Viele von Ihnen haben in den letzten Tagen sicher davon gehört und gelesen:
Der BFH hat in zwei Grundsatzurteilen vom 28.7.2011 (VI R 38/10 und VI R 7/10) entschieden, dass grundsätzlich Kosten für die Ausbildung steuerlich absetzbar sind.
Geklagt hatten eine Ärztin und ein Pilot. Beide wollten die Kosten für ihre Ausbildung /ihr Studium als Werbungskosten steuerlich geltend machen. Nachdem die Vorinstanzen die Klagen zunächst abgewiesen hatten, hob der BFH die klageabweisenden Urteile auf.
Nach Ansicht des BFH sind die Kosten für eine erste Ausbildung Werbungskosten, soweit sie durch den späteren Beruf veranlasst sind. Das gilt auch, wenn noch keine Einkünfte aus der beruflichen Tätigkeiten in den jeweiligen Kalenderjahren vorliegen. Es besteht kein Vorrang für Sonderausgaben, da § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG bestimmt, dass Ausbildungskosten nur dann als Sonderausgaben abziehbar sind, wenn keine Werbungskosten vorliegen. Dies ist aber gerade der Fall. Auch wird der Werbungskostenabzug nicht durch § 12 Nr. 5 EStG ausgeschlossen, so der BFH; denn dieser ist ebenfalls nur anwendbar, soweit keine Werbungskosten gem. § 9 EStG vorliegen. Das Finanzamt könne sich auch nicht auf den Willen des Gesetzgebers stützen, weil dieser Wille nicht hinreichend konkretisiert sei.
Was bedeuten diese Urteile nun ganz konkret?
1. Möglich ist ein Nichtanwendungserlass. Das Bundesfinanzministerium kann die Finanzämter anweisen, die Urteile außerhalb der beiden Klagen nicht anzuwenden. In diesem Fall müssten Steuerpflichtige auf die Anerkennung ihrer Ausbildungskosten als Werbungskosten klagen. Gegen den Erlass eines Nichtanwendungserlasses spricht unter anderem, dass die Neuordnung der Ausbildungskosten im Koalitionsvertrag der Union und der FDP vereinbart wurden.
2. Was die Begünstigten jetzt tun sollten. Grundsätzlich können jetzt u.U. bis zu sieben, mindestens jedoch fünf Jahre rückwirkend Ausbildungskosten als Werbungskosten angesetzt werden. Einkünfte in den jeweiligen Jahren sind nicht erforderlich. Man sollte dabei einen Antrag auf Feststellung des Verlustvortrages stellen. Dann werden die Verluste mit dem späteren Einkünften verrechnet, so dass man u.U. in dem ersten Jahr beruflicher Tätigkeit kaum oder überhaupt keine Steuern zahlen muss.
Als Werbungskosten angesetzt werden können sämtliche Ausgaben, die durch den späteren Beruf veranlasst sind. Dies sind auf alle Fälle Studiengebühren, Lehrbücher, Laborgebühren, Fahrten zur Uni, u.U. auch Computer und Kosten für eine doppelte Haushaltsführung (Miete, Heimfahrten), wenn der Studienort nicht mit dem Wohnort identisch ist. Zu denken ist auch an Pauschalen bei Auslandsaufenthalten. Bei den letzten Aspekten bleibt aber abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung hierzu stellt, und ob letztlich der BFH diese Kosten als beruflich veranlasst ansehen wird.