Das Kammergericht hat mit einem uns vor einer Woche zugestellten Urteil Az.: 9 U 32/09 eine gegenteilige Entscheidung des Landgerichts Berlin aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Fall und das erstinstanzliche Urteil:
Die Zeitschrift „SUPERillu“ hatte in Zusammenhang mit einem Bericht über den neuen Lebensgefährten einer Schauspielerin dessen frühere Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR aufgedeckt. Das Landgericht gab seiner Unterlassungsklage im wesentlichen mit der Begründung statt, er habe sich der Öffentlichkeit nicht als ehemaliger Stasi-Informant „präsentiert“, der Beitrag setze sich nicht kritisch mit der früheren gesellschaftlichen Funktion eines IM auseinander und gefährde schließlich die „Resozialisierung“ des Klägers.
Die Entscheidung:
Ganz anders nun das Kammergericht.
1. Das überwiegende Informationsinteresse erschließe sich schon aus der ständigen Begleitung der bekannten und von der Öffentlichkeit für ihr politisches und gesellschaftliches Engagement honorierten Schauspielerin. Dieses Informationsinteresse schließe nach den Grundsätzen der „Begleiterrechtsprechung“ auch die Person und die nähere Vergangenheit ihres der Öffentlichkeit präsentierten Lebenspartners ein. Das Gericht wörtlich:
Der Beklagten ist deshalb darin zuzustimmen, dass es die Öffentlichkeit interessiert, wenn sich die Partnerin des Klägers nach außen hin öffentlich und mit politischem Anspruch zu Werten wie Toleranz, Bürgerrechten usw. äußert, geschichtliches Vergangenheitsbewusstsein propagiert, für Minderheiten und gegen Verfolgung eintritt, gleichzeitig aber mit einem Mann liiert ist, der in der Vergangenheit dem deutlich widersprechende Werte vertreten haben muss, indem er bewusst und willentlich Teil eines Spitzel-Apparates war, der die Menschen- und Bürgerrechte mit Füßen trat und Existenzen vernichtete.
2. Zudem - so das Berufungsgericht - stelle das Wirken des früheren MfS und seiner Informanten – wie das Bundesverfassungsgericht in anderen Entscheidungen betonte – eine nach wie vor die Öffentlichkeit berührende Frage dar. Anders als das Landgericht dies annahm, trage der Bericht auch zu einer Sachdebatte im Sinne einer differenzierten Bewertung und Aufarbeitung der Rolle früherer Mitarbeiter des MfS bei.
3. Ferner weist das Kammergericht darauf hin, dass nicht die vom Kläger in Anspruch genommene „Privatsphäre“ betroffen, eine Thematisierung dessen früherer IM-Tätigkeit vielmehr der weniger geschützten „Sozialsphäre“ zuzuordnen sei.
4. Den Einwand einer unzulässigen „Prangerwirkung“ wies das Gericht zurück: Die veröffentlichten Informationen seien zwar geeignet, den Kläger in der Öffentlichkeit negativ darzustellen, Stigmatisierung oder soziale Ausgrenzung sei aber nicht festzustellen, nachdem der Kläger hierzu keine sachdienlichen Angaben vorgetragen hatte.
5. Der Resozialisierungsgedanke, der in der „Lebach“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck kommt, war hier – so das Gericht weiter - nicht anzuwenden, da dieser nur für „Straftäter“ greift, der Kläger aber in der Gesellschaft „sozialisiert“ ist und es schon aufgrund der fehlenden sozialen Ausgrenzung und Stigmatisierung einer „Resozialisierung“ nicht bedürfe.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung und bislang abweichender Rechtsprechung eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts zugelassen.