Vor allem nach Entscheidungen des Kammergerichts und des Oberlandesgerichts München muss angenommen werden:
Die Leserinnen und Leser erkennen weit eher den Hinweis „Anzeige” als Juristen vermuten. Gröning hat in WRP 1993, 685 ff. bereits über entsprechende Erfahrungen des Kammergerichts auf der Grundlage einer repräsentativen Umfrage berichtet. Besonders aufschlussreich ist das in AfP 1997, 930 f. mit einer Anmerkung veröffentlichte Urteil des OLG München Az.: 29 U 5606/96 zu einer redaktionell aufgemachten Anzeige.
Diese Erkenntnisse wurden zudem zu einer Zeit gewonnen, als noch nicht das europäische Verbraucherleitbild eingeführt worden ist. Dieses Verbraucherleitbild will bekanntlich im Vergleich zum früheren Leitbild von einem aufmerksameren, verständigeren und besser informierten Durchschnittsverbraucher ausgehen. Gegen dieses Leitbild lässt sich zwar viel einwenden. Aber jedenfalls darf heute nicht weniger als früher den Leserinnen und Lesern zugestanden werden, dass sie den Hinweis „Anzeige” doch recht schnell erkennen und beachten.
Ein neues Urteil des Landgerichts Stuttgart, Az.: 40 0 16/06, zu einer redaktionell aufbereiteten Werbeanzeige entspricht nicht den Berliner und Münchener Gerichtserkenntnissen aus repräsentativen Umfragen. Es hat mit - so der soziologische Fachausdruck - „Alltagstheorien” unterstellt, die Leserinnen und Leser würden „auch nicht gezielt nach einer entsprechenden Kennzeichnug suchen”.
Ob das LG Stuttgart nun falsch entschieden hat oder nicht, ließe sich definitiv nur mit einer repräsentativen Umfrage feststellen. Einzelheiten zur gesamten Problematik, auch zum Verzicht auf Umfragen, können Sie in der Urteilsanmerkung AfP 1997, 931 ff. nachlesen.