Bekanntlich wurden die Verteidiger Birkenstock und Schroth vom Angeklagten abberufen, RA Schwenn erhielt das Mandat. Die genauen Umstände der Mandatierung verbleiben bis jetzt unklar. Es wird jedoch offenbar allgemein, aber nur jeweils in Teilen über das Thema diskutiert. Wir referieren deshalb etwas ausführlicher:
A. Zum Sachverhalt
a. Buch Rickert/Schwenn
Sabine Rückert hat gemeinsam mit RA Schwenn zwei, wie angenommen wird, Fehlurteile aufgedeckt und darüber das Buch „Unrecht im Namen des Volkes“ geschrieben.
b. Kontakt Rückert/Birkenstock - Mai 2010
Die Süddeutschen Zeitung schreibt über einen Kontakt im Mai 2010 zwischen Frau Rückert und RA Birkenstock, dem vormaligen Verteidiger Kachelmanns:

„Der Name des Hamburger Anwalts Schwenn ist allerdings bereits in einem sehr frühen Stadium des Kachelmannverfahrens aufgetaucht. Im Mai 2010 - da saß Kachelmann noch in Untersuchungshaft - hatte Birkenstock Kontakt mit der ZEIT-Reporterin Sabine Rückert aufgenommen und um Unterstützung gebeten. Rückert, die ein Buch über ein spektakuläres Fehlurteil in einem vermeintlichen Vergewaltigungsfall geschrieben hat, gab Birkenstock zu verstehen, dass sie seine Verteidigung für unzureichend halte und stellte zur Bedingung, dass er Johann Schwenn mit ins Boot nehme. Das lehnte Birkenstock ab.
c. Fundamentalkritik Rückerts an Birkenstock - Juni 2010
In einem Beitrag der ZEIT rügte Frau Rückert RA Birkenstocks „Schmusekurs“ und „Durchsetzungsschwäche“. Es sei zu befürchten, dass Birkenstock „nicht das gesamte der Verteidigung zu Gebote stehende Instrumentarium der Strafprozessordnung gleichermaßen virtuos (beherrsche)“, schrieb die Journalistin.
d. Kritik Rückert - September 2010
Telefonisch äußerte Frau Rückert laut mediummagazin.de:
“Nach einigen Telefonaten mit Herrn Birkenstock hatte sich der Eindruck, den ich aus den Presseberichten bereits gewonnen hatte, verfestigt: Der Fall sah nicht gut aus für Herrn Kachelmann und ich hatte einen mit der Sache ziemlich überforderten Rechtsanwalt vor mir, ... Da ich den Eindruck hatte, dass der Fall ihm über den Kopf gewachsen war, riet ich ihm außerdem, einen weiteren Verteidiger, den er mir gegenüber als seinen alten Freund bezeichnete, mit ins Mandat zu nehmen. Besagter Verteidiger ist Spezialist für Sexualdelikte, er bearbeitet derzeit den siebten Wiederaufnahmefall einer Falschbeschuldigung erfolgreich. Kachelmann konnte von seiner Erfahrung nur profitieren.”
e. Cicero - Dezember 2010
In Cicero meldet sich Herr RA Schwenn selbst zu Wort und kritisiert unter der Überschrift: „Kachelmann-Prozess: Die Pest unserer Tage“ mit dem Untertitel „Der Strafprozess gegen Jörg Kachelmann droht zu entgleisen....“ die Mannheimer Justizbehörden. Zwar erwähnt er die bisherigen Verteidiger des Herrn Kachelmann nicht, geht jedoch allein schon im Untertitel negativ auf sie ein.
f. Strafverteidiger - Dezember 2010
Fast zeitgleich erscheint in der Zeitschrift „Strafverteidiger” ein Aufsatz von ihm: „Fehlurteile und ihre Ursachen – die Wiederaufnahme im Verfahren wegen sexuellen Mißbrauchs“.
g. RA Schwenn ersetzt RA Birkenstock und RA Schroth
Bekanntlich wurden die Verteidiger Birkenstock und Schroth vom Angeklagten abberufen, Herr RA Schwenn erhielt das Mandat. Die genauen Umstände der Mandatierung verbleiben unklar.
h. Lob durch Rückert - Dezember 2010
Frau Rückert lobt den Verteidigerwechsel in der ZEIT:
„...Mit seinem neuen Rechtsanwalt hat sich Kachelmann jedenfalls einen Spezialisten für Sexualstrafsachen ausgesucht. .... Und nun also Kachelmann: Schwenn steigt zwar spät ins Verfahren ein, aber nicht zu spät. Die für diesen Prozess wesentliche Gutachterphase steht unmittelbar bevor. ... Mit Schwenns Auftauchen dürfte der Prozess Fahrt aufnehmen. Für Richter und Staatsanwälte ist er eine Nervensäge. Kein Konflikt, dem er aus dem Weg ginge.“
i. FOCUS - Dezember 2010
Der Herausgeber des FOCUS - ein Verlag, den wir in Rechtsangelegenheiten ständig vertreten - schließt aus dieser Entwicklung in seinem Tagebuch, dass der neue Anwalt „das Mandat mit einer Methode erobert [habe], die viele seiner Kollegen für unanständig und standeswidrig“ hielten.

B. Die eventuell erheblichen rechtlichen und ethischen Normen
Für deutsche Anwälte gelten standesrechtliche Vorschriften. Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Als solches ist er gehalten, konkrete Berufspflichten einzuhalten. Die standesrechtlichen Vorschriften sollen dazu führen, dass die Rechtsanwälte sich innerhalb und außerhalb der jeweiligen beruflichen Tätigkeit der Stellung eines Rechtsanwalts als würdig erweisen. Rechtsgrundlagen für die verschiedenen standesrechtlichen Regelungen sind vor allem in den unseren Beitrag vom 29.07.2009). Dort führte der EuGH im Zusammenhang mit der Werbung für Arzneimittel aus:
„Werbung für Arzneimittel“ [sind] „alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern ...“
Da - wie immer - alle Umstände des Einzelfalls bewertet werden müssen, bleibt diese Frage zum jetzigen Zeitpunkt offen.