Wir berichten ausführlicher, weil die Entscheidung zwar schon am 8. Dezember getroffen, aber noch nicht veröffentlicht wurde (Nachtrag: Nun können Sie die Entscheidung 1 BvR 927/08 hier im Volltext nachlesen). Sie ist von grundsätzlicher Bedeutung. Das Bundesverfassungsgericht hat wieder einmal die Urteile der Fachgerichte auf ein Normalmaß zurecht gerückt.
Im Rahmen einer Reiseberichterstattung darf die Presse auch mitteilen, wenn Prominente einen Urlaubsort frequentieren, und wie sie sich dort geben. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss entgegenstehende Urteile des Landgerichts und des Kammergerichts Berlin aufgehoben. Die Pressemitteilung des Gerichts ist hier abrufbar.
Mit seinem Beschluss vom 8. Dezember 2011 gab das Gericht einer Verfassungsbeschwerde des von der Kanzlei Prof. Schweizer vertretenen Verlags statt. Ausgangspunkt: Ein sechsseitiger BUNTE-Artikel über die Skiregion Arlberg, den Sie hier ansehen können. Im Text wurden eine Reihe von Prominenten erwähnt, von denen bekannt ist, dass sie dort Urlaub gemacht haben – darunter auch Caroline von Hannover.
Unter anderem wurde mitgeteilt, dass sie sich an ihrem Urlaubsort unauffällig gibt und z.B. ihre Skier selbst trägt. Die Berliner Instanzgerichte hielten dies im Jahr 2008 für rechtswidrig und verschlossen auch den Weg zum BGH, so dass nur die Verfassungsbeschwerde blieb. Hauptargument des Bundesverfassungsgerichts: Auch eine Berichterstattung darüber, wo Prominente (bekanntermaßen) ihren Urlaub verbringen, steht unter dem Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit. Das gilt auch für allgemeine Beschreibungen, wie sie sich an ihrem Urlaubsort geben. Überwiegende schutzwürdige Interessen stehen nicht entgegen.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Sicht mit seinem Beschluss bestätigt und damit seine Rechtsprechung zur Textberichterstattung über Prominente ausgebaut. Die Erwägungen der Instanzgerichte, mit denen diese ihr Verbot begründet hatten, entsprächen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Kernsätze aus der Pressemitteilung:
„Das allgemeine Persönlichkeitsrecht bietet im Bereich der Wortberichterstattung keinen so weitreichenden Schutz wie bei der Veröffentlichung von Bildern. Es schützt nicht schon davor, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden, sondern bietet nur in spezifischen Hinsichten Schutz (...) Außer unter dem Gesichtspunkt des Schutzes am gesprochenen Wort bietet das allgemeine Persönlichkeitsrecht aber keinen Schutz vor personenbezogenen Äußerungen unabhängig von ihrem Inhalt.“
„[Die angegriffenen Entscheidungen berücksichtigen] nicht hinreichend, dass die streitgegenständlichen Äußerungen nicht den Schwerpunkt des Artikels bildeten, sondern ihnen nur eine illustrierende Bedeutung im Rahmen eines allgemeinen Berichts über das Skigebiet Arlberg und sein Publikum zukam. Im Rahmen eines solchen Berichts kann ein Informationsinteresse daran, dass die Anziehungskraft der Gegend auf Prominente auch konkretisierend mitgeteilt wird, nicht ohne weiteres verneint werden, zumal dadurch – im Hinblick auf die Leitbildfunktion Prominenter – für die Leserschaft die Frage nach Art und Ort der eigenen Urlaubsgestaltung angesprochen und damit Anlass für eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte gegeben wird.“
Anmerkung: Soweit ersichtlich, verwendet das Gericht in der Pressemitteilung erstmals den Begriff „äußere Privatsphäre“, um einen weniger stark geschützten Bereich zu kennzeichnen. Das Gericht lehnt seit jeher eine schematische Zuordnung zu „Sphären“ ab, was im äußerungsrechtlichen Alltag nicht immer genügend beachtet wird.