Bundesgerichtshof Beschluss vom 27. April 2023, herausgegeben am 22.6.2023. 

Leitsatz

„Das dingliche Vorkaufsrecht genießt jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters, wenn es von dem Eigentümer zugunsten eines Familienangehörigen i.S.v. § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB bestellt wurde.”

Anmerkungen

Wer sich interessiert, wird, wie immer bei Entscheidungen des V. Zivisenats, profitieren, wenn er auch die Begründung liest. Des Pudels Kern finden Sie in den RNrn. 31 ff. und hier wiederum konzentriert zum Rechtsmissbrauch und anderen Fällen etwaiger Vereitelungen in Rn 36:

„Ein Vorrang des Mietervorkaufsrechts kann daher allenfalls in Fällen von Rechtsmissbräuchen in Betracht kommen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass nur zur Ausschaltung des Vorkaufsrechts des Mieters einer nach § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB privilegierten Person ein dingliches Vorkaufsrecht eingeräumt wird (vgl. zum rechtsmissbräuchlichen Verkauf an Familienangehörige Senat, Urteil vom 22. Juni 2007 - V ZR 269/06, NJW 2007, 2699 Rn. 9; zu anderen
„Vereitelungsfällen“ Senat, Urteil vom 11. Oktober 1991 - V ZR 127/90, BGHZ 115, 335, 338 ff.). Dies wird der Eintragung eines Amtswiderspruchs aber schon wegen der Beweismittelbeschränkung im Grundbuchverfahren regelmäßig nicht entgegenstehen können und hier bestehen für einen Rechtsmissbrauch ohnehin keine Anhaltspunkte.”

Der Gesetzeswortlaut, § 577 Abs. 1 BGB

(1) Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft, so ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt. Dies gilt nicht, wenn der Vermieter die Wohnräume an einen Familienangehörigen oder an einen Angehörigen seines Haushalts verkauft. Soweit sich nicht aus den nachfolgenden Absätzen etwas anderes ergibt, finden auf das Vorkaufsrecht die Vorschriften über den Vorkauf Anwendung.

Begriffsdefinitionen

Eine gesetzliche Definition des Begriffes „Familienangehöriger" ist heute schwieriger denn je. Neben den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen helfen die von unserer Kanzlei ermittelte  Grundnorm -

Grundnorm - Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

in Verbindung mit § 11 des Strafgesetzbuches.

§ 11 StGB definiert:

§ 11
Personen- und Sachbegriffe
(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1. Angehöriger:
wer zu den folgenden Personen gehört:
a) Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist,
b) Pflegeeltern und Pflegekinder;
2. Amtsträger:
wer nach deutschem Recht
a) Beamter oder Richter ist,
b) in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder
c) sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen;

 

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
zertifizierte Datenschutzbeauftragte (DSB-TÜV)
Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

TELEFON:

+49.89.9280850

E-MAIL:

as@schweizer.eu

Zum Profil