Ein Beispiel zum richterlichen Dezisionismus, wie man es so klar nur selten geboten erhält: Den gleichen Fall beurteilt das eine Gericht so, das andere genau gegenteilig, obwohl sich beide Sachverhalte zum rechtlichen Problem in nichts unterscheiden.
FOCUS hatte entlarvt, dass Agenturen Möchtegern-Models neppen. Die Models lassen sich kostenpflichtig im Internet mit dem Ziel abbilden, angeworben zu werden. Der FOCUS zeigte Beispiele aus dem Internet. Zwei Models wollten in Geld von der Zeitschrift entschädigt werden; das eine in Frankfurt, das andere in Stuttgart.
Das Landgericht Frankfurt a.M. urteilte: Die Publikation ist rechtmäßig. Die Models sind relative Personen der Zeitgeschichte und berechtigte Interessen der Abgebildeten werden nicht verletzt. Eine Geldentschädigung stand dem Model bei dieser rechtlichen Beurteilung ohne jede weitere Diskussion von vornherein nicht zu. Über dieses Urteil haben wir am 21. März an dieser Stelle berichtet. Das Aktenzeichen dieses Urteils: 2/03 0 444/04.
Anders das Landgericht Stuttgart, obwohl es das Frankfurter Urteil kannte. Dieses Gericht erklärte die Publikation für rechtswidrig, - vor allem mit der Begründung: „Opfer ... sind keine relativen Personen der Zeitgeschichte ... Denn die Öffentlichkeit interessiert sich in erster Linie für das zeitgeschichtliche Ereignis und erst nachrangig für die Opfer ...”. Außerdem - so das LG Stuttgart hilfsweise weiter - standen berechtigte Interessen der Models entgegen. Eine Geldentschädigung sprach das LG Suttgart dennoch nicht zu, weil „die Veröffentlichung nach Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte nicht die von der Rechtsprechung entwickelten hohen Voraussetzungen erreicht, unter denen ausnahmsweise eine Geldentschädigung zu zahlen ist”. Um das Beispiel zum richterlichen Dezisionismus perfekt zu machen: Das Amtsgericht hatte sogar dem Möchtegern-Model 1.000 Euro zugesprochen.
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart, Az.: 17 S 3/05, können Sie hier nachlesen.