Am 23.04.2010 hatten wir hier über den Prozesserfolg von Focus gegen das Land Baden-Württemberg berichtet: Das Land muss der Zeitschrift „Focus-Schule“ Abi-Durchschnittsnoten, Durchfaller- und Abbrecherquoten aller Schulen in Baden-Württemberg herausgeben. Ganz aktuell eingetroffen sind nun die Urteilsgründe. Die vollständige Entscheidung ist hier abrufbar.
Bemerkenswert: Das Verwaltungsgericht stützt den Anspruch auf § 55 Abs. 3 i. V. m. § 9a des Rundfunk- und Telemedienstaatsvertrags (RStV). Damit war die Frage hinfällig, ob die Informationen für die Veröffentlichung in der gedruckten oder in der elektronischen Presse verwendet werden. Die Existenz dieses Auskunftsanspruchs, der für alle journalistisch-redaktionell gestalteten Telemedien gilt, ist manchen Angebotsbetreibern (und vielen Behörden) möglicherweise noch gar nicht bewusst.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart prüft in den Entscheidungsgründen systematisch alle möglichen Auskunftsverweigerungsgründe, da die Behörde sich (wie in solchen Fällen üblich) auf alle in Betracht kommenden Gründe berufen hatte. Wie ebenfalls in diesen Fällen typisch, greift jedoch aus Sicht des Gerichts kein einziger Aspekt durch. Besonders wichtig sind die folgenden Kernsätze der Urteilsbegründung (S. 8 f., Hervorhebung durch uns):
„Dem Auskunftsanspruch aus § 9a RStV, aber auch dem fast identischen Auskunftsanspruch aus den Landespressegesetzen, liegt das durch Art. 5 Abs. 1 GG garantierte Recht der Medienfreiheit zu Grunde, das nicht zuletzt das Recht beinhaltet, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, mit dem Ziel, es dem Bürger zu ermöglichen, frei und vom Staate unbeeinflusst seine eigene Meinung zu bilden. Aus dieser grundrechtlichen Garantie folgt, dass allein die Möglichkeit, dass aufgrund bestimmter veröffentlichter Informationen falsche - oder auch nur aus staatlicher Sicht unerwünschte - Schlussfolgerungen gezogen werden, allenfalls dann als eine Gefahr für überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des § 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RStV (oder der Landespressegesetze) angesehen werden könnte, wenn die Auswirkungen der befürchteten Schlussfolgerungen von ganz erheblichem Gewicht wären. Allein die mutmaßliche Neigung von Eltern, ihre Kinder vermehrt auf Schulen zu schicken, deren Schüler in der Vergangenheit im Vergleich zu anderen Schülern bessere Leistungen erzielt haben, reicht hierzu nicht aus, wobei bereits fraglich ist, ob eine solche Neigung überhaupt generell besteht.“
Anmerkung: Fast immer wird eine Auskunftsverweigerung auch auf datenschutzrechtliche Belange gestützt. Dies fruchtete im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil gar nicht erkennbar war, wie aus den angeforderten statistischen Daten auf Einzelpersonen hätte rückgeschlossen werden können (s. Seite 11 f. des Urteils).