Gedacht war die Gegendarstellung einst als Wohltat, zur Plage ist sie geworden. Ein Gericht hat verdienstvoll unverblümt veranschaulicht, wie unheilvoll die Anspruchsteller das Rechtsinstitut der Gegendarstellung entwickelt haben. In einer einstweiligen Verfügung, in welcher das Gericht den Abdruck einer Gegendarstellung verfügt, ergänzt das Gericht abschließend:
„Die Schutzschrift vom 31. 1. 2006 wurde berücksichtigt. Dass Frau ... (in der Verfügung wird der Name genannt) wahrscheinlich mit ihrer Gegendarstellung lügt, muss für das Gericht unbeachtlich bleiben.
Wollte sich der Verlag genauso verhalten wie viele Anspruchsteller, müsste er die einstweilige Verfügung rechtskräftig werden lassen, die Gegendarstellung abdrucken und in einer redaktionellen Anmerkung wörtlich das Gericht zitieren (samt dem Namen der Anspruchstellerin).
Hier können Sie diese einstweiligen Verfügung nachlesen.
Wir haben selbst das Aktenzeichen gelöscht. Würden wir auch den Namen der Anspruchstellerin preisgeben, wäre die Meldung sicher anschaulicher.
Eine Plage ist die Entwicklung zudem deshalb, weil sich immer noch stärker durchsetzt: Bei jedem unangenehmen Artikel wird eine Kanzlei eingeschaltet, und die Kanzlei erreicht am schnellsten und einfachsten einen Erfolg mit einer Gegendarstellung.
Oft wird bekanntlich Gegendarstellungen der „Redaktionsschanz” hinzugefügt: „Die Redaktion muss nach dem Gesetz Gegendarstellungen ohne Rücksicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit abdrucken.” Wie würden die Anspruchsteller reagieren, wenn die Medien als Redaktionsschwanz künfig formulierten:
„Nach der Rechtsprechung müssen Gegendarstellungen selbst dann abgedruckt werden, wenn auch das Gericht annimmt, dass der Anspruchsteller mit seiner Gegendarstellung lügt.”?
In der weiteren Diskussion zur Entwicklung des Gegendarstellungsrechts müsste unter anderem bedacht werden, dass zugunsten von Gegendarstellungen immer von „Waffengleichheit” die Rede ist. Den Medien wird jedoch nicht zugestanden, mit Tatsachenbehauptungen wahrscheinlich zu lügen”.