Ein neuer Beschluss des Bundesgerichtshofs Az.: XII ZB 116/07 verdient auch wegen der Verfahrensgeschichte, beachtet zu werden:
a. Ein Gericht erster Instanz stellt, obwohl mehrfach gemahnt, erst nach 15 Monaten einen Beschluss zu.
b. Ein Richter dieses Gerichts, des Amtsgerichts Demmin, ist darüber hinaus dringend verdächtig, das Gerichtsprotokoll zur Verkündung der Entscheidung gefälscht zu haben.
c. Das Oberlandesgericht Rostock wies die Beschwerde mit der Begründung ab, der Beschluss sei rechtskräftig, weil sich der Antragsteller nicht vor Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des (zu dieser Zeit noch nicht zugestellten und dem Antragsteller unbekannten) Beschlusses des AG Demmin seine Beschwerde eingereicht habe (§§ 621 e Abs. 3 Satz 2, 517 ZPO). Es besteht der Verdacht, dass zu dieser Zeit das Amtsgericht den Beschluss noch nicht einmal vollständig abgesetzt hatte.
d. Die beantragte Akteneinsicht hat das OLG Rostock zu Unrecht versagt, so dass der Fälschungsverdacht nicht weiter gekärt werden konnte.
e. Hätte der Antragsteller die Akten einsehen können, hätte er nicht nur auf die verdächtige Zeitspanne von 15 Monaten trotz der Mahnungen hinweisen können, sondern auch darauf:
Auch auf dem Original des Beschlusses ist die Verkündung nicht vermerkt. Darüber hinaus: Der Richter hat den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht zugezogen. Vor allem: Ein Vermerk, der die Richtigkeit der Übertragung vom Tonträger bestätigen soll, wurde von der dort genannten Justizobersekretärin nicht unterzeichnet. Und: Die Anfragen der Verfahrensbeteiligten und ein nachträglich eingereichter Rentenbescheid wurden zeitlich vor dem Protokoll abgelegt.
f. Das OLG Rostock hat auch einen Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen.
g. Der BGH gibt dann in dritter Instanz versehentlich zweimal an den wichtigsten Stellen falsch an, wann er beschlossen hat.
h. Schließlich benennt der BGH beim Leitsatz zudem für die erste Instanz ein überhaupt nicht existierendes Gericht.
Wir haben die Pressestelle des BGH verständigt.
Anders geschildert:
Das Sitzungsprotokoll vom 4. Mai 2005 lautet: „beschlossen und verkündet - Eine Entscheidung ergeht am Ende der Sitzung. Nach Wiederaufruf der Sache erscheint: Niemand. Es wird anliegender Beschluss verkündet.”
Unterschrieben hat der Abteilungsrichter, erwähnt: ohne den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle hinzuzuziehen.
Erst 15 Monate später - nach mehrfacher Intervention des Antragstellers - stellte das Amtsgericht das Protokoll sowie einen Beschluss zu, in dem es heißt: „hat das Amtsgericht - Familiengericht ... - durch ... nach Anhörung der Beteiligten am 04.05.05 [Anmerkung: also vor 15 Monaten!] beschlossen”.
Der Bundesgerichtshof stellte dazu in seinem jetzt bekanntgegebenen Beschluss Az.: XII ZB 116/07 - sicher zutreffend - fest: „Der aus den Akten ersichtliche zeitliche Ablauf legt es nahe, dass die Entscheidung erst auf die erneute Anfrage der Antragsgenervertreterin vom 19. Juni 2006 abgesetzt und mit der richterlichen Verfügung vom 27. Juli 2006 zur Geschäftsstelle gelangt ist.”
Das Oberlandesgericht Rostock hatte jedoch, wie teilweise erwähnt - entgegen dieser offenkundigen Unstimmigkeit dem Antragsteller die beantragte Akteneinsicht versagt und ihm erklärt, er habe die Beschwerdefrist versäumt. Einen Wiedereinsetzungsantrag wies das OLG dann auch noch ab.
So gut der BGH-Beschluss auch ist, es kam, wird der eine oder andere denken, was kommen musste: Der BGH, für den es in diesem Verfahren fortlaufend um Kalenderdaten ging, gibt für seinen eigenen Beschluss gleich zu Beginn ein unzutreffendes Datum an: „Beschluss vom 20. Februar 2007” und wiederholt einleitend, er habe „am 20. Februar 2007” beschlossen. Zu dieser Zeit hatte das OLG Rostock seinen nun vom BGH aufgehobenen Beschluss noch gar nicht gefasst! Richtig ist wohl, wie es der BGH (nur) unter dem Leitsatz angibt: 20. Februar 2008. Nicht genug: Unter dem Leitsatz nennt er als Ausgangsgericht ein Gericht, das es gar nicht gibt, nämlich: „LG [Landgericht] Demmin”, statt AG [Amtsgericht] Demmin.