Jeder, der mit Äußerungsrecht zu tun hat, kennt den in § 193 des Strafgesetzbuchs normierten Rechtfertigungsgrund „Wahrnehmung berechtigter Interessen”, müsste man annehmen. Das Bayerische Oberste Landesgericht konnte jedoch nur feststellen, dass das voristanzliche Landgericht zu § 193 nicht einmal Stellung bezogen hat.
Das BayObLG hat sich nicht nur mit § 193 auseinandergesetzt, sondern auch angenommen, dass der Angeklagte, der rechtswidrig den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte, berechtigte Interessen im Sinne des § 193 StGB wahrnahm, als er den Polizisten als Wegelagerer beschimpfte.
Die Urteilsbegründung ist über den Vorwurf „Wegelagerer” hinaus deshalb interessant, weil das BayObLG die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts a majore ad minus herangezogen hat. Mit dem Urteil kann somit zu vielen anderen Bezeichnungen in der Weise argumentiert werden:
„Das Bundesverfassungsgericht hat zu einem Rechtsstreit dargelegt, dass sogar die Bezeichnung 'Gestapo-Methoden' gerechtfertigt war. Deshalb ist im konkreten Fall - so wie das Bayerische Oberste Landesgericht für den Vorwurf 'Wegelagerer' die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Größeren zum Kleineren angewandt hat - die Bezeichnung 'X' gerechtfertigt.”
Das BayObLG führt nämlich in seinem Urteil aus:
„Dem vom BVerfG betonten Recht des Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt auch mit drastischen Worten zu kritisieren, steht eine allenfalls als weniger schwerwiegend zu beurteilende Ehrverletzung des Beamten gegenüber. Vor dem Hintergrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung muss diese Beeinträchtigung gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit zurücktreten. Das BVerfG hat weit gravierende Äußerungen als geschützt angesehen. So hat es beispielsweise den Vergleich einer Abschiebung mit 'Gestapo-Methoden' dem Schutz des Art. 5 I GG unterstellt und die Ehre der betroffenen Beamten insoweit hinter das Recht auf freie Meinungsäußerung zurückgestellt.”
Den Beschluss des Bayerischen Oberlandesgerichts (1 St RR 153/04) können Sie hier abrufen.