könne. Im vorliegenden Fall sei die Anrede unschwer auf die gemeinsam Herkunft aus einem kleineren Ortsteil mit einer überschaubaren Einwohnerzahl zurückzuführen. Auch die Tatsache, dass der abgelehnte Richter in der mündlichen Verhandlung eine förmliche Anrede mit „Sie“ gewählt habe, rechtfertige nicht die Besorgnis der Befangenheit. „(…) Es entspricht nach wie vor üblichen und verbreiteten Gepflogenheiten, dass sich die Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung – wie auch im Schriftverkehr – selbst dann nicht „duzen“, wenn sie z.B. aufgrund eines gemeinsamen Ausbildungsabschnitts, eines früheren Ausbildungsverhältnisses, einer mehrjährigen Kollegialität oder auch einer freundschaftlichen Beziehung miteinander bekannt bzw. vertraut sind. (…)“. Im Ergebnis sei daher das gesamte Vorbringen der Klägerin nur darauf ausgerichtet gewesen, ein vermeintliches Näheverhältnis durch schlichte Mutmaßungen zu konstruieren.