Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof mit dem jetzt vorliegendem Urteil Az.: I ZR 180/07 den Einsatz ungesicherter Verkaufshilfen im Zeitungsvertrieb (sog. „Stumme Verkäufer“) für wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig erklärt. Bei „stummen Verkäufern“ handelt es sich um nicht gesicherte Verkaufsautomaten, aus denen aktuelle Tageszeitungen entnommen werden können, ohne dass kontrolliert wird, ob der Kunde den Verkaufspreis anschließend auch tatsächlich entrichtet.
Die Argumentation der Kläger:
Die Kläger hatten sich darauf berufen, dass die beanstandeten Verkaufshilfen dazu verleiteten, die in den Verkaufsautomaten angebotenen Zeitungen ohne Bezahlung zu entnehmen, die Zeitungen somit faktisch gratis abgegeben werden würden. Dieser ungesicherte Vertrieb diene allein der künstlichen Auflagensteigerung, führe zu einem „übertriebenen Anlocken“ und einer wettbewerbswidrigen Marktstörung, so der Kläger weiter.
Die neue Sicht des BGH:
Der BGH folgte dieser Argumentation nicht: Zwar dürften Waren nicht mit dem Ziel verschenkt werden, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Der Vertrieb über „stumme Verkäufer“ begründe aber eine solche Gefahr nicht. Nach der Lebenserfahrung läge es vielmehr fern, dass die Kunden durch die ihnen eröffnete und zum Teil auch wahrgenommene Möglichkeit der weithin gefahrlosen Entwendung von Zeitungen nachhaltig beeinflusst werden und in Zukunft bei deren entgeltlichem Erwerb nicht mehr rational entscheiden könnten, welchem Angebot sie den Vorzug geben. Es bestünde aufgrund der fehlenden Anlockwirkung auch keine Gefahr, dass andere Wettbewerber aus dem Markt gedrängt würden bzw. der Wettbewerb auf dem fraglichen Markt erheblich eingeschränkt werde.
Im Streitfall kam hinzu, dass die Beklagte sich gegenüber den Klägern bereits verpflichtet hatte, auf den Verkausautomaten einen deutlichen Hinweis anzubringen, demzufolge die Zeitung nur gegen Bezahlung des Kaufpreises entnommen werden dürfe, Diebstahl verfolgt werde und Kontrolleure im Einsatz seien.
Die frühere Rechtsprechung des BGH:
Mit dem Urteil hat der BGH seine gegenteilige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1996 (GRUR 1996, 778; Az.: I ZR 1/94) hatte er nämlich noch die gegenteilige Ansicht vertreten und den Einsatz von „stummen Verkäufern“ als wettbewerbswidrig untersagt. Die damalige Rechtsprechung müsse – so der Senatsvorsitzende – im Lichte zweier Entscheidungen aus dem Jahre 2003 gesehen werden. Mit diesen hatte der BGH die Verteilung von Gratis-Zeitungen seinerzeit erlaubt, weil Neulinge auf dem Zeitungsmarkt sonst keine ausreichenden Chancen gegen die „Platzhirsche“ hätten. Der Vorsitzende hierzu wörtlich in der mündlichen Verhandlung: „Inzwischen ist die Welt nicht mehr ganz so wie 1996“.