Zum Hintergrund
In einem Verfahren um einen ärztlichen Behandlungsfehler wurde Beweis zu der Frage erhoben, ob die Klägerin bei einer Geburt nach den Regeln der ärztlichen Kunst behandelt worden war. Der Sachverständige setzte sich kräftig über den Beweisbeschluss hinaus. Die Beklagte stellte daher einen Befangenheitsantrag nach Beschluss Az. 10 W 69/11 dagegen statt. Indem der Gutachter sich über die Frage eines möglichen Behandlungsfehlers hinaus mit der aus seiner Sicht formellen Unvollständigkeit des Aufklärungsbogens auseinandersetzte, überschritt der Gutachter aus Sicht des Gerichts erheblich die Grenzen seines Auftrags. Dadurch erweckte er den Eindruck, die Versorgung Schwangerer sei in der Klinik der Beklagten insgesamt unzulänglich. Die im Gutachten folgende, unaufgeforderte Empfehlung eines Schmerzensgelds in Höhe von EUR 50.000, das die von der Klägerin geforderte Mindestangemessenheitsgrenze um EUR 20.000 überschritt, stellte im Ergebnis zudem eine unzulässige, rechtliche Bewertung von schmerzensgeldrelevanten Bemessungsfaktoren dar.

Einzelheiten aus der Begründung
„Es geht bei medizinischen Sachverständigengutachten nicht darum, losgelöst vom Beweisbeschluss und Gutachtenauftrag sämtliche aus der vorliegenden Dokumentation ablesbare Unzulänglichkeiten und Fehler aufzuzeigen, wie dies der Sachverständige (…) zu meinen scheint. Auch die dort angeführten generalpräventiven Erwägungen des Sachverständigen rechtfertigen die ganz massive Sprengung der vom Beweisbeschluss gezogenen Grenzen des Gutachtenauftrags nicht. Es ist gerade nicht die Aufgabe des Sachverständigen, unaufgefordert eine „Empfehlung“ zur Höhe eines auszuurteilenden Schmerzensgeldes abzugeben.“
Anmerkung
Die Sachverständigenvergütung gemäß § 413 ZPO wurde dem Gutachter aber nicht versagt, da, so das Gericht, ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nicht vorgeworfen werden konnte.